4. Mai 2012 | 11:39 | Kategorie:
1

Gleiches Recht für alle?

„Sechs von zehn Gemeindebürgern arbeiten im Tourismus. Ohne die Sonnentherme wäre es ziemlich finster“, lautet eine Schlagzeile in der Burgenland-Ausgabe des Kurier. Es folgt eine, nach der in heimischen Redaktionen gerne geübten Praxis recht oberflächlich zusammengebastelte Reportage. Tenor: wir brauchen die Therme, sonst gäbe es in Lutzmannsburg keine Arbeitsplätze. Dazu fischt man sich zwei, drei Leute vors Mikrofon und lässt Volkes Stimme sprechen. Tenor des Artikels: das Land investiert über die WiBAG rund 24 Millionen Euro in die Therme und das ist gut so. Vielleicht kann man ja auch noch eine Ortsumfahrung verhandeln, wer weiß.Das Burgenland hat im Herbst eine Gemeinderatswahl zu schlagen. Zeit für die wirtschaftspolitische Trophäenschau. Ich gebe offen zu, dass ich die Thermeninvestitionen der öffentlichen Hand mit einem sehr kritischen Auge betrachte. Dafür werde ich oft gerügt – mit dem Totschlag-Argument „Arbeitsplatzeffekt“. Mit dem Hinweis auf regionales Einkomen und die damit verbundene Wertschöpfung. Ja, einverstanden: aber um welchen Preis? Wir wissen, dass die Thermen (darunter auch die Sonnentherme Lutzmannsburg) mit Millionen und Abermillionen an öffentlichen Steuermitteln mühsam hochgezogen werden mussten. Wir wissen, dass neben den direkten Förderungen auch erhebliche Mittel in Form von indirekten Förderungen (Erschließungen, Nachlässe bei Gebühren und Abgaben, begleitende Infrastruktur etc.) geflossen sind und weiter fließen sollen (wenn es sich die öffentliche Hand noch leisten kann). Wir wissen, dass – gerade im Burgenland – ob der starken Konzentration auf ein paar wirtschaftpolitische Prestigeprojekte die Standortpolitik über Jahre sträflich vernachlässigt wurde. Aus volkswirtschaftlicher Sicht darf ich die ketzerische Frage stellen: Lutzmannsburg hat rund 1.000 Einwohner. Rechtfertigt das einen öffentlichen Mitteleinsatz in dieser Größenordnung?

Erst vor kurzem habe ich hier gebloggt, dass der Dilettantismus in der österreichischen Infrastrukturpolitik fröhliche Urständ´ feiert. Diesen Vorwurf muss man sich auch in einem Land wie dem Burgenland gefallen lassen. Wo ist die Langfristigkeit, die Nachhaltigkeit im öffentlichen Mitteleinsatz? Wo sind Perspektiven für die Wirtschaft, ohne dass diese wieder gleich nach der nächsten öffentlichen Investition schreien muss?

In einer meiner Vorlesungen habe ich einmal die Frage aufgeworfen, ob eine 8-Millionen-Euro-Investition in eine Lawinengalerie damit gerechtfertigt werden kann, dass dahinter (am Talschluss) gezählte sechs Häuser stehen, davon ist eines ein Ausflugsgasthaus. Die Reaktion der Studenten war (für mich) vernichtend. Gleiches Recht für alle, war deren Devise. Falscher Ansatz, meinte ich – aber damit bin ich nicht durchgekommen.

28. Mai 2012, 15:33

Zum gegenständlichen Artikel (Kompliment !) kann ich gerne eine navigierbare Luftaufnahme der Sonnentherme Lutzmannsburg anbieten: http://www.thermen.travel/sonnentherme-lutzmannsburg/

MfG Othmar G.

Kommentieren

 
Ihre Daten werden im Rahmen der Kommentarfunktion gespeichert, darüberhinaus aber für keine weiteren Zwecke verwendet. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Kommentar zurücksetzen