28. November 2018 | 12:08 | Kategorie:
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Ein Dämmern am Horizont?

In den letzten Wochen und Monaten wurde in Tirol intensiv über Sinn und Unsinn des Tourismus diskutiert. Die Wortmeldungen von Kritikern sowie von Verfechtern des Tourismus haben ebenso wie jene von Journalisten ihren Niederschlag in den Medien gefunden.

Viele Kritiker mögen eine vorgefasste Meinung haben, es ist aber nirgendwo auszumachen, dass sie den Tourismus rundweg ablehnen. Vielmehr geht es ihnen um die Dimension und bestimmte Ausprägungsformen des Tourismus. Auf der anderen Seite verharrt so mancher Verfechter des Tourismus in seinem Erfahrungsgefängnis und wieder andere sind wohl angehalten, bei ihren Wortmeldungen auf ihre Funktion im öffentlichen Leben Bedacht zu nehmen.

Trotz großer Leistungen der Touristiker …

Vorausgeschickt sei, dass in Bezug auf unseren Tourismus Folgendes außer Streit steht:

  • Die große wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Tourismus für den alpinen Raum.
  • Die Leistungen, welche die vielen Klein- und Mittelbetriebe erbracht haben und nach wie vor erbringen.
  • Das Vorhandensein starker, wachstums- und qualitätsorientierter Familienunternehmen, die auf einem soliden Fundament stehen, weil sie über mehrere Schlüsselbereiche der touristischen Wertschöpfungskette verfügen.
  • Die Lead-Funktion der Bergbahnunternehmen und Skigebietsbetreiber.

… gibt es genügend Zündstoff

Die hohe Intensität des Tourismus sowie die geradezu gebetsmühlenartige Betonung seiner wirtschaftlichen Bedeutung für das Land und die alpinen Täler lassen jedoch bei vielen Menschen Skepsis aufkommen. Und bei bestimmten Anlässen kann sich diese Skepsis in heftige Kritik und Ablehnung verwandeln. Solche Anlässe hat es in letzter Zeit einige gegeben, wie z.B.:

  • Das Vorgehen bei der Aktualisierung der Tiroler Seilbahngrundsätze, die für jeweils fünf Jahre die Ausbaumöglichkeiten für die Seilbahnunternehmen vorgeben.
  • Das Bekanntwerden von Projekten für Skigebietszusammenschlüsse, die von Beobachtern kritisch hinterfragt oder z.T. strikt abgelehnt werden. Gründe dafür sind etwa das Eindringen in neue Landschaftskammern, die Beeinträchtigung attraktiver Skitourenberge oder die Verlagerung von Verkehrsproblemen.
  • Das Abtragen eines Grates in der Gletscherregion ohne naturschutzrechtliche Genehmigung, um einen Skiweg auf das für Pistenraupen erforderliche Maß zu verbreitern.
  • Die Eröffnung des „Skisaison“ durch ein Bergbahnunternehmen mittels Snowfarming, und zwar Mitte Oktober auf 1700 bis 1900 m Höhe bei spätsommerlichen Temperaturen von 20 Grad.

Begrenzende Faktoren – ja oder nein?

Anlass zu kritischen Fragen geben natürlich auch andere Problemfelder, selbst wenn sie ein Stück weit externen Rahmenbedingungen unterliegen. Dazu zwei Beispiele.

Der Mitarbeitermangel, der nach der Beherbergung und der Gastronomie nun auch die Seilbahnen erreicht hat. Da fehlende Mitarbeiter offenbar ein Dauerzustand sind, drängt sich die Frage auf, ob bei touristischen Investitionen das Arbeitsplatzargument überhaupt noch in die Waagschale geworfen werden kann. Das auch angesichts der Tatsache, dass Mitarbeitende von immer weiter hergeholt werden müssen und es absehbar ist, dass auch da früher oder später das Ende der Fahnenstange erreicht wird.

Nahezu im Wochentakt ist in den Medien vom Verkauf alteingesessener Tourismusbetriebe an externe Investoren oder über die Realisierung von Beherbergungsangeboten mit Hilfe von Investorenmodellen zu lesen. Damit einher geht die schleichende Erosion der heimischen Familienbetriebe, wofür natürlich auch die sattsam bekannte Nachfolgeproblematik mitverantwortlich ist. Eine der Fragen, die sich in diesem Zusammenhang zwangsläufig stellen, lautet: Wollen wir unsere Landschaft und unsere Umwelt zur Werkbank für ausländische Tourismusinvestoren machen und uns selbst sukzessive aus dem touristischen Spielfeld zurückziehen?

