Großes oder kleines Skigebiet?
Ein breit angelegtes Forschungsprojekt der Universität Innsbruck hat zum Ziel, ein Nachfragemodell für Wintersportler unter Berücksichtigung der durch den Klimawandel verursachten Änderungen der Schneedeckendauer zu entwickeln. Erste Ergebnisse der unter Leitung von Robert Steiger (Institut für Geographie und Institut für Finanzwissenschaft) konzipierten Arbeiten liegen vor. Sie beruhen u.a. auf einer repräsentativen Auswahl von Skigebieten in Österreich und einer Online-Befragung von 2.000 deutschsprachigen Wintersportlern.
Sechs Skiläufertypen
Ausgangspunkt für die zu erarbeitenden Schlussfolgerungen bilden folgende sechs Gästetypen: naturverbundene Genussskifahrer, preissensible Enthusiasten, angebotsorientierte Gelegenheitsskifahrer, ruhesuchende Experten, sportliche Kilometerfresser sowie bequeme Familien-Skifahrer und Anfänger. Die Anteile der sechs Gästetypen am Gesamt der Skiläufer schwanken zwischen 12 % (ruhesuchende Experten) und 22 % (angebotsorientierte Gelegenheitsskifahrer).
Kriterien für die Wahl des Skigebiets
Die Faktoren, die für die Wahl eines Skigebiets ausschlaggebend sind, zeigen in der Summe aller Nachfragegruppen folgende Reihung nach Wichtigkeit: Schneelage, keine überfüllten Pisten, gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, keine Wartezeiten bei den Liften, gute Erreichbarkeit. Die Größe des Skigebiets gemessen in Pistenkilometern und die Höhenlage folgen – für viele vermutlich überraschend – erst mit deutlichem Abstand.
Unterschiede bestehen zwischen Urlaubern und Tagesgästen. Für die Urlauber sind die Vielfalt des Pistenangebots, die Größe und die Höhenlage des Skigebiets sowie die technische Beschneiung wichtiger als für die Tagesgäste. Das liegt auf der Hand, treffen doch die Urlauber ihre Entscheidung für das Reiseziel langfristiger als die Tagesgäste, die mit Blick auf die jeweils aktuellen Verhältnisse kurzfristig disponieren können. Dennoch stehen auch bei den Urlaubern die Kriterien Schneelage, keine überfüllten Pisten sowie gutes Preis-Leistungs-Verhältnis im Vordergrund.
Schnee, ein kostbares Gut
Im Folgenden einige wichtige Erkenntnisse, wobei im ersten Schritt die Tagesgäste im Fokus der Auswertungen gestanden sind. Aufgrund der bisher vorliegenden Ergebnisse und Einblicke in das Datenmaterial ist jedoch davon auszugehen, dass die Sichtweisen der Urlauber zwar bis zu einem gewissen Grad, keinesfalls aber diametral von jenen der Tagesgäste abweichen.
- Die Schneelage ist der zentrale Entscheidungsfaktor, der Schnee also ein kostbares Gut, das die Gäste zu schätzen wissen.
- Wenn die Schneelage passt, sind Größe und Höhenlage des Skigebiets nachrangig.
- Positive und negative Erfahrungen überschreiben alles andere, beispielsweise den Preis oder die Dauer der Anreise. Verbindet der Gast positive Erfahrungen mit dem Skigebiet, so ist er bereit, einen höheren Preis zu bezahlen und eine längere Anreise in Kauf zu nehmen.
- Beim Tagesgast spielt die Größe des Skigebiets keine dominante Rolle. Dieses Ergebnis korrespondiert mit Untersuchungen von Ulrike Pröbstl, Universität für Bodenkultur Wien, und es lässt sich beim Skilaufen im Naherholungsbereich tagtäglich beobachten.
