Inszenierung im Tourismus – laut oder leise?
Die diesjährigen Seefelder Tourismusgespräche standen unter dem Motto „Schneller, weiter, höher – oder ist weniger mehr?“ Eine gelungene Themenwahl angesichts der permanenten Diskussionen zu Übererschließung, Overtourism und Tourismusgesinnung.
Von den Themensträngen, die sich durch die Vorträge und Statements durchgezogen haben, greife ich die Frage der Inszenierung heraus. Zudem möchte ich das Motto der Veranstaltung durch das Adjektiv „lauter“ ergänzen. Die Beiträge der Referenten haben einmal mehr gezeigt, dass die Bewertung der unterschiedlichen Formen und Intensitäten der touristischen Inszenierung eng mit dem jeweiligen beruflichen Tätigkeitsfeld verknüpft ist und persönliche Überzeugungen und Werthaltungen dabei eine maßgebliche Rolle spielen.
Tourismus erfordert ein Mindestmaß an Inszenierung
Einigkeit besteht wohl darin, dass Tourismus immer in irgendeiner Weise mit Inszenierung verbunden ist. Schon der einfache Bergwanderweg ist als eine Form der Inszenierung der Landschaft zu betrachten. Ohne Inszenierung also kein Tourismus, und wenn, dann nur in der überschaubaren Nische der Abenteurer im Niemandsland.
Kontinuum von laut bis leise
Inszenierung im Tourismus findet in einem weiten Kontinuum zwischen laut und leise, oder, wie es ein Referent formuliert hat, zwischen maximal- und minimalinvasiven Eingriffen statt.
Zu den lauten Inszenierungen in den Alpen zählen Skizentren oder Erlebniswelten, die u.a. im Bereich der Bergbahnen bereits in großer Zahl vorhanden sind und von denen manche gar an städtische Freizeitparks erinnern. Derartige Inszenierungen machen die Bergwelt für viele Menschen zugänglich und sie tragen zu einer durchaus sinnvollen räumlichen Konzentration von Urlaubern und Ausflüglern bei.
Demgegenüber sind Bereiche mit leisen Inszenierungen aus den verschiedensten Gründen (z.B. Aufnahmekapazität, körperliche Fitness und sportliches Können der Akteure) einer wesentlich kleineren Zahl von Menschen vorbehalten. Es sind Menschen, die abseits der Masse andere Erlebnisse suchen und individuelle Erfahrungen machen wollen.
Prospekte vermitteln die „heile Welt“
Wenn Tourismusprospekte durch ihre Bilder vornehmlich die heile Welt kommunizieren, so folgen sie wohl einer Grundsehnsucht des Menschen. Zweifelsohne hätten aber die meisten Gäste ein Problem, wenn sie sich tatsächlich in dieser heilen Welt wiederfinden würden und dort zurechtkommen müssten. Die heile Welt ist für sie somit in erster Linie Kulisse und nur sehr bedingt Aktivitätsraum.
Viele Formen der Inszenierung haben ihre Berechtigung
Wie bereits erwähnt weist Inszenierung im Tourismus eine breite Spannweite auf, wobei die verschiedensten Varianten und Schattierungen ihre Berechtigung haben. Berechtigung im Hinblick auf die Bedürfnisse der Gäste, Berechtigung im Hinblick auf die Freizeitaktivitäten der heimischen Bevölkerung und Berechtigung im Hinblick auf die notwendige Wertschöpfung in den Destinationen. Dazu kommt, dass die Menschen in verschiedenen Lebensphasen unterschiedliche Rollen einnehmen und somit auch in ihrem Freizeitverhalten unterschiedliche Interessen befriedigen können bzw. müssen.
Entscheidend für den touristischen Erfolg ist es, dass, egal ob laut oder leise, ob technisiert oder naturorientiert, Inszenierungen professionell gestaltet werden. Auch der Wanderweg in schönster Lage hilft nichts, wenn er nicht ordentlich gepflegt und beschildert wird, und die urigste Almhütte wird zum Flop, wenn minimale Standards nicht eingehalten werden, die in der heutigen Zeit selbstverständlich sind.
Leisere Formen der Inszenierung rücken in den Fokus
Zukunftsforscher weisen darauf hin, dass der Wunsch nach Natur und gesunder Umwelt sowie nach authentischen Erlebnissen und persönlichen Erfahrungen immer weitere Kreise zieht. Das bietet die Chance, im touristischen Angebot den leiseren Formen der Inszenierung mehr Platz einzuräumen und die quantitative Entwicklungsspirale einzubremsen. Das käme auch der Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse der Destinationsbevölkerung zugute, die ihre Lebensqualität in zunehmendem Maße nicht allein nach ökonomischen Kriterien definiert.
Vor diesem Hintergrund ist es zweifelsohne zielführend, gegenüber neuen, technikgetriebenen Rekorden im Sinne des Schneller, Weiter, Höher und Lauter zurückhaltender zu agieren und sich darauf zu besinnen, dass weniger auch mehr sein kann.
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