27. September 2017 | 08:06 | Kategorie:
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Digitalisierung im Tourismus – JA, aber bitte richtig!

Ein spannendes Thema, die Digitalisierung im Tourismus. Der Barometer im TP-Blog schlägt klar aus in der überwiegenden Befürwortung. Doch ist dies wirklich so einfach zu beantworten?

Digitalisierung am „richtigen“ Ort

Digitalisierung in fast allen Lebensbereichen ist ein Teil unserer Gesellschaft, davor können und sollten wir uns nicht verschließen. Doch ist es wirklich der Sache dienlich, wenn aufgrund von jeglicher, in kürzester Zeit abrufbarer Information das Image der Tourismusbranche als Dienstleister darunter leidet?

Beispiel „Bergpanorama“ – Panorama-Erklärer vs. Multimedia-Screen

Am klassischen Berggipfel-Aussichtspunkt mit Panorama-Erläuterung lässt sich dies besonders gut veranschaulichen: in meiner Kindheit gab es an dieser Stelle einen Angestellten der Bergbahn (meist ein junger Student) welcher mit einheimischem „Schmäh“ und Augenzwinkern die zu sehenden Bergmassive erklärt hat. Dass dabei manchmal der „dunkle Fürst“ nicht nur einmal dabei war, fiel dem Internationalen Gast meist nicht auf, und den Österreicher störte dies nicht weiter. Häufig war dieses Zusammentreffen das Highlight der Bergtour, und das Panorama dann meist eine Nebensächlichkeit.

Dieser Angestellte wurde Jahre später durch aufwendig gestaltete Panoramabilder erstetzt, mit dessen Hilfe sich der Gast selbst das Panorama erklärte und sich die passenden Gipfel zur Karte gesucht hat. Wenn jedoch das Wetter und damit die Sicht nicht so mitspielte, war dies schon mit Schwierigkeiten verbunden. Da wäre doch eine nette Anekdote zum dunklen Fürst wünschenswert – auch wenn er nicht zu sehen war.

Heute steht anstatt einer hölzernen Panoramatafel ein Multimedia Screen mit Touchfunktion, welcher dem Gast die vor ihm liegende Bergwelt bis ins kleinste Detail erklärt. Dunklen Fürst gibt es da keinen mehr, nur mehr den Großglockner. Und wo ist da jetzt der „Schmäh“?

Persönliche Information oder digitaler Konsum nach Maß?

Ein ähnliches Beispiel: wenn ein Info Büro Mitarbeiter, anstatt mit individuellem Flair eine selbst erlebte, positive Erfahrung zu empfehlen, stattdessen auf  den Info Bildschirm im Foyer verweist, wo alles via Touchscreen aufrufbar ist? Oder ist am Ende gar niemand im Info-Büro und der Gast ist mit dem multimedialen Info Board auf sich alleine gestellt?

Nun werden überzeugte Digitalisierungs-Befürworter vehement aufschreien dass ja genau dies der Fortschritt in der Digitalisierung ausmache, wenn zB der Gast am späten Abend via Info-Screen alle gewünschten Infos schnell und einfach beziehen kann, obwohl kein Mitarbeiter mehr zur Verfügung steht. Wohl wahr – aber trotzdem möchte ich die kritische Frage in den Raum werfen: geht eine schnelle und umfassende Digitalisierung am Ende vielleicht auf Kosten des „individuellen und persönlichen Urlaubserlebnisses“ aufgrund von fehlenden Interaktionspunkten?

28. September 2017, 9:54

Der zunehmenden Digitalisierung in allen Bereichen des Lebens kann man sich wohl oder übel – für mich als der Generation Schreibmaschine zugehörig eher übel – nicht immer bzw. immer weniger oft entziehen.
Da macht es nicht viel Unterschied, ob man sich am Schalter einer Fastfoodkette befindet und sich durch den Strudel an Angeboten kämpfen muss oder sich mit den Tücken des Einzahlungsgerätes der hiesigen Bankfiliale herumplagt oder eben am Multimedia Screen am Berg. Die Situation ist die dieselbe. Der Mensch muss der Maschine weichen, ob er will oder nicht, das ist nun mal der technische Fortschritt. Den hat es immer schon gegeben. Auf der Strecke bleibt aber mit Sicherheit die Kommunikationsfähigkeit untereinander. Oder auch der Wille zur Interaktion mit dem Gegenüber, den man auch ‚abtrainiert‘ bekommen kann.