Die Pistenkilometer müssen nicht dreistellig sein
Wirft man einen Blick auf die Präferenzen der Skiläufer in Bezug auf die Größe des Skigebiets, so zeigt sich, dass der Großteil der Skiläufer – im Schnitt aller Skiläufertypen sind es rund 50 % – mittelgroße Skigebiete bevorzugt, also Skigebiete mit 50 bis 100 Pistenkilometern. Große Skigebiete mit über 100 Pistenkilometern werden je nach Skiläufertyp von einem Viertel bis einem Drittel der Probanden gewünscht. Und auch die kleinen Skigebiete, das sind jene mit weniger als 50 Pistenkilometern, haben ihre Berechtigung, werden sie doch von nahezu einem Viertel der Skiläufer nachgefragt.
Resümee mit offenen Fragen
Der Tagesgast fährt in ein Skigebiet, der Urlauber in eine Destination, wo er die größere Angebotsauswahl wünscht und auch vorfindet. Hierin liegt ein gewichtiger Unterschied, der bei der Entwicklung von Skigebieten inkl. Skigebietsverbindungen zu beachten ist. Der Tagesgast kommt in erster Linie, um Ski zu laufen und nicht, um mit der Seilbahn zu fahren.
Die Tatsache, dass die großen Skigebiete – im Gegensatz zu den Erkenntnissen aus der aktuellen Studie – im Meinungsbild der Öffentlichkeit so im Vordergrund stehen, ist bis zu einem gewissen Grad darauf zurückzuführen, dass die Großskigebiete über eine hohe Marketingkraft verfügen und damit in der Lage sind, nachhaltig zu kommunizieren, dass sie „das Gelbe vom Ei“ sind (wie es ein international renommierter Bergbahn- und Skigebietsexperte in der Diskussion formuliert hat).
Auch die von MANOVA Studien herrührenden Aussagen zur Bedeutung der Größe der Skigebiete sind nicht deckungsgleich mit den Ergebnissen des aktuellen Forschungsprojekts der Universität Innsbruck. Denn laut MANOVA nimmt der Wunsch nach großen Skigebieten in der Präferenzskala der Skiläufer einen Spitzenplatz ein. Es wäre daher hilfreich zu klären, worauf diese Unterschiede zurückzuführen sind, etwa anhand eines Vergleichs der in den beiden Studien angewandten methodischen Zugänge.
Die vom Innsbrucker Forscherteam vorgelegten Ergebnisse werden eine weitere Vertiefung erfahren. Das ist zu begrüßen, denn sie sind für die Planung und Weiterentwicklung von Skigebieten in gleicher Weise von Bedeutung wie für die Marktkommunikation. Das gewonnene Wissen hilft, die unterschiedlichen Typen von Wintersportlern noch gezielter anzusprechen und auch kleine und mittlere Skigebiete adäquat zu bewerben.
Sehr informative Forschungsergebnisse, die wahrscheinlich ein Aufatmen bei kleinen Skigebieten bringt. Allerdings auch Schneesicherheit kann nur zu hohen Kosten angeboten werden. Resümee: alles erfordert ziemlich viel Kapitaleinsatz und damit werden Liftkarten nicht erschwinglicher.
Wie Peter Haimayer erwähnt hat, handelt es sich um vorläufige Ergebnisse. Vorläufig deshalb, weil wir noch verstehen möchten, warum wir bei manchen Aspekten zu etwas anderen Ergebnissen kommen als MANOVA, bspw. was die Bedeutung der Skigebietsgröße betrifft. Hierzu gab es bereits ein erstes Gespräch mit MANOVA, wo wir mögliche Gründe für die Unterschiede diskutieren konnten. Diese möglichen Gründe wird unser Projektteam nun genauer untersuchen. An dieser Stelle ein Dankeschön an Klaus Grabler für den Gedankenaustausch, den wir auch in Zukunft fortsetzen möchten.
