In Südtirol wächst die Tourismus-Skepsis….
….stand in der Südtiroler Wirtschaftszeitung zu lesen. Nach Zahlenrekorden (31.4 Mio. Nächtigungen von knapp 7 Mio. Gästen im Tourismusjahr 2015716) muss sich Südtirols Tourismus zunehmend für seine Erfolge rechtfertigen. Sowohl von den Grünen (Presseaussendung im Dezember) als auch vom WIFO kommen Signale gegen den Tourismus und für die Industrie, denn deren höhere Produktivität könnte das Durchschnittseinkommen der Bevölkerung steigern. Offensichtlich sprechen die Grünen und das WIFO vielen Südtirolern aus der Seele.
Ähnliches ist ja auch bei uns immer wieder zu hören oder zu lesen. Die Industrie hat höhere Wertschöpfung und die besseren Arbeitsplätze…..
Vergessen wird dabei:
1. Der Tourismus schafft und sichert Wertschöpfung und Wohlstand in Regionen, in der keine oder kaum Industrie zu finden ist.
2. Bei der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung in der Industrie 4.0 können wir selbst in Zentralregionen froh über die mitarbeiterintensive Tourismuswirtschaft sein. Besser eine geringere Wertschöpfung als keine.
Übrigens: Kluge Industrieunternehmen suchen die Zusammenarbeit mit dem Tourismus. Weil ein attraktiver Lebensraum für beide Voraussetzung ist. Wir betreuen im Raum Villach eine Initiative „Industrie & Tourismus“.
Hotel Klienten von uns berichten ähnlich. Sie erklären u.a. dann den Handwerkern, wer dann die Aufträge erteilt in den Zwischensaisonen. (einfach ausgedrückt). Genau darum geht es nämlich auch, nicht nur um die direkten Arbeitsplätze im Hotel oder Restaurant.
… und bis auch der Urlaub rein digitalisiert ist, wird die Industrie schon viele Jobs an die Automatisierung, Digitalisierung sowie Künstliche Intelligenz verloren haben. Aus meiner Sicht wächst die Tourismus Skepsis auch aus einem Wohlstand der es uns möglich macht, eigentlich gar nicht arbeiten gehen zu müssen. Wir wollen von Touristen nicht gestört werden die uns vielleicht sogar mal den Parkplatz vor der Nase weggeschnappt haben. Und der Tourismus leistet seien Steuern vor Ort und nicht wie viele große Industrie Unternehmen auf den Bahamas – und das zumeist ohne so große Fördermittel wie die Industrie. Das klingt jetzt etwas nach einer Generalisierung – entspricht im Kern jedoch sicher.
Gerade Industrie 4.0 erfordert mehr neue Jobs ins technischen Berufen – ABER vor allem in Dienstleistungsberufen, wie den Tourismus. Welcher Handwerker hat überhaupt noch einen Job, wenn wie von Gewerkschaften gefordert der Tourismus abgeschafft wird (sonst würden diese nicht so extrem immer gegen den Tourismus hinhauen) und ohne Tourismus keine Infrastruktur, keine Kitzbühel-Zweitwohnsitze und keine Aufträge.
……. ich denke auch, dass der Übergang von geregelter Arbeit in eine arbeitslose Gesellschaft mit bedingungslosen Grundeinkommen sehr schwierig wird.
Wer steht dann morgens um 03.00 Uhr auf und füllt die Supermarkt Regale, oder wer reinigt verstopftes Abwassersystem, wer holt den Windwurf bei Regen aus steilem Wald oder setzt in einer 10-Stunden-Operation einen Stent, wer fährt die rauschigen Barbesucher um 04.00 früh nach Hause, wer hat sich hinter dieser Bar bis 04.00 Uhr anhören müssen, dass sein Seiderl um 3,10 ein Wucher ist…..wer macht all diese Arbeiten ohne finanzielle Motivation, ich bin mir sicher, wir würden sofort verhungern, wenn uns nicht der intelligente Roberter vorsorgt.
Wir vergessen, dass der Wohlstand von Visionen und viel, viel Arbeit gekommen ist, und setzen diesen Wohlstand leichtfertig für Populismus und kurzfristig volle Taschen aufs Spiel. Der Tourismus ist eine tolle Branche, aber diese wird zunehmends von den vorgegebenen Rahmenbedingungen der Industrie, Politik und Sozialpartner kaputt gemacht.
