Ein Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus: Green Show oder visionäres Symbol?
Mit Erstaunen und Zuversicht hat die österreichische Tourismuslandschaft die Einrichtung des vielversprechenden neuen Bundesministeriums vernommen. Was steckt dahinter? Wo kann dieser Weg hinführen? Kann man der Wichtigkeit dieser beiden lebensnahen Bereiche überhaupt in vollem Umfang gerecht werden?
Für den TP-Blog hat Prof. (FH) Dr. Harald A. Friedl, Associate Professor an der FH JOANNEUM den nachstehenden Beitrag verfasst:
Meine Lieblingswette mit Studierenden ist die Einladung, mir etwas zu nennen, das nichts mit Tourismus zu tun hat. Das ist hinterhältig, denn zur Querschnittsmaterie gehört irgendwie alles dieser Welt, die vom Netz einer globalisierten Reisekultur umspannt ist. Demnach müsste eine „echte“ Tourismusministerin, naiv gedacht, einer Art „Super-Ministerium“ vorstehen.
Bohre ich bei meinen Studierenden nach und frage nach einer exakten, praxisnahen Definition von Nachhaltigkeit, so ernte ich mit etwas Glück die Antwort, Nachhaltigkeit sei eine richtungsweisende Vision, die sämtliche Lebensbereiche umfasst. Wow, das klingt nach einer Monster-Aufgabe für ein „echtes“ Nachhaltigkeitsministerium…
Was also würden Studierende antworten, fragte ich sie nach der Zweckmäßigkeit eines „Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus“? Ist es visionär, pragmatisch oder ein politischer Marketing-Gag? Ein Tourismusministerium wünschte sich der einstige ÖVT-Präsident Joseph Reitinger-Laska schon vor 13 Jahren und beauftragte Tamara Ramach am Institut für Gesundheits- und Tourismusmanagement an der FH JOANNEUM mit einer politologischen Studie. Im Ergebnis fanden sich zwar viele politische Argumente, jedoch kaum verfassungsrechtlicher Spielraum für ein solches Ministerium. Eine vom SPÖ-Parlamentsclub im Februar 2005 veranstaltete Parlamentsenquete zu dieser Frage streute Österreichs Touristikerinnen und Touristikern wohl Rosen, doch keine Hoffnung auf ihre politische Aufwertung.
Tourismus ist seither massiv gewachsen: global von 800 Mio. auf über 1,3 Mrd. Reisen, und national auf 20 Mrd. Euro. Die Tourismusindustrie wird heute sehr ernst genommen. Analoges gilt für Nachhaltigkeit, die als Begriff vor 13 Jahren nur in Expertenkreisen kursierte. 2017 hingegen verkündet selbst die UNO den engen Zusammenhang von „Nachhaltigem Tourismus und Entwicklung“. Auf diesen Bedeutungstrend nach oben aufzuspringen und danach ein Ministerium zu benennen, zeugt jedenfalls von politischer Reaktionsfähigkeit und kommunikativer Kompetenz – und ist mindestens so originell wie die Bezeichnung „Lebensministerium“…
Ist diese Namenswahl gar schnödes „Greening“ nach dem Motto: „Egal, was drin ist, Hauptsache, es wirkt supertoll“? Ein Blick in den Aufbau des Ministeriums erweckt den Eindruck, hier seien doch eher umsichtige Profis denn „Spin-Doktoren“ am Werk, werden doch wichtige Bereiche und Kompetenzen sinnvoll verknüpften. Dass Landwirtschaft und Umweltschutz eng verflochten sind, hat lange Tradition. Tourismus hingegen war bislang –schlüssiger, wenn auch konservativ – dem Wirtschaftsministerium zugeteilt. Mit der Neuorganisation ergeben sich vielversprechende strategische Synergie-Chancen, denn hier werden Kompetenzen gebündelt, die unverzichtbare touristische Ressourcen repräsentieren:
- Landwirtschaft als Delikatessenladen Österreichs
- Natur als touristische Traumwelt – und ihre zukunftsfähige Erhaltung
- Regionalentwicklung als zukunftsweisende Integration von Sphären
Hier passen Kompetenzen wie CSR, Green Economy und Klimaschutz so gut zusammen wie auch das Österreichische Umweltzeichen oder die Agenda 2030.
Eine fruchtbare Verknüpfung braucht jedoch Zeit und gute Führung. Doch wieviel Gewicht legt die neue Bundesministerin, Elisabeth Köstinger, auf die Waagschale? Als langjährige Vizepräsidentin des Österreichischen Bauernbundes sowie des Ökosozialen Forums ist die gebürtige Kärntnerin in der Landwirtschaft wie auch in der Nachhaltigkeit mit den Globalen Nachhaltigkeitszielen tief verwurzelt. Auch als EU-Abgeordnete wirkte sie in Gremien für ländliche Entwicklung, öffentliche Gesundheit und Klimawandel mit. Damit sind ihr die komplexen Widersprüchen zwischen Alltagszwängen und Zukunftsvisionen bestens vertraut.
Fazit: Mochte das „Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus“ ursprünglich womöglich ein geschickter symbolischer Schachzug gewesen sein, so wurde damit auch ein mutiges politisches Versprechen signalisiert, dessen Einlösung hoher fachlicher, politischer sowie kommunikativer Kompetenz bedarf. Dem wird die Bundesministerin zweifellos gerecht. Vor allem aber braucht sie sehr viel Energie und Geduld, um Tourismus und Nachhaltigkeit auch jenseits großer Visionen in der gelebten Praxis einander näher zusammenzubringen… Für diese Monsteraufgabe wünschen wir viel Erfolg!