Für finale Schlussfolgerungen ist es noch etwas zu früh. Die Präsentation der Zwischenergebnisse hat aber gezeigt, dass Diskussionsbedarf in der Tourismusbranche zur künftigen Entwicklung besteht und derartige Studien positiv aufgenommen werden. Wenn wir von wissenschaftlicher Seite zu dieser Diskussion einen Beitrag leisten können – umso besser! Sobald wir unsere Analysen abgeschlossen haben, werden wir über die Ergebnisse gerne informieren!
Die aktuellen Forschungen des Teams um Robert Steiger zielen auf die Präferenzen der Skiläufer in Bezug auf die Größe des Skigebiets ab. Im Hinblick auf den von Franz Hartl angesprochenen Kostenfaktor ist daher noch eine weitere Dimension in die Betrachtung mit einzubringen: die Höhenlage. Und da ist es die Regel, dass die kleineren Skigebiete eher in niedrigen Lagen situiert sind während die größeren Skigebiete in höheren Regionen liegen. Das hat natürlich Einfluss auf den (relativen) Aufwand für die technische Beschneiung – sofern sie in tieferen Lagen dann überhaupt noch möglich bzw. sinnvoll ist.
Geht man vom heutigen Stand der Technik aus, so lassen die Modellrechnungen erkennen, dass bei zunehmender Erwärmung in tieferen Lagen trotz technischer Beschneiung keine Schneesicherheit mehr gewährleistet werden kann. Für Österreich insgesamt zeigen die Modellrechnungen, dass der Bedarf an technischer Beschneiung mit zunehmender Erwärmung stark ansteigt. Der Aufwand nimmt zunächst linear zum Temperaturanstieg zun (bei 1 Grad Celsius plus 50 %), dann aber öffnet sich die Schere zwischen Temperaturanstieg und Beschneiungsaufwand immer weiter. Und da sind wir wieder bei den oben angesprochenen Kosten.
Grösser muss nicht automatisch besser sein – diese Aussage ist wohl nicht nur vielen Männern ein Anliegen 😉 sondern auch in Bezug auf Skigebiete kann das jedenfalls geltend gemacht werden! Die alljährlich vor Beginn der Wintersaison stattfindenden Diskussionen rund um die Zukunft des Skisports, die erneute Verteuerung der Skipässe und daraus resultierende Entwicklung weg vom Volks- zum Elitensport ist wohl Fakt, ich möchte aber doch die eine oder andere zusätzliche Perspektive zur Anregung der Diskussion aufwerfen.
1. Grösse und Hightech als absolutes Must?
Wenn man so manchem Vertreter der Seilbahnwirtschaft zuhört, könnte man fast meinen, nur Grösse und Hightech seien das Allheilmittel, um Skifahrer zufriedenzustellen – aber wird nicht gerade dadurch die gefährliche Spirale der Verteuerung und der öffentlichen Diskussion erst recht angekurbelt? Ich wage jedenfalls zu behaupten, daß kleine und mittlere Skigebiete für die Zukunft des Skisports eminent wichtig sind, damit Skifahren leistbar ist und auch bleibt, vor allem aber Kundenbedürfnisse abseits industrialisierter Skigebiete befriedigt werden können! Unter diesem Aspekt müssten also gerade die grossen Seilbahngesellschaften größtes Interesse haben, daß die kleineren und mittleren Skigebiete überleben und dadurch für den so lebenswichtigen Nachwuchs sorgen…denn derzeit läuft neben der Klimaveränderung, die nicht verleugenbar ist, ein selbstzerstörerischer Verdrängungswettbewerb, der vielleicht auch nach hinten losgehen kann? Sollte nicht vielmehr die „Zeit am Berg, die Erholung, die Entspannung und der kulinarische Genuss“ in den Vordergrund rücken? Nicht die Quantität an Liftanlagen und Pistenkilometern, sondern die Qualität der Freizeit mit Freunden und Familie im Vordergrund stehen?
