6. Juni 2021 | 15:53 | Kategorie:
4

Der Arbeitsplatz im Tourismus muss auch für Einheimische wieder attraktiv werden

Corona hat den Tourismus in unserem Lande in eine Öffentlichkeit gebracht wie nie zuvor. Österreich, quasi als „Tourismus-Weltmeister“, hat besonders darunter gelitten, der Städtetourismus leidet noch immer. Der Staat, sprich der Steuerzahler, hat den touristischen Unternehmer, von den Hotels, Restaurants über die Seilbahnen bis hin zu den vielen tourismusabhängigen Dienstleistern, großzügigste Förderungen und Unterstützungen gewährt. Kurzarbeits-Modelle erlaubten den Betrieben, ihre Mitarbeiter zu halten. Viele Unternehmen haben die Zeit der Sperre genutzt, um zu investieren, neue Angebote zu schaffen, innovative Konzepte und Ideen zu entwickeln, sich digital aufzurüsten und vieles andere. Ja, Start-ups, neue Denkfabriken und Zusammenschlüsse von Gleichgesinnten wurden gegründet. Man hat den Eindruck, Krise ist Chance! In den rezenten OECD-Studien ist Österreich aufgrund des starken Anteiles des Tourismus in den Prognosen der Erholungs- und Wachstumsphase im letzteren Drittel der EU-Länder zu finden.

Und was machen wir jetzt daraus?

Um den Qualitätstourismus in all seinen kreativen Ausprägungen zu halten, brauchen wir TOP-Personal. Für den Einheimischen war es in den letzten Jahren wenig attraktiv, in den Tourismus zu gehen. Weit über der Hälfte der touristischen Mitarbeiter sind Nicht-Österreicher. Österreich hat die besten Fachhochschulen und Ausbildungsstätten, viele ausländische Studierende nehmen dieses Bildungsangebot in Anspruch und gehen dann wieder zurück in ihre Heimat. Wenn uns der Tourismus wirklich so wichtig ist, dann soll die Tourismus- und Freizeitwirtschaft wieder ein attraktiver Arbeitsplatz auch für den Einheimischen werden.

Könnte nicht die Corona-Krise dazu genutzt werden, hier wahrlich einen Wandel einzuleiten, und die vielfältigen Arbeitsmöglichkeiten im Tourismus ins Zentrum zu rücken? Die Nachhaltigkeit und Digitalisierung eröffnen zudem neue Berufsfelder, es bräuchte die Besten und Motiviertesten. Natürlich müssen die Rahmenbedingungen stimmen, um nur einiges zu nennen: mehr öffentliche Wertschätzung, bessere Bezahlung, gutes Wohnen, flexiblere und familienfreundlichere Arbeitszeitmodelle – auch für älter werdendes Personal, Weiterbildung, Karrierewege etc.

Eine neue Image-Kampagne um den Arbeitsplatz Tourismus alleine wird nicht reichen, Schulen und höhere Lehrstätten, aber auch Bund und Land sowie Interessensvertretungen sind gefordert, hier noch einen größeren Beitrag zu leisten. Allen voran die touristischen Unternehmer mit guten Arbeitsplätzen und Perspektiven, dass die Mitarbeiter selbst Empfehlungsmarketing betreiben. Nicht zuletzt aber auch die vielen Eltern (es sei mir verziehen), die ihren Kindern von der Arbeit im Tourismus abraten. Es ist einer der vielfältigsten und spannendsten Berufe, den es gibt. Und ein touristischer Standort kann nicht in Niedriglohnländer ausgelagert werden. Wie oft hört man zudem die Aussage, es sei viel leichter einen Gast als einen qualifizierten Mitarbeiter zu finden. Hier muss ein Ruck durch die Gesellschaft gehen und den Tourismus als Arbeitsplatz wieder den Stellenwert zu geben, der unserem Lande viel Wohlstand gebracht hat und bringt. Ein Land mit seinen Unternehmern ist zudem in erster Linie dazu da, für seine Bevölkerung Arbeitsplätze zu schaffen, nicht eine Branche zu fördern, die ohne ausländische Mitarbeiter überhaupt nicht leben kann.

Und noch am Rande bemerkt:

Die Ferienhotellerie vor allem im Westen und Süden Österreichs sucht händeringend Fachkräfte, während im Osten die Mitarbeiter noch (länger) in Kurzarbeit gehalten werden sollten. Solche Fehlallokationen darf es nicht geben. Andere EU-Länder machen uns das vor, wie flexibel man in puncto Arbeitsplatz sein muss. Auch hier müssen wir im Geiste und physisch mobiler werden.

8. Juni 2021, 21:20

„Wer nichts wird, wird Wirt“, sagt ein Spruch. Ich stimme dem nicht zu, aber das Bonmot – das diesen Namen nicht verdient – ist ein gutes Beispiel für die Meinung, die vielfach über Berufe im Gastgewerbe (und darüber hinausgehend im gesamten Tourismus) herrscht.

Diese mangelnde Wertschätzung ist sehr bedauerlich und ich frage mich, worauf sie zurückzuführen ist. Meinen wir, dass jemand, der uns im Service bedient, weniger wert ist? Dabei sind doch viele von uns Dienstleister. Für mich gibt es keinen Unterschied, ob ich für meine Kunden (Beratungs)dienstleistungen erbringe oder eben jemand für mich Dienstleistungen erbringt.

