Land der Berge, zukunftsreich! (Teil 3 von 3)
Welche touristische „Produkte“ zu welchen Preisen in den Bergen geboten werden, ist schon seit Jahren einem starken Wandel unterworfen: Technische Beschneiung stand als höchst erfolgreiche Klimawandelanpassungsstrategie lange für verlässliche Qualität und homogene Beschaffenheit der Pisten, ist heute eine unbedingt notwendige Voraussetzung geworden, um den Skisport ausüben zu können. Der hohen Erwartungshaltung der Gäste (schon vereinzelte Steine als großes Malheur) kann jedoch bei extremen Wetterverhältnissen nicht mehr immer und überall entsprochen werden. Gleichzeitig hat sich mit dem Radfahren neben dem Wandern eine weitere bergsportliche Aktivität etabliert, sodass der Sommer mancherorts bereits zum neuen Winter ausgerufen wird.
Klimaschutz & Bergsport
Die Voraussetzungen, sich an einen sukzessiven Rückgang von Möglichkeiten für den schneeabhängigen Wintersport anzupassen, sind von Standort zu Standort bzw. von Organisation zu Organisation sehr unterschiedlich. Aber gewisse strategische Themen können nur gemeinsam und mehr oder weniger flächendeckend angepackt werden.
Drei Themenbereiche mit je drei konkreten Beispielen, was jetzt für ein – wie es schon in der Bundeshymne heißt – „Land der Berge, […] zukunftsreich!“ getan werden kann, sollen in Form einer Trilogie skizziert werden: 1 Proponent wirkungsvollen Klimaschutzes sein und 2 Gesamtes Spektrum des Bergsports nutzen sind bereits erschienen. Abschließend geht es um die „Königsdisziplin“: Was es zu beachten gilt, um in einem konzertierten Vorgehen die Produkt- und Preispolitik zu modernisieren.
3 Produkt- und Preispolitik gemeinsam erneuern
Wir gehen in eine Zeit, in der die Alpen als relativ kühler und leicht erreichbarer Rückzugsort an Attraktivität für Urlaub und Freizeit gewinnen. Zwar verfügen hunderte Wintersportorte über touristische Infra- und Suprastruktur, aber selbst diese famosen Kapazitäten sind begrenzt. Das quasi urbane Prinzip der Skigebiete, nämlich tausenden Menschen Erholungswert und Freizeitnutzen auf vergleichsweise engem Raum zu bieten, ist naturschutzfachlich sommers wie winters jedem individualistischen Konzept überlegen.
Die Kunst besteht einerseits darin, durch Besucherstromlenkung und kluge Inszenierung – also Aufbereitung von Erlebnissen – unnötige Spitzen und Überlastungen zu vermeiden, für Sicherheit und Qualität zu sorgen. Und andererseits die vorhandenen Kapazitäten – sei es in Beherbergung und Gastronomie, bei der Mobilität sowie der Sport- und Freizeitinfrastruktur – bestmöglich auszulasten. Speziell bei Skigebieten gibt es Vorbehalte, was Kontingentierung (also das Einziehen zahlenmäßiger Obergrenzen) anbelangt – genau das ist aber notwendig, um die Nachfrage in zeitlicher Hinsicht möglichst gut zu bedienen: Im Tages- und Wochenverlauf, aber auch saisonal betrachtet.
Die Seilbahnwirtschaft wäre übrigens auch retrospektiv in der Lage, der realisierten Nachfrage (Skier Days bzw. Fahrten) das jeweils zur Verfügung stehende Angebot (Aufstiegshilfen, Pisten) gegenüberzustellen. Natürlich halten wir in der Gesamtsicht außerhalb der Ferien meist gewaltige Überkapazitäten vorrätig, wenn bestimmte Angebote kaum genutzt werden. Das lässt sich manchmal betrieblich nicht vermeiden, wobei sich da wohl aufgrund des Kostendrucks in nächster Zeit viel ändern wird.
Die kulturelle Norm muss sich von „walk-in“ und „first come, first served“ auch bei der Seilbahninfrastruktur oder z.B. der Nutzung von Langlaufloipen dahin entwickeln, dass Gäste vorab buchen, einfach um sicher dabei zu sein. Für Besucherstromlenkung bzw. Auslastungsmanagement wird damit in der Praxis eine digitalisierte Form des Ticketings unbedingt erforderlich. Damit lassen sich Kapazitäten nicht nur bei einem „Flaschenhals“ wie einer Zubringerbahn, sondern auch im Gesamtsystem (Mobilität, Gastronomie, Skiverleih, Skischule) selbst bei höherem Tagesgastanteil gut managen.
Nachfragesteuerung
Vor allem eröffnen sich Möglichkeiten – z.B. über dynamische Preise oder andere preispolitischen Maßnahmen – die Nachfrage zu steuern. In Niederösterreich liegt der Online-Anteil unserer Skigebiete bei 60 %, somit stehen auch wertvolle Kundendaten für CRM zur Verfügung. Ideal wären gemeinsame Marktplätze, sodass Gäste – wie sie es von Buchungsportalen gewohnt sind – Produkte und Angebote bzw. deren Verfügbarkeiten sowie Preise leicht vergleichen können (3.1).