Bruck an der Mur liegt im industriell geprägten obersteirischen Zentralraum, allerdings umgeben von touristisch perfekt nutzbaren naturräumlichen Ressourcen (Grüner See, Hochschwab, Roseggers Waldheimat …). Daher wird hier seit einiger Zeit und mit Erfolg ein Zusammenspiel von Industrie und Tourismus angestrebt, wobei der Tourismus als Imageträger fungiert.
Es macht wirklich wenig Sinn die Wirtschaftszweige gegeneinander auszuspielen. In letzter Konsequenz lebt die Volkswirtschaft aus den verschiedenen Branchen, die jeweils einen unterschiedlichen Beitrag zum Gesamtwohl liefern. Es braucht der Tourismus die Landwirtschaft, um eine grüne Urlaubswelt anzubieten, Kühe auf der Weide zu präsentieren und Speck von den örtlichen Bauern anbieten zu können und er braucht die Industrie und das Handwerk für die Errichtung und Erhaltung von Seilbahnen, Hotels und Restaurants.
Aber auch das Handwerk und der Handel und die Industrie müssen ihre Produkte an den Kunden bringen und finden in intakten Tourismusregionen dauerhaften Absatz. Ein gesunder Mix an Wirtschaftszweigen kann auch eher wirtschaftliche Krisen stemmen als eine auf wenige Produkte aufbauende Region. Moderne Volkswirtschaften haben vielfältige Verflechtungen und sorgen in ihrer Gesamtheit für Wohlstand.
Wie Manfred Kohl richtig erwähnt, ist Skepsis gegenüber dem Tourismus auch in unseren Breiten auszumachen. Die Kritik entzündet sich an mehreren Punkten, auch an den angesprochenen Unterschieden bei der Wertschöpfung von Industrie und Tourismus. So belegt z.B. Tirol bei den Durchschnittseinkommen im Bundesländervergleich regelmäßig einen der hinteren Ränge, und das bei überdurchschnittlich hohen Lebenshaltungskosten. Beides hängt ursächlich mit dem Tourismus zusammen, wobei die Betrachtungsweise meist zu kurz greift. Denn zum einen muss an die Seite der hohen Lebenshaltungskosten die hohe Freizeitqualität gestellt werden, die jedenfalls für diejenigen, welche die Nähe der Berge und der alpintouristischen Infrastruktur schätzen, einen besonderen Wert darstellt. Und zum anderen ist festzuhalten, dass die niedrigeren Einkommen in nicht geringem Maße auf Teilzeitarbeit im Tourismus zurückzuführen sind, und zwar bei Menschen (primär Frauen), die aus familiären Gründen nur in Teilzeit tätig sein können oder wollen und die in der Nähe ihres Wohnortes sonst keinen Arbeitsplatz finden würden.
Ein wenig schwer tue ich mir mit der von Manfred Kohl angesprochenen mitarbeiterintensiven Tourismuswirtschaft, insbesondere dann, wenn damit die Frage der Wertschöpfung verbunden ist. Wie wir wissen, sind im Tourismus sehr viele – und immer mehr – ausländische Arbeitskräfte tätig. Und daher, so meine Vermutung, fließen nicht nur Teile der touristischen Wertschöpfung ins Ausland ab, sondern es gehen auf diese Weise auch potenzielle Multiplikatoreffekte für die Region verloren.
Ein Positivum, das dem Tourismus im Vergleich mit der Industrie immer zugeschrieben wird, ist seine Standorttreue. Ferientourismus ist an die landschaftlichen Ressourcen – im Wintersport die schiefe Ebene und die Höhenlage – gebunden. Industrie kann abwandern und sie tut das auch. Im alpinen Raum ist dies zwar auch der Fall, doch weisen Unternehmen, die intelligente Produkte erzeugen und dafür qualifizierte und verlässliche Arbeitskräfte benötigen, eine hohe Standorttreue auf – womit sich der Kreis zur Freizeitqualität wiederum schließt.
Trotz aller positiven Wirkungen des Tourismus, einschließlich seiner vielfältigen Vernetzungen mit anderen Wirtschaftszweigen, muss es erlaubt sein, dessen Tun hin und wieder kritisch zu betrachten und ihm auch mit einer gewissen Skepsis zu begegnen. Genauso wie das bei bestimmten Entwicklungen in der Industrie oder in der Landwirtschaft der Fall ist. Es hat noch niemanden geschadet, wenn er sich der Kritik stellen muss, ganz im Gegenteil: Wenn beide Seiten, Kritiker und Kritisierte konstruktiv miteinander umgehen und eine wertschätzende Streitkultur pflegen, kann das zu einem besseren gegenseitigen Verständnis führen und der Weiterentwicklung des Tourismus positive Impulse verleihen.
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