Ist es das Trinkgeld, das uns Service-Berufe in Gastronomie und Hotellerie weniger wertschätzen lässt? Doch gerade auch das Trinkgeld sollte Ausdruck von Wertschätzung sein.

Am Wochenende habe ich beim „Wagram Abhof“ WinzerInnen besucht, die ebenfalls dem Bereich Tourismus zuzuzählen sind. Ich verneige mich vor jedem und jeder einzelnen für das, was sie leisten. Und das gilt ebenso für Wirtinnen und Wirte (ob nun im Beisl nebenan oder im Luxushotel) und deren MitarbeiterInnen. Es macht große Freude, Kellnerinnen und Kellner zu beobachten, die ihr Handwerk verstehen.

Aber woran scheitert es, dass gerade Einheimische der jeweiligen Regionen dem Tourismus den Rücken kehren?

Mangelnde Wertschätzung, unzureichende Bezahlung und schlechte Unterkünfte mögen ein Teil der Problematik sein. Aber es sind wohl auch die Arbeitszeiten, die viele abschrecken. Wer mag schon am Samstag Abend in der Küche oder im Service stehen, wenn andere Feierabend machen? Wenn dies mit flexibleren und familienfreundlicheren Arbeitszeitmodellen zu lösen ist, wäre das sicher von Vorteil. Aber dass im Tourismus am Wochenende und am Abend gearbeitet werden muss, wird kein Modell der Welt ändern. Und offenbar scheinen Arbeitskräfte aus anderen Ländern eher bereit dazu zu sein.

Wäre es eine Lösung, verstärkt auf ältere Arbeitskräfte zu setzen, deren eigene Freizeitansprüche geringer sind und die sich nicht um eine junge Familien kümmern müssen? Das würde aber eine den Lebensjahren entsprechende Bezahlung voraussetzen, die Anreiz genug bietet, dafür einen Ortswechsel – oder die Rückkehr in die Heimatregion – in Kauf zu nehmen.

9. Juni 2021, 10:08

Den Statements von Frau Danler und Frau Neureiter ist überwiegend zuzustimmen. Nur: Wer hat je (hier) einmal im Detail aufgelistet, wie viele Tourismus-Betriebe von den Kindern der gegenwärtigen Betreiber NICHT weitergeführt werden? Wenn doch die Branche eh so attraktiv ist? Diese präsumtiven Nachfolger*innen studieren halt in einem hohen Ausmaß Fächer, die nichts mit der Branche iher Eltern zu tun haben. Weil ihnen danach Jobs winken, wo spätestens am Freitag um 13 Uhr Schluss ist. Dabei müssten diese jungen Leute nicht ihren Wohnort wechseln, statt in einer kleinen, wenn auch „eigenen“ Wohnung, in eine temporäre Betriebsunterkunft oft minderer Qualität wechseln, müssten nicht auf ihr soziales Umfeld verzichten usw. usw. Und das soll andere junge Leute motivieren, sich für dieses Arbeitsfeld zu entscheiden? Die „Lösung“ liegt derzeit noch in der Anstellung von ausländischen Arbeitskräften. „Zum Glück“ für die heimische Tourismuswirtschaft geht es vielen Menschen in ihren Herkunftsländern noch immer so schlecht, dass diese Leute, trotz aller Geringschätzung durch die Mehrheit der lieben Österreicher*innen, zu uns kommen. Wehe, aus irgend einem Grund bessern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in HU; SK, BiH usw. einmal massiv, dann wird auch dieser „Zufluss“ versiegen. Was dann? Na, dann holen wir uns eben die Leute aus der Ukraine, aus Belarus, aus Kirgisien, Turkmenistan, ziehen ihnen ein Dirndl oder eine Lederhose an und weiter geht´s. Oder so.

Ein Lösungsansatz wäre aus meiner Sicht die Schaffung/Förderung von Genossenschaften von Tourismusmitarbeitern jeden Alters, die über diesen Weg anteilig selbst Unternehmer würden ohne als Einzelperson(en) gleich das volle Risiko übernehmen zu müssen. Nur wenn sich Menschen wirklich mit dem Unternehmen identifizieren, sich für seine Zukunft interessieren, werden sie sich auch im Sinne einer langfristigen Perspektive einsetzen. Wer glaubt, dass ein Waldviertler, Wiener oder Burgenländer, der via verschärfter AMS-Zumutbarkeitsbestimmungen (der feuchte Traum mancher Hoteliers und Gastronmen) ins Ötz-, Pitz- oder Saalachtal „zwangsverpflichtet“ wird, sich auf diesem so „gewonnenen“ Arbeisplatz einen „Hax’n ausreißt“ glaubt auch dass dei Erde eine Scheibe ist.

10. Juni 2021, 10:02

Sehr geehrter Herr Holfeld,
vielen herzlichen Dank für Ihren nüchternen Blick auf den Tourismus.
Genau das ist es ja, das Problem der Mitarbeiter und der Betriebsnachfolge durch die nächste Generation ist die Herausforderung schlechthin. Im Übrigen, jetzt kommen im Westen die Ungarn, Slowaken auch nicht mehr, Ihre „Vision“ der neuen Mitarbeiter-Zielgruppe ist nicht einmal realitätsfern.
In allen Strategie-Papieren wird das Thema Personal kaum bis gar