Was die Produkte „Skifahren“ und „Snowboarden“ anbelangt, steigt der Druck dem demografischen Wandel zu begegnen. Dünnere Jahrgänge müssen dadurch kompensiert werden, dass Gäste bis in ein noch höheres Alter dabeibleiben. Gleichzeitig darf die Nachwuchsarbeit ja nicht vernachlässigt werden. Vielleicht tragen Innovationen auf dem Materialsektor dazu bei, diese und andere Zielgruppen besser zu erreichen: Wie kann die Ski/Schuh-Kombination bequemer und lernfreundlicher werden, taugen Sportgeräte wie das Skibike als Alternative? Vielleicht müssen wir uns generell stärker am Vorbild der alpinen Vereine orientieren, deren große Stärke der soziale Zusammenhalt ist.
Blick über den Teich
In Nordamerika haben in den letzten Jahren große Saisonkartenverbünde zu Wachstum geführt. Das bereits 2019 erschienene Buch „Ski Inc. 2020: Alterra counters Vail Resorts; mega-passes transform the landscape; the industry responds and flourishes. For skiing? A North American Renaissance.“ von Chris Diamond beschreibt die Anfänge dieser Entwicklung. The Economist schreibt aktuell im Artikel The economics of skiing in America: How monopoly and price discrimination are transforming an industry über die Auswirkungen:
In basic economic theory, excessive market power reduces the efficiency of an industry. Firms reduce output so as to be able to charge more. There is, however, an exception: if a monopolistic firm can charge different prices to different customers, it need not reduce output to increase its profit. The skiing industry shows the truth of this. As the industry has consolidated, daily prices have soared, extracting more cash from price-insensitive skiers. But if you buy a season pass early, or one of your friends does, you can get a ticket for a lot less, and so the slopes are still busy. Last year 65m people visited American resorts, the largest number ever, according to the National Ski Areas Association, an industry group. Vail’s revenue increased by 14%. Season passes now make up 61% of the firm’s lift-ticket revenue.
Die Rahmenbedingungen in Nordamerika sind nicht mit Österreich vergleichbar: Wir haben keine börsennotierten Gruppen wie Vail Resorts oder Alterra Mountain Company, die auch Hotels, Restaurants, Shops und Dienstleister besitzen, darüber hinaus reihenweise stadtnahe Feeder-Skigebiete aufkaufen. Aber es ist eine Überlegung wert, gemeinschaftlich eine ähnliche Strategie zu fahren: Nämlich eine vom Preis-/Leistungsverhältnis her unschlagbare Saisonkarte für ganz Österreich aufzulegen, natürlich mit dem „KlimaTicket Ö Familie“ ähnlichen Optionen für Kinder und Jugendliche. Und darauf zu spekulieren, dass sogar für Gäste aus dem Ausland mehr und insgesamt längere Aufenthalte resultieren (3.2).
Ganz zum Schluss seien noch zwei Überlegungen zur Frage der Infrastruktur formuliert:
Selbstverständlich ist es ein strategischer Imperativ, nicht nur bestehende Seilbahninfrastruktur, sondern auch Wanderwege, Klettersteige oder für das Radfahren geeignete Forststraßen zu nutzen. Alle Formen von Sport und Bewegung, die emissionsarm betrieben werden können, haben Priorität: So gesehen ist das boomende Gravelbiken, also das Befahren bereits bestehender Schotterstraßen, ein Glücksfall. Die Entwicklung einer österreichweiten Mountainbikestrategie ist absolut sinnvoll, so muss z.B. das bewährte Vertragsmodell haftungsrechtlich immer der neuesten Judikatur angepasst werden.
Was wir auch nur gemeinschaftlich leisten und lösen können sind ganz spezifische Sportinfrastrukturen zu errichten und zu betreiben: Es ist leicht über Skihallen (bei Oslo übrigens samt Langlaufloipe) die Nase zu rümpfen. Aber auch klar ist, dass dann unser Nachwuchs zu Trainingszwecken genau dorthin ins Ausland fährt. Es ist wunderbar, wenn das Fußballstadion in Klagenfurt für einen Freeski- und Snowboard-Big Air-Bewerb adaptiert wird. Aber leider sind permanente Trainingsmöglichkeiten in diesen Disziplinen rar. Beispielsweise gab es nach den Olympischen Jugendspielen Innsbruck 2012 im KPark Kühtai 10 Jahre lang eine Superpipe. Die wird aber voraussichtlich erst wieder (als Außenstelle) für die FIS Snowboard, Freestyle und Freeski Weltmeisterschaften 2027 zur Verfügung stehen.
Wir müssen möglichst viel bestehende Infrastrukturen (mehrfach) nutzen und gemeinsam entscheiden, wo (möglicherweise auch punktuell) ganz spezifische Sportstätten sinnvoll und leistbar sind (3.3).
Es kann durchaus sein, dass das Gravelbike wieder neues Publikum erschließt. Das Mountainbike kam für einige doch als zu extrem (konditionsfordend und Abfahrtstechnik voraussetzend) daher. Ein Gravelbiker ist mit Forststraßen oder gemäßigten Wegen glücklich – und wem es da noch zu anstrengend ist, der kann dann ja auch noch aufs e-Gravel-Bike wechseln. Dann braucht es natürlich auch noch entsprechende Angebote. Diese entstehen allerdings auch nicht von selbt sondern müssen geschaffen und promotet werden.
Um den Nachwuchs wirklich zu fördern, sind Investitionen unverzichtbar. Es ist nur wichtig ein Gleichgewicht zu halten. Die Einrichtungen können auch im Sommer von Touristen genutzt werden. Wenn die Sonne unerbittlich brennt, können sie dort eine kühle Auszeit geniessen, kalte Hände und Füße bekommen und sich erfrischen.
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