Eigentlich haben wir genug

Greift man allein die beiden letzten Themen (ausländische Mitarbeitende, ausländische Investoren) auf und verknüpft diese mit dem Argument der regionalwirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus sowie mit seiner Funktion als Garant für die Siedlungsdichte in alpinen Tälern, so liegt folgende Vermutung nahe:

Der derzeitige Umfang des Tourismus in weiten Teilen unserer alpinen Täler reicht locker aus, um das gesellschaftspolitische Ziel der Erhaltung der Siedlungsdichte zu erreichen und nachhaltig abzusichern. Gleiches gilt für die regionale Wirtschaft: Das, was tatsächlich erforderlich ist, um auf einem ansprechenden Niveau den regionalwirtschaftlichen Bedarf abzudecken und die ökonomischen Kreisläufe in Gang zu halten, wird vermutlich mehrfach erreicht.

Anzeichen für einen Gesinnungswandel?

Die Kritik am Tourismus findet an zuständiger Stelle offensichtlich Gehör. Das zeigt sich u.a. darin, dass der Landeshauptmann als politisch Verantwortlicher für den Tourismus sowie die Spitze der Tirol Werbung immer wieder darauf hinweisen, dass ständige Nächtigungsrekorde nicht das Gelbe vom Ei sein können. Vielmehr geht es um Wertschöpfung, was angesichts der enormen internationalen Konkurrenz allerdings kein leichtes Unterfangen ist. Begleitet wird diese Zielsetzung von der Forderung nach einer Begrenzung der Bettenzahl und dem Verzicht auf Investorenmodelle, wofür sich der Interessenvertreter der Hotellerie stark macht. Wenn auch noch nicht absehbar ist, wieviel diese Worte tatsächlich wiegen und ob ihnen die notwendigen Taten folgen – den Ansatz eines Gesinnungswandels scheinen sie jedenfalls anzudeuten.

Tirol ist nicht nur Tourismus

Mit dem Eindämmen der touristischen Entwicklungsspirale würde Tirol keinesfalls in ein wirtschaftliches Desaster schlittern. Denn zum einen ist davon auszugehen, dass in den meisten peripheren Räumen ausreichend Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft vorhanden sind, und zum anderen ist Tirol nicht nur Tourismusland. Letzteres hat ein prominenter und durch und durch erfolgreicher Tiroler Touristiker in einem Medienkommentar mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht: „Der Tourismus ist ein Aushängeschild Tirols, aber keine allein seligmachende Leitbranche, sondern genauso wichtig wie Industrie, Handel, Gewerbe und Dienstleistungen.“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Ein Blick auf die Liste der 500 umsatzstärksten Unternehmen in Tirol bestätigt das eindrucksvoll.

28. November 2018, 16:54

Vielen Dank, Peter, für den Beitrag, der im wahrsten Sinn des Wortes dem Leitbild unseres Blogs entspricht: kritisch, aber konstruktiv. Es wäre wirklich zu wünschen, dass eine kritische, aber konstruktive Debatte auch in die Denk- und Entscheidungsrunden der alpinen Tourismus- und Freizeitwirtschaft Einzug hält. Dabei müssen Tabus fallen, wie beispielsweise jenes, dass über die Folgen eines quantitativen Schrumpfens des Tourismus gar nicht nachgedacht, geschweige denn diskutiert werden darf. Es ist ein Zeichen einer hoch entwickelten, professionellen und nachhaltig handelnden Gesellschaft, dass sie in Szenarien denkt und plant. Es wäre hoch an der Zeit für den berühmten Plan B.

29. November 2018, 17:53

Peter, Du schneidest ein sehr wichtiges Thema an, das das zukünftige „Leid-Bild““ im Tourismus trägt, sollte nicht ein massives Umdenken kommen. Die Tourismusgesinnung lässt auch in tourismusintensiven Tälern nach. Selbst Seminare zur Hebung der Tourismusgesinnung bringen wenig Wirkung. Ein Großteil der jungen Einheimischen will nicht mehr im Tourismus arbeiten. In Fachschulen/Fachhochschulen mit Tourismusbezug wählen die wenigsten diesen Zweig. Die Betriebsnachfolge ist unter den Jungen ein Problem. Ausländische Investoren kaufen häufig Familienbetriebe auf, wenn die Hotels aufgrund ihrer suboptimalen Größe überhaupt Käufer finden. Der Verdienst, offensichtlich auch die Arbeitszeiten entsprechen nicht mehr der Work-Life-Balance der Einheimischen. Und hier wäre es längst schon ein Gebot der Stunde, über Alternativen zum Tourismus, zu einer neuen Erwerbsarbeit nachzudenken und Konzepte zu entwickeln. Allen aber muss bewusst sein, und hier spreche ich in erster Linie vom Tourismusland Tirol, dass die Lebensqualität mit dem breiten Freizeit- und Sportangebot nur dem Aufkommen der Touristen zu danken ist. Die einheimische Bevölkerung könnte sich dies in diesem Umfang nicht leisten. Die „Vordenker-Organisationen“, Standortagenturen, die Länder und Gemeinden sind gefordert.

2. Dezember 2018, 11:33

Kritisch, ausgewogen und einfach zum Nachdenken – ein typischer Haimayer.

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