Ich sehe schon die Gefahr, dass dadurch eine der Kernkompetenzen des Tourismus – die Dienstleistung am Gast – in den Hintergrund rückt. Was schade ist, denn gerade auf dem Gebiet der sogenannten Soft Skills kann ich mich eindrücklich vom Mitbewerber abheben. Ein toller Infinity-Pool mit faszinierendem Ausblick ist schnell geplant und gebaut. Aber ein Mitarbeiter, der einem Gast voller Enthusiasmus von seiner letzten Mountainbiketour oder Wanderung erzählt und ihm so das ehrliche, authentische, alpine Lebensgefühl näher bringt, kann nicht durch Technik ersetzt werden bzw. kann schon, verliert dann aber an Charme.

Nun sind im Tourismus, wie auch in anderen Branchen, nicht nur Enthusiasten und sinnerfüllte Mitarbeiter am Werk. Es gibt auch solche, die in ihrer Arbeit leider ’nur‘ die Arbeit sehen und nicht die selbstbestimmte Berufung – in diesen Fällen ist es dann wahrscheinlich doch besser den digitalisierten Kollegen vorzuschicken, aber das ist eine andere Geschichte…

28. September 2017, 10:05

Als Fremdenführer/Austria Guide sehe ich die Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Meine Erfahrung zeigt, dass der „Schmäh“, die persönlich erzählten „G’schichtln“ das ist, was Gruppen, die uns buchen, nachfragen… und ich versuche auch immer, die Herkunft einer Gruppe oder auch die Ausrichtung (Sportverein,…) einzubeziehen, um Verbindungen zum Gesehenen herzustellen.

Manchmal würde ich mir zur Unterstützung statt meiner Mappe mit ausgedruckten Bildern ein ebenso großes (und unzerstörbares) Tablet wünschen, das immer das passende Bild herbeizaubert, ohne lang danach suchen zu müssen, und die App könnte das auch gleich simultan auf die Mobilgeräte meiner Gäste übertragen.

Aber eine reine App-Führung ohne Gschichtln wäre wie eine Hochzeit mit Konservenmusik, ohne Liveband.

28. September 2017, 10:12

Die „realen“ Interaktionspunkte (oder früher Brand Touchpoints) wurden durch das (von Google propagierte) Konzept der Micro-Moments abgelöst – also die vielen kleinen Aha-Erlebnisse während der Interaktion mit unseren Smartphones. 10 Jahre iPhone hinterlassen ihre Spuren in der Customer Journey von uns allen, ohne Zweifel. Es gibt dadurch viel mehr Berührungspunkte zu den Produkten und der Marke einer Destination oder eines Hotels als früher. Und jede Berührung ist eine neue Chance auf positives Markenerlebnis – oder eine Blamage. Die Kontaktpunkte mit (echten) Menschen wirken meiner Ansicht immer noch stärker als mit digitalen Lösungen. Was aber, wenn der Gast in seinem Urlaub die Tourist Info nie betritt oder auch die Rezeption nur zum Check-in oder Check-out kontaktiert? Leider wahr, wir müssen die Micro Moments steuern lernen und – noch schwieriger – mit der Offline-Welt in Einklang bringen. Im Beispiel: Wenn der Gast in der Tourist Info Fragen zur Bedienung des Info-Terminals an einen Mitarbeiter stellt, zeigt sich die wahre Service-Kompetenz der Marke!

28. September 2017, 15:25

wie immer bei digitalisierung dreht sich alles um den kundennutzen: um mitternacht krieg ich halt keine interaktion mit einem mitarbeiter.

1. Oktober 2017, 13:30

Der richtige Mix macht es ( wie fast immer ) aus; es geht aus meiner Sicht nicht um ein „Entweder-oder“, sondern vielmehr um die geschickte Kombination und Ergänzung.
Technik dort, wo sie mehr Infos liefern kann, oder wo Schließzeiten und Spitzenzeiten dadurch abgefedert werden können – ein völliger Ersatz der Ressource Mensch und Menschlichkeit durch Technik sollte, gerade im Lande des Tourismusweltmeisters Österreichs, nicht stattfinden! Denn gerade Gastfreundschaft, der „Schmäh“ und das manchmal älplerisch-verschrobene und verschmitzte macht einen wesentlichen Teil unseres Erfolgs als Urlaubsland aus…oder etwa nicht? Letztlich wird immer der Kunde entscheiden, welche „Quelle“ er wählt und benutzt, wir sollten ihm aber schon noch die Wahl lassen…..

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