Liberalisierung auf österreichisch
Die kleinen touristischen Anbieter gehören zum typischen österr. Tourismusangebot, sozusagen zur DNA des österr. Tourismus. Es gibt auch breite Übereinstimmung, dass diese Betriebe – gerade in vielen ländlichen Regionen – eine wichtige wirtschaftliche Funktion erfüllen und zur Belebung des ländlichen Raumes beitragen.
Jetzt kommt das neue Pauschalreisegesetz: wenn die Bäuerin im Mühlviertel ihren Gästen einen Brotbackkurs anbietet, um sie ein paar Tage in den ländlichen Raum zu locken, dann handelt es sich lt. Gesetz um eine sog. „Pauschalreise“. So weit, so gut. Die EU verlangt vom Anbieter einer solchen Reise eine Insolvenzabsicherung. Das lässt sich mit einer Versicherung abdecken (auch wenn wir in den letzten 25 Jahren keinen solchen Schadensfall hatten). Damit und mit einer entsprechenden Information sind die EU-Anforderungen erfüllt.
Aber Österreich kann es besser: diese Bäuerin braucht lt. neuem Pauschalreisegesetz zusätzlich zur Insolvenzabsicherung ein volles Reisebürogewerbe! Das verlangt die EU nicht, übrigens auch keines unserer Nachbarländer. Die gewerblichen Unterkünfte haben – sinnvoller Weise – eine Ausnahme von dieser zusätzlichen Verpflichtung. Mit dieser Regelung werden genau jene (in unserem Fall bäuerlichen) kleinen Betriebe getroffen, die etwas mehr anbieten als Nächtigung mit Frühstück und die dafür auch noch eine Anzahlung verlangen. Also genau jene, die erfolgreich Gäste auch in weniger touristische Regionen bringen. Und damit genau die, die wir uns als Touristiker wünschen.
Der Effekt ist absehbar. Es wird keine Massendemonstrationen auf dem Ballhausplatz geben, aber nicht wenige werden sich überlegen, einfach aufzuhören.
Liberalisierung schaut anders aus. Und Tourismus könnte so schön und kreativ sein.
Nur eines von vielen Gold-Plating Beispielen in Österreich. Hatte die Regierung nicht angekündigt sich der Übererfüllung von EU-Normen anzunehmen? Ich dachte ja, dass es darum ging diese zu minimieren… aber wer weiß…
Vollkommen richtig erkannt, aber hier wurde schlichtweg schlecht oder nicht lobbyiert!
Aufgrund der Erweiterung der Nebenrechte wurde in der GewO klargestellt, dass Hotels keine zusätzliche Gewerbeberechtigung benötigen, um Pauschalreisen anzubieten.
Die Krux an der Sache ist, dass Privatzimmervermieter / Urlaub am Bauernhof gar kein Gewerbe ausführen und daher auch keine Nebenrechte erweitert werden können. Sie werden dementsprechend in vollem Umfang vom neuen Pauschalreisegesetz getroffen, profitieren allerdings nicht von der GewO-Novelle.
Die bedeutet, dass alle Anbieter und Vermittler von Pauschalreisen (sowie Vermittler von verbundenen Reiseleistungen), die über keine Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe verfügen, eine Gewerbeberechtigung für das Gewerbe der Reisebüros benötigen. Als Prodinger haben wir die touristischen Verantwortlichen vor einem Jahr darauf aufmerksam gemacht.
Neben dem finanziellen kommt vor allem auch ein operativer Mehraufwand hinzu, der vielen kleinen Vermietern bereits schwer zu schaffen macht!
Gold-Plating wird stimmen, ob das Lobbying nicht funktionierte kann ich nicht beurteilen, aber wir müssen uns wohl mehr darüber Gedanken machen, was dahintersteckt, welches Gedankengut der Wirtschaftspolitik dahintersteckt – und wie wir sie ändern können.
Alle europäischen Staaten werden in ihrer Wirtschaftspolitik seit den 80er-Jahren von einer neoliberalen Wirtschafts“Philosophie“ dominiert – auch Österreich (besonders jetzt).
Die KMUs haben diese Politik begrüßt, weil sie „mehr privat, weniger Staat“, den Markt als Regulativ und ein Zurückdrängen der Gewerkschaften versprochen haben – Und haben dabei übersehen, dass die trügerische „Freiheit“ des Marktes in einer globalisierten Wirtschaftswelt nur den Großen hilft und die Kleinen verlieren.
Da kann man durch Lobbying die eine oder andere Korrektur erreichen, aber die neoliberale Wirtschaftsordnung schwächt trendartig die Klein- und Mittelbetriebe (und damit das wirtschaftliche Herz Österreich).
Ich finde, es ist in diesem Zusammenhang auch noch wichtig zu erwähnen, das selbst willige Klein- und Mittelbetriebe kaum den EU-Richtlinien Dschungel durchblicken und den komplexen Vorschriften eher machtlos gegenüberstehen. Zu wenig Informationsfluss und geringe Kenntnisstände seitens offizieller Stellen erschweren die Aufklärungswelle in dem Bereich noch zusätzlich. Ich kann nur unterstreichen, was Herr Kohl in seinem Statement bemerkt – politisch findet keine Förderung der KMU’s statt, eher das Gegenteil ist der Fall.
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