12. Januar 2011 | 10:23 | Kategorie:
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Japan – (k)ein Wintermärchen

Im Umfeld des Interski-Kongresses in St. Anton am Arlberg sollen neue Themen in Zusammenhang mit dem Schisport diskutiert werden. Ein Artikel auf ORF Online erwähnt japanische Schigebiete, die heuer wegen Kaufkraft-Problemen in der Bevölkerung geschlossen hätten. Doch dies ist bei weitem nicht der einzige Grund für Probleme im japanischen (und durchaus auch weltweiten) Schitourismus.

Seit der österreichische Offizier Theodor von Lerch 1911 das Schifahren systematisch im japanischen Militär eingeführt hatte, erfuhr der Schisport im Land der aufgehenden Sonne eine unglaubliche Popularität und mehrere große Boomphasen. Bereits Mitte der 1920er Jahre wurde Schifahren zu einer der wichtigsten Freizeitaktivitäten der Bewohner der schneebedeckten Bergregionen im Nordost- und Südwest-Japan und zudem zur neuen Freizeitaktivität der urbanen Elite.

Zwischen 1960 und 1973 erlebte der japanische Schitourismus die erste große Boom- und Investitionsphase, die zweite noch kapitalintensivere folgte 1980 und 1993. In dieser Phase wurde der japanische Schimarkt nach Schifahrerzahlen hinter den USA als zweitstärkster Markt weltweit gereiht, 1993 wurde bereits in zwei Drittel der japanischen Schigebiete Kunstschnee produziert.

Nach dem Zerplatzen der Bubble Economy in Japan jedoch zogen sich urbane Geldgeber aus der Schiindustrie zurück. Von 1994 bis 2004 konnte in zahlreichen Schigebieten nur wenig investiert werden, wovon heute veraltete Anlagen zeugen. Aktuell sind etwa 200 der bis zum Jahr 2004 erschlossenen 700 Schigebiete nicht mehr in Betrieb. Dabei handelte es sich vor allem um kleine Gebiete in niedrigen Lagen, die mit den großen Gebieten nicht mehr konkurrieren konnten.

Und nun folgen die neueren Entwicklungen, die Probleme verursachen: Zum einen ist Schifahren nicht mehr die einzige Winteraktivität in Mode. Zum anderen zeigen sich auch in Japan die Auswirkungen der Klimaerwärmung u.a. in einer Steigerung der Beschneiungsnotwendigkeit. Die Kombination aus sinkenden Schifahrerzahlen und ungünstigen Klimakonditionen führt zu einem Angebotsüberhang an Schigebieten und durchaus auch zu vermehrten Schließungen.

Neue Lösungen für Schidestinationen werden in Japan – ähnlich wie bei uns – diskutiert und erforscht. Eine grundlegende Erkenntnis dabei ist, dass sich die Führung der meisten Gebiete stärker an regionalen Voraussetzungen orientieren und einzigartige Angebote schaffen muss. Positionierung lautet die Devise.

Teilsegmente im Markt, die für den japanischen Schitourismus relevant sind, sind v.a. die zunehmende Zahl ausländischer Schifahrer aus Australien und Korea, die Rückgewinnung inaktiver Japaner in den 40ern, die früher Schi gefahren sind und heute mit ihren Kindern nicht mehr dem Schisport frönen, ältere japanische Schifahrer, die weit mehr Zeit mitbringen als der japanische Durchschnittsbürger, und nicht zuletzt ökologisch orientierte Japaner, die dem Schiurlaub mehr abgewinnen wollen als Anreisechaos und überfüllte Pisten. Ökotourismus erfreut sich in Japan steigender Popularität. Kombinierbare Angebote in naturnahen Schiregionen wie Schneeschuhwandern oder Langlaufen sind in Japan aber noch Mangelware.

Japans Probleme – oder erkennen wir uns irgendwie wieder? Ich bin gespannt auf die Diskussionsergebnisse des Interski-Kongresses und danke meinem Kollegen Masaaki Kureha (University of Tsukuba) für sein Update aus japanischer Sicht.

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