Mobilitätsunternehmen und touristische Wertschöpfungskette
ICRET (International Center for Research and Education in Tourism) hat die Pflege des Wissens- und Erfahrungsaustausches zwischen Forschung und Praxis zum Ziel. ICRET widmet sich kritisch und unabhängig wichtigen Zukunftsfragen des Tourismus, wobei die Weiterentwicklung alpiner Destinationen besondere Aufmerksamkeit erfährt. Mitglieder sind die Landestourismusorganisationen von Südtirol, Tirol und Vorarlberg sowie Vertreter von Universitäten und Fachhochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Mobilität – Thema der ICRET Jahrestagung
Gastgeber der kürzlich abgehaltenen Jahrestagung 2017 war das Institut für Tourismuswirtschaft der Hochschule Luzern. Tagungsthema waren verschiedene Spielarten der Mobilität im Tourismus wie Schifffahrt, Bergbahnen, Elektromobilität, selbstfahrende Autos, Steuerbarkeit von wetterbedingten Nachfrageschwankungen. Am Beispiel der Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee (SGV) und der Rigi Bergbahnen wurden die Herausforderung aufgezeigt, die touristische Mobilitätsanbieter bewältigen müssen, um in Zukunft am Markt erfolgreich bestehen und ihre Kernleistungen bedarfsgerecht erbringen zu können. Dabei zeigten sich viele Parallelen, unabhängig davon, ob der Mobilitätsleistungen auf dem Wasser oder am Berg erbracht werden. Vieles erinnerte an das Handeln erfolgreicher Anbieter in Österreich, insbesondere der Bergbahnen.
Beispiel Mobilitätsunternehmen Schifffahrt
Da im TP Blog Bergbahnunternehmen immer wieder Thema sind, steht im Folgenden das Beispiel der Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee im Mittelpunkt. Die SGV hat ihre Wachstumsgrenzen im Kerngeschäft erreicht, der Schifffahrtsbetrieb allein bietet keine ausreichende unternehmerische Perspektive mehr. Die Gesellschaft ist damit konfrontiert, dass sie pro Fahrt nur einen vergleichsweise geringen Ertrag erzielt. Sie generiert jedoch viele positive externe Effekte, die nicht messbar sind und auch nicht abgegolten werden. Ein Ausbrechen aus diesem Teufelskreis erfordert Entwicklungsschübe nach innen und nach außen.
Formen und Effekte der Arbeit nach innen …
Nach innen gehören dazu die Steigerung der Produktivität sowie die Kreation attraktiver Produkte und Angebote. Ein Beitrag zur Erhöhung der Produktivität ist die Auflassung wenig frequentierter Anlegestellen und damit die Verkürzung der Fahrzeiten. In der Produktentwicklung geht es um Innovationen, in diesem Fall um den Einsatz moderner Schiffe, die neue Zielgruppen ansprechen. Beispiele sind Schiffe für kurze Rundfahrten für die asiatischen Gäste, die nur wenig Zeit zur Verfügung haben, oder ein Schiff, das dank seiner Bauweise und Ausstattung Kreuzfahrt-Feeling vermittelt.
… und der Entwicklung nach außen
Die Entwicklung nach außen erfolgt über die Diversifizierung der Geschäftstätigkeit, um an einem größeren Teil der touristischen Wertschöpfungskette zu partizipieren. Dazu gehört die Nutzung des Know-hows, das die SGV seit den 1930er Jahren durch die Reparatur und den Bau eigener Schiffe erworben hat. Diese Leistungen bietet die SGV jetzt auch Dritten an. Ein weiterer Schritt ist die Erweiterung der Gastronomie und der Einstieg in die Beherbergung. Die Ausweitung des Gastronomiegeschäfts hat zum Ziel, auch an Land präsent zu sein, insbesondere an stark frequentierten Anlegestellen. Um die regionale Komponente zu stärken, hat die SGV ihre Fühler in Richtung Landwirtschaft sowie Nahrungs- und Genussmittelproduktion ausgestreckt. So kann sie Produkte von eigenen Schafen und Bienen anbieten sowie eigenes Bier und eigenen Wein offerieren.
Der Erfolg der begonnenen und konsequent vorangetriebenen Ausweitung der Anteile an der touristischen Wertschöpfungskette zeigt u.a. folgende Effekte: Die neuen Geschäftsfelder außerhalb des Kerngeschäfts Schifffahrtsbetrieb bringen bereits mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes aller zur SGV gehörenden Unternehmen. Ähnliches gilt für die Gastronomie, die heute am Land höhere Umsätze erzielt als auf den Schiffen.
Einige Schlussfolgerungen
Aus der Zusammenschau von Schifffahrtsgesellschaft und den – hier nicht weiter diskutierten – Entwicklungsstrategien der Rigi Bergbahnen lassen folgende Erkenntnisse ableiten.
- Vorteilhaft ist ein Umfeld, das viele natürliche sowie infrastrukturelle Attraktionspunkte aufweist und damit zahlreiche Anknüpfungspunkte für Vernetzungen bietet.
- Ausreichende Wirtschaftskraft erleichtert bzw. ermöglicht es, den Schritt in vor- und / oder nachgelagerte Geschäftsfelder mit Erfolg zu tätigen.
- Die Ausweitung von Geschäftstätigkeiten trägt u.a. dazu bei, dass nicht nur Neubauten entstehen, sondern innerhalb der Destination Objekte, die nicht mehr befriedigend funktionieren, übernommen werden und in ein erfolgreiches Zukunftskonzept Eingang finden.
- Quantitatives Wachstum von touristischen Mobilitätsunternehmen und damit die Nutzung von Skaleneffekten muss nicht zwingend mit der Inanspruchnahme neuer Flächenressourcen verbunden sein.
- Es geht nicht unbedingt um mehr Masse, sondern darum, entlang der Wertschöpfungskette an mehreren strategischen Punkten präsent zu sein.
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