Über den Autor dieses Beitrags
Prof. (FH) Dr. Harald A. Friedl (harald.friedl@fh-joanneum.at) lehrt nachhaltige Tourismusentwicklung und Tourismusethik am Institut für Gesundheits- und Tourismusmanagement an der FH JOANNEUM in Bad Gleichenberg. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Rolle einer kooperativen Kommunikationskultur für den Prozess der Transition hin zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft.
Ein Ministerium mit den Agenden einer „Querschnittsmaterie“ zu betrauen, hat noch nie Sinn gemacht. Der Begriff sagt bereits deutlich genug, dass davon mehrere bis viele Themenkreise betroffen sind, für deren (politische) Betreuug die Kompetenzen entsprechen verteilt sind. Die daraus entstehenden Probleme werden sofort sichtbar, wenn die Interessenlage gegensätzlich ist. Tourismus und Verkehr sind zwangsläufig eng verknüpft, der Politiker, dem es gelingt die unterschielichen, meist gut begründbaren Ziele und Forderungen unter einen Hut zu bringen, muss erst geboren werden. Eine konstruktive Zusammenarbeit von Tourismus und Landwirtschaft, die nun erstmalig unter einem Ministeriumsdach sind, wäre in manchen Bereichen sicher vorteilhaft. Man darf gespannt sein, wie die junge Ministerin Elisabeth Köstinger den Wunsch der Landwirte nach der Herkunstbvezeichnung der Lebensmitttel auf den Speisekarten mit der Ablehnung des Gastgewerbes vereinbart. Ein Ministerium mit dem Modebegriff „Nachhaltigkeit“ zu umschreiben, ist genauso unsinnig, wie die Bezeichnung „Lebensministerium“: Sollte das heissen, das Ministerium ist für alles zuständig, was das Leben betrifft? Und nun für die „Nachhaltigkeit“, für die es nicht einmal eine klare Definition gibt? Wird sich die Ministerin im Sinne der Nachhaltigkeit gegen weitere Beschneiungsanlagen einsetzen oder als Vertreterin des Tourismus dafür? Die Kompetenzen für alle diese Themen sind auf die verschiedenen Ressorts verteilt und dass ein „Querschnittsminister“ allen anderen dreinreden können soll, ist anbsolut unrealistisch.
Vorstösse zur Einrichtung eines Tourismusministerium gab es immer wieder. Dass es bisher nie zu einem eigenen Ministerium kam, wurde zu Recht mit der Kompetenzlage begründet: Für die Tourismuswirtschaft ist naturgemäss das Wirtschaftsministerium (wie immer es gerade heissen mag) zuständig. Dies betrifft allerdings nur das Gewerberecht und die Förderung (und auf diesem Umweg auch die Österreich Werbung), für alles andere liegt die Kompetenz bei den Bundesländern. Was von einer Tourismussttrategie, wie sie bisher jeder neue Wirtschaftsminister präsentiert und Tourismusministerin Köstinger als „Masterplan“ angekündigt hat, umgesetzt wird, liegt bei ihnen. In der Tourismuswirtschaft wurde die kindliche Vorstellung gepflegt, dass bei jedem neuen Gesetz die Auswirkungen auf den Tourismus überprüft werden sollten und ein Repräsentant auf Regierungsebene sollte sich bei seinen Ministerkollegen als eine Art Ombudsmann für eine entsprechende Schadensbegrenzung einsetzen. Auch als es vor einigen Jahren auf Druck der Tourismuswirtschaft tatsächlich eine Staatssekretärin gab, blieb das eine Illusion: Man hörte kaum etwas vin ihr. Wie Tourismusministerin Köstinger auf eine Allergenverordung, die Registrierkassenpflicht, die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Logis um ein Drittel oder den aktuellen Unfug einer Acrylamidverordnung reagiert hätte, wäre interssant gewesen.
Dass die Übersiedlung des Tourismus in ein „Nachhaltigkeitsministerium“ für den Tourismus wesentliche Auswirkungen hat, ist – ohne die besten Absichtsn von Ministerin Köstinger in Frage zu stellen – eher unwahrscheinlich. Vielleicht ist das aber auch gar nicht so schlecht: Der für seien Direktheit bekannte ehemalige Tourismus-Spartenobmann Hanns Schenner antwortete auf die Frage eines Politikers, was er sich denn von der Politik wünsche, trocken: „Uns wäre schon geholfen, wenn ihr ein Jahr gar nix macht“.
Günther Greul
Journalist Tourist Austria International (TAI)
Lieber Kollege Greul,
touché,
oder auch: Qui tacet consentire videtur – Wer schweigt, scheint zuzustimmen.
Eine kleine Ergänzung nur: Haben Tourismus, Politik und Medien nicht eines gemeinsam: dass sie alle von attraktiven Images bzw. von guten Geschichten leben, eben weil die Bewältigbarkeit der komplexen Realität so ernüchternd und nur in verbildlichter und somit verzerrter Weise breit transportierbar ist?
Letztlich erscheinen mir kreative Benennungen stets als Formen der modernen Beschwörung und somit als Ausdruck einer säkularen Religion namens „Marketing“. Steht dahinter doch der Glaube, irgendwas werde ein raffiniert gewählter Ausdruck oder Name bei irgendwem schon bewirken… und sei es schlichte Sympathie für eine Regierungsinstitution.
Harald A. Friedl, Beitragsautor
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