Kalt und Warm
Gerade haben wir noch über die Belastungen des Overtourism geklagt und Überlegungen zur Steuerung der gigantischen Touristenströme angestellt, da müssen wir uns schon wieder den Kopf darüber zerbrechen, wie negative Auswirkungen des zu befürchtenden Rückganges der Gäste in der kommenden Sommersaison klein gehalten werden können. Das Bild einer menschenleeren Rialtobrücke und eines über den Gästeschwund klagenden Bürgermeisters von Hallstatt sind vorerst ungewohnte Eindrücke, die uns die schlagartige Veränderung vor Augen führen.
In der vergangenen Wirtschaftskrise, die einen deutlichen Konjunkturabschwung mit sich brachte, hat sich der Tourismus als erstaunlich stabil gezeigt. Da wurde eher der Kauf des neuen Autos verschoben als auf die Urlaubsreise verzichtet. Aber die Angst vor dem Coronavirus trifft den Tourismus an einer empfindlichen Stelle: Das Reisen ist das Gefährliche. In einem Flugzeug auf engem Raum mit möglicherweise kranken Mitreisenden zu sitzen, auf einem Kreuzfahrtschiff tagelang in Quarantäne festgehalten zu werden, in fernen Ländern plötzlich in einem wenig Vertrauen erweckenden Krankenhaus zu liegen oder anlässlich einer Großveranstaltung angesteckt zu werden, das sind alles Szenarien, denen man gerne aus dem Weg geht. Dazu kommt, dass (siehe Italien) ganze Landstrichte dichtgemacht und eine Fülle von Flügen abgesagt werden. Der Wirtschaftszweig, der gerade noch von Erfolg zu Erfolg geeilt ist, befindet sich plötzlich im Krisenmodus.
In einigen Wochen wird wohl wieder Normalität einkehren und es wäre durchaus denkbar, dass die Stornierungen vor allem Fernreisen treffen und der Inlands- bzw. Sommer- und Bergtourismus wieder mehr an Interessenten finden. Trotzdem wird es einige Bereiche etwa Fluglinien oder den Kongress- und Veranstaltungstourismus hart treffen. Die in der kommenden Saison durch Stornos verlorenen Umsätze können wohl nicht mehr aufgeholt werden und die Aussichten auf touristische Normalität verschieben sich von Tag zu Tag.
Lieber Franz, ich teile Deine umfassenden Gedanken. Zwischen den überbordenden Hallstatt-Besuchern und dem menschenleeren Venedig, liegen Welten.
Allerdings sollte der Fremdenverkehr niemals vergessen, dass er von dem Besuch von Fremden lebt. Wie rasch sich das ändern könnte, merken wir jetzt.
Fremden-Abwehrkonzepte wie diese in Hallstatt, auch in meinem geliebten Salzburg-Stadt, immer wieder hervorgebracht werden, sind kein Teil einer Lösung.
Ich grüße Dich sehr herzlich aus Heidelberg nach Wien.
Dein Karl
Lieber Herr Hartl,
da waren wir uns wohl schon zu sicher in den letzten Jahren. Europa, der Hort der Sicherheit und Stabilität. Seit Jahren blicken wir Touristiker schon mit einer Art morbider Faszination, nach Ägypten oder Tunesien, wenn dort nach einem Anschlag wieder leere Hotels zurückbleiben. Wenn wir Glück haben, dann kommen wir in Österreich mit einem blauen Auge davon. Sicherheit kann in diesen Tagen niemand versprechen. Wie auch? Die Gäste sind im Augenblick in Wartestellung.
Wovor ich mich fürchte ist die Kombination aus zu erwartendem Umsatzrückgang und CRR-Verordnung der EU Bankenaufsicht, die mit 01.01.2021 voll in Kraft tritt und dann ganz Europa mit voller Wucht trifft.
Ab heute ist die Einreichung für die Überbrückungsfinanzierung für KMUs der Tourismus- und Freizeitwirtschaft möglich:
https://www.oeht.at/produkte/coronavirus-massnahmenpaket-fuer-den-tourismus/
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