23. April 2024 | 07:30 | Kategorie:
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Land der Berge, zukunftsreich! (Teil 2 von 3)

Die Voraussetzungen, sich an einen sukzessiven Rückgang von Möglichkeiten für den schneeabhängigen Wintersport anzupassen, sind von Standort zu Standort bzw. von Organisation zu Organisation sehr unterschiedlich. Aber gewisse strategische Themen können nur gemeinsam und mehr oder weniger flächendeckend angepackt werden.

Drei Themenbereiche mit je drei konkreten Beispielen, was jetzt für ein – wie es schon in der Bundeshymne heißt – „Land der Berge, […] zukunftsreich!“ getan werden kann, seien hier skizziert.

Themenbereich 1 Proponent wirkungsvollen Klimaschutzes sein ist bereits erschienen, unten geht es um 2 Gesamtes Spektrum des Bergsports nutzen und in den nächsten Tagen folgt 3 Produkt- und Preispolitik gemeinsam erneuern. Selbstverständlich gibt es viele Querverbindungen und wechselseitige Abhängigkeiten — hoffentlich ein Hinweis darauf, dass es lohnt, gerade an diesen Schrauben zu drehen!?

2 Gesamtes Spektrum des Bergsports nutzen

Anfang 2023 erschien ein mit „Das weiße Gold wird grün“ betitelter Kommentar der anderen Ihres Autors im Der Standard:

Die klassische Trennung in Winter „hui“ und Sommer „pfui“ ist in Skigebieten schon länger obsolet. Der Sommerbetrieb ist von einer strategischen Notwendigkeit, um Beherbergungsbetrieben ausreichend Öffnungstage sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ganzjahresarbeitsplätze anbieten zu können, zu einem Geschäft geworden. Neu ist in unseren Breiten, dass aufgrund der hohen Temperaturen parallel zum Skibetrieb auch klassische Sommerangebote in Betrieb genommen werden. In den Südalpen war es unter Alpinistinnen und Alpinisten schon länger üblich, Fahrräder und Kletterzeug gar nicht erst wegzuräumen. Auch wir werden ausgewählte Wanderwege, Klettersteige und Mountainbike-Trails viel länger, manchmal sogar das ganze Jahr über, nutzen. […]

Der Schneesport ist ungebrochen attraktiv, mit seiner Wertschöpfung kommt derzeit das Radfahren auf dem Berg bei weitem nicht mit. Das Befahren von speziellen Trails mit dem Mountainbike oder von Forststraßen mit dem Gravelbike hat jedoch Potenzial – und ist auch möglich, wenn das weiße Gold einmal ausbleibt.

In Zukunft müssen wir flexibler werden: Sei es in einem Art Hyridbetrieb zeitlich und örtlich parallel zum Schneesport weitere Aktivitäten anbieten oder solche, die mit entsprechender Vorbereitung grundsätzlich sowohl auf Schnee als auch ohne Schnee funktionieren (z.B. Winter-Trailrunning wie es Gerhard Gstettner für Region Seefeld – Tirols Hochplateau bereits plant). Schließlich wäre es analog zu Skisprunganlagen mit Keramikspur für den Anlauf und Matten für den Aufsprung auch denkbar, allenfalls ausbleibenden Schnee zu kompensieren. Dann wird z.B. aus der Langlaufloipe wieder eine Skirollerstrecke.

Damit eine solche Flexibilität im laufenden Winterbetrieb möglich ist, bedarf es Planung und Vorbereitung: Mit Grundeigentümern muss vereinbart werden, welche Areale statt dem Schneesport (oder zusätzlich) auch anderweitig genutzt werden können. Die behördlichen Genehmigungen müssen selbstverständlich vorliegen. Das Seilbahnpersonal muss genauso wie der Rettungsdienst entsprechend eingeschult und Partner wie Sportartikelverleih oder Bergschulen mit an Bord sein. Diese Beispiele zeigen, dass ein flexibler Betrieb nicht gerade trivial zu organisieren ist — speziell wenn er wirtschaftlich und also mehr als ein PR-Stunt sein soll.

Eine Art Erfa-Gruppe zu solchen Entwicklungen des flexiblen Winterbetriebs könnte – vielleicht aus dem Qualitätsverbund Beste Österreichische Sommer-Bergbahnen heraus – sicherstellen, dass wir als Branche nicht dutzendfach das Rad neu erfinden, uns rascher und besser entwickeln (2.1).

Wir brauchen aber auch einen anderen Paradigmenwechsel: Wintersport heißt in Österreich allzu oft alpiner Skisport, Punkt.

Dabei repräsentiert allein Ski Austria im Internationalen Ski- und Snowboardverband und der Internationalen Biathlon Union eine unglaubliche Vielfalt an Disziplinen und Bewerben, bemüht sich auch redlich diese in ihrer ganzen Breite würdig zu vertreten. Skispringen und Biathlon sind keine Alltagssportarten, dafür aber äußerst telegen. Die Snowboarderin Anna Gasser ist Säulenheilige im Big Air und Slopestyle, erfolgreich von den Olympischen Winterspielen bis zu den X-Games. Die größten Teilnehmerzahlen bei Schulmeisterschaften verzeichnen übrigens in schöner Regelmäßigkeit Snowboardcross und Skicross bei den Annaberger Liften in Niederösterreich.

Auch nicht vergessen sollten wir das perfekt breitensporttaugliche Langlaufen, das 2026 erstmals olympische Skibergsteigen oder das Freeriden. Es gibt noch viele weitere Gründe, die faszinierende Vielfalt des Schneesports zu feiern.

Auch manche Eissportart wird wie z.B. Rodeln in alpinem Gelände ausgeübt. Was aber strategisch wahrscheinlich überhaupt das größte Potenzial hat, um für den Bergsport zu mobilisieren, sind Sportarten und Aktivitäten wie das erstmals bei den Jugendspielen 2018 in Buenos Aires olympische Sportklettern. Nicht nur das Kletterzentrum Innsbruck begeistert, sondern eine Vielzahl an Kletterhallen in ganz Österreich. Die alpinen Vereine haben es geschafft, mit Bouldern & Co. Generationen an neuen Mitgliedern zu rekrutieren und oftmals aus der Stadt hinaus in die Berge zu führen.

Genau das könnte von „Park zu Park“ in anderen urbanen Sportarten ebenfalls gelingen — aus Pumptrack mit Rad, Skateboard oder Scooter in Bikepark oder Funslope am Berg. Die große Frage lautet: Wie ermöglichen wir gemeinsam – vom in Vereinen und Verbänden organisierten Sport angefangen, über Grundeigentümer und diverse Dienstleister, die Seilbahn- und Tourismuswirtschaft bis hin zu Kommunen – solche Einstiege in die Vielfalt des Schnee- und Bergsports (2.2)?

Was jedenfalls kulturell vielversprechend erscheint, ist der norwegische Zugang Kindern Sport und Bewegung zu ermöglichen. Eine breite allgemeinsportliche Ausbildung, relativ späte Spezialisierung und starke Betonung einer positiven sozialen Atmosphäre würde oftmals auch uns guttun, sowohl in der Breite als auch an der Spitze: Vielleicht ist es kein Zufall, dass die vielversprechendsten Nachwuchsathleten eben nicht nur Ski alpin betreiben, sondern wie Finn Neururer verschiedene Sportarten ausüben. Nicht nur klassische Skigebiete müssen flexibler, auch unser Zugang und unsere Einstellung polysportiver werden (2.3).

Ganz nach dem Motto: Wenn wir gerade nicht Skifahren oder Langlaufen können, dann gehen wir eben Radfahren.

24. April 2024, 11:51

Lieber Markus Redl,
Innovationen sind grundsätzlich zu befürworten. Möglich machen statt verhindern. Klar muss uns bei deinen Zukunftsplänen aber auch sein, dass dein „Umerziehungsprozess“ – und um einen solchen handelt es sich letztlich – eine, ev. sogar 1,5 Generationen dauern wird. Neben den Anbietern müssen ja auch die Familien, also die Generationen übergreifenden (!) Freizeitsportler, mitmachen. Sie tragen 60-80% der tourismuswirtschaftlichen Umsätze. Was für Niederösterreich aufgrund mancher Standortvoraussetzungen sicher anders zu beurteilen sein wird als z.B. für Tirol…
Und viele Betriebe müssen für die nächsten zwanzig Jahre planen. Da wir die Doppelstrategie beim Angebot an finanzielle Grenzen stoßen?

25. April 2024, 11:04

Danke für den Kommentar, lieber Peter!

Ich schreibe natürlich nicht über meine Zukunftspläne und schon gar nicht einen „Umerziehungsprozess“. Was meinst du damit? Was konkret soll eine oder eineinhalb Generationen dauern?

Wenn es darum geht, dass die sportliche Aktivität Schneesport (zumindest zeitweise) durch eine oder mehrere andere ersetzt oder ergänzt wird — das passiert ja bereits seit geraumer Zeit und selbstverständlich nicht nur in Niederösterreich.

25. April 2024, 12:31

Lieber Markus, eine dreiteilige, sehr detaillierte Zukunftsanalyse, darf ich doch wohl mit allem Respekt dem Autor gegenüber in einem Blog als „deine Vorstellungen (wäre zugegeben der bessere Begriff gewesen) bzw. Pläne“ zusammenfassen?

Wie schon bei mancher Diskussion sind wir ja gar nicht so weit auseinander, wie es auf den ersten Blick (oder Überschriften tauglich) scheint:
Nach meinen empirischen Daten, braucht eine mehrheitstaugliche und damit (volks)wirtschaftstaugliche, also umfassende gesellschaftliche Veränderung viel mehr Zeit, als es erste Erfolge mit durchaus praxistauglichen Modellen erwarten lassen.

Dass etwas Jahr für Jahr verfolgt und ausgeweitet werden kann und soll (!) muss trotzdem erstens einer laufenden Erfolgskontrolle unterzogen werden und dauert zweitens auch im Erfolgsfall sehr lange, bis es die Mehrheit der urlaubenden Bevölkerung erreicht. Wie lange, darüber können wir bei nächster Gelegenheit ausführlicher diskutieren.

25. April 2024, 22:50

Also ich kann das „nur“ als Praktiker beurteilen. 17 Jahre Produktentwicklung in Tourismusverbänden hat mir gezeigt, dass die Veränderungen, gerade im Tourismus sowohl von den lokalen Stakeholdern als auch den Gästen sehr viel schneller angenommen und mitgetragen werden als über mehrere Generationen. Wenn ich an meine Projekte Climbers Paradise oder die Trailrunning Entwicklung denke, da reden wir über Zeiteäume der Anpassung und Akzeptanz von 10 bis 20 Jahre. Weiter zählt das Trailrunning im Pitztal, dort habe ich das Thema 2006 entwickelt zu einem der wichtigsten Buchungsgründe für einen Sommerurlaub nach dem Bergsteigen. Und der dabei entwickelte Event, wurde innerhalb weniger Jahre zu einer Erfolgsstorry für die Einheimischen auf den alle ein Jahr lang hinfiebern…

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