2. Liftfahren oder Skifahren?
Angesichts von beheizten Gondeln, Designerkabinen, und immer noch gewagteren Konstruktionen ist man sich manchmal nicht mehr sicher – geht es eigentlich darum, die (notwendige) Fahrt mit einer möglichst modernen Beförderungsanlage zu verkaufen, oder doch das Erlebnis des Runterfahrens, des Wintererlebens inmitten einer beeindruckenden Bergkulisse? Wenn ich mich an unsere Kindheit erinnere, war der Lift eigentlich nur das MIttel zum Zweck, nämlich ohne eigene Körperkraft den Berg raufzukommen, um dann über Buckelpiste, Tiefschneehang oder wellige und eher schlecht als recht präparierte Piste mit einem möglichst grossen Glücksgefühl wieder runter zu wedeln…vielleicht sollte man stärker die Emotion des Skifahrens denn die Technologie des Liftfahrens betonen? Zwoa Bretteln, a gführiger Schnee, juhee….
3. Sportwagen für Führerscheinneulinge?
Wohl niemand würde auf die Idee kommen, einem blutigen Autoneuling oder Wenigfahrer einen Porsche zu empfehlen, den er weder ausreizen noch damit umgehen kann – Skifahrern jedoch wird seit Jahren werbeseitig suggeriert, Grösse und Neuartigkeit der Seilbahn sei alles, und selbst mit schwachem Fahrvermögen brauche man 100, 200 oder gar noch mehr Kilometer zur Glückseligkeit! Fakt ist allerdings, daß für einen Großteil unserer Skigäste viele der Klein- und Mittelgebiete geradezu prädestiniert sind: überschaubar, familiär, meist mehr Platz auf den Pisten als in den überlaufenen Großskigebieten, gemütlicher, teilweise auch ruhiger, und: günstiger obendrein! Ein Grund mehr, um durchaus auch den kleineren Gebieten eine Rechtfertigung der Existenz zu geben…und weniger die Macht der Werbung zu demonstrieren…
Keine Frage, eine Mindestgrösse eines Skigebietes ( wie auch aus der von Peter Haimayer zitierten Studie hervorgehend ) ist sicherlich notwendig, der sprichwörtliche „Idiotenhügel“ hat wohl weder marktseitig noch wirtschaftlich eine Rechtfertigung ( ausser bei entsprechender lokalpolitischer und eindeutig nachwuchsfördernder Stützung für Einheimische ).
Die Angebotsentwicklung im Wintertourismus und vor allem auch die Pionierleistungen der Seilbahner wie der Tourismuswirtschaft, einst wie jetzt, sind unabdingbare und wertzuschätzende Ingredienzien der Erfolgsstory im österreichischen Tourismus. Dennoch sollte neben „schneller-höher-weiter“ auch Bedacht auf in der öffentlichen Wahrnehmung „leistbares“ Skifahren als wichtiger Bestandteil der österreichischen ( alpinen? ) Lebenskultur gelegt werden, die EMOTION des Wintererlebnisses anstatt der Technologie des Liftfahrens wieder stärker in den Vordergrund rücken – denn sonst könnte in Zukunft vielleicht nicht nur der Schnee, sondern auch der skifahrende Kunde immer mehr zur exklusiven Mangelware werden! Und „Skifoan is des Leiwandste“…immer mehr zu einem Slogan einer weiter schrumpfenden Minderheit werden….
Die Untersuchung und die Schlussfolgerungen sind zweifelsohne wertvoll.
Was ergänzend dazu eventuell noch bedacht werden sollte:
1. Die erwünschte Größe des Skigebietes ist wohl vor allem vom Fahrkönnen und in weiterer Folge von der Absicht wieder zu kommen (Stammgäste) abhängig.
2. Wir sollten auch wissen wie diese Erwartungshaltungen bei jenen (potenziellen) Gästen aussieht die noch nicht auf Urlaub im jeweiligen Gebiet sind (waren). Der „Durchschnitt“ ist für eventuell anstehende Entscheidungen in der Region selbst u.U. nicht wirklich aussagekräftig.
3. Der Wunsch nach „keine überfüllten Pisten“ hat zumindest indirekt sehr wohl mit der Größe des Skigebiets zu tun.
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