Die Tourismus-Intelligenz der Social Media-Masse
Wenn wir jetzt, mitten im Social Media-Boom, an die Web-Anfänge zurückdenken, litt die Hotellerie damals sicher unter der gnadenlosen Beobachtung und Offenlegung des Internets.
Die Branche hat aber gelernt, damit umzugehen: ein Hotelier muss sich nicht alles gefallen lassen! Gleichzeitig darf nicht jede Gästekritik rechtliche Schritte nach sich ziehen. Onlineportale und Diskussionsforen bieten die Möglichkeit, dem unzufriedenen Urlauber direkt zu antworten.
Weitere positive Effekte: Erstens sinkt die Notwendigkeit teurer Print-Inserate. Onlinewerbung ist immer noch preisgünstiger und der User kann direkt zur Buchung geführt werden. Zweitens ist der Hotelier nicht von einzelnen Kritikern und Guide-Herausgebern abhängig. Die Neutralität und Transparenz dutzender Gästebewertungen ist eine ganz andere, in Summe weit größer und zuverlässiger. Tendenziell werden sogar mehr positive Kommentare abgegeben als Kritik.
Über 50 % der User informieren sich vor der Buchung auf Hotelvergleichsportalen wie Holidaycheck, Tripadvisor oder hotel.de und sehen sich bis zu durchschnittlich 16 Bewertungen an. Tendenz: stark steigend.
Es spricht also viel dafür, dass sich in Sachen Guides und Testberichte das Gewicht mehr und mehr von gedruckten Hotel- und Restaurantführern hin zu Online-Portalen verschiebt.
Diese Entwicklung sollte man im Hinterkopf behalten, wenn demnächst wieder die Inseraten-Akquise von diversen Mystery-Testern beginnt. Der Frage, wie sich eine Bewertung im Wellness-, Sport- oder Beauty-Führer aufs Geschäft auswirkt, begegnet man dann mit wesentlich mehr Gelassenheit.
Zu Recht un-relaxed ist die Branche hingegen wegen der Bad News, die regelmäßig zwecks Auflagenmaximierung angeblich überhöhte Preise, schlechte Massagen und unhygienische Pools in den Vordergrund stellen.
Wer sich davon beeindrucken lässt, inseriert vielleicht doch (auch wenn sicher niemand die Unbestechlichkeit der Tester in Frage stellt). Kein Verständnis für diese Überlegung hat Christian Werner, Herausgeber des Relax Guide. Er klagt aktuell gegen die Behauptung, er würde für Inserate bessere Bewertungen vergeben. Die Betreiber von thermencheck.com schrieben im Oktober 2010 in einer Presseaussendung, viele ihrer Partnerbetriebe hätten ihnen erzählt, wie es hinter den Kulissen zuginge …
In den Online-Portalen sieht der Hotelier warum er/sie gut oder weniger gut bewertet wurde – auch wenn die Bewertung subjektiv ist. In den diversen Guides ist das ja nicht so. Die Kriterien sind nicht bekannt. Es gibt kein direktes Feedback. Die fehlende Transparenz lässt hier die Vermutung zu, dass inserierende Unternehmen dafür auch belohnt werden. Daher hat die Relevanz der Guides wohl auch generell nachgelassen, denn auch dem Leser und Kenner von Häusern mit verschiedenen Bewertungen ist nicht immer transparent wie die Bewertungen entstehen.
Die Werbeausgaben der Hotellerie sind jene Ausgabenposition, die am meisten zugenommen hat. Vgl. dazu auch Blog-Beitrag „Werbung in nackten Zahlen“! Da liegt wohl die Vermutung nahe, dass die Hotellerie zwar schon kräftig in Online-Werbung investiert es aber dennoch nicht wagt auf klassische Werbemittel zu verzichten und daher eine Doppelstrategie gefahren wird, die doppelt kostet.
Ein Durchforsten scheint da dringend angeraten umso mehr als das wirtschaftliche Ergebnis auch aus anderen Ecken (Preiserhöhungen unter der Inflation) unter Druck kommt.
Die Online-Werbung hat das Leben der Tourismusindustrie nicht vereinfacht, sondern „vervielfacht“, denn Online ersetzt Print nicht. Es gibt noch immer genügend Menschen, die etwas in der Hand haben wollen, wenn sie sich für Urlaub interessieren. Die noch immer steigende Nachfrage an Prospektmaterialien zeigt das, obwohl das Web viel mehr Informationen und Fotos bietet.
Durchforsten ist aber sicher angesagt, aber hier fehlt oft die Strategie. Geschalten wird noch immer oft nach dem Bauchgefühl, konsquente Orientierung an der Zielgruppe und Evaluation sind viel zu selten – online und print.
Es ist zu erwarten, dass Social Media schon in wenigen Jahren zum normalen Kommunikationsalltag mit Zielgruppen gehört. Daher empfiehlt sich der Stehsatz von Jeff Jarvis: Machen Sie Fehler. Aber machen Sie sie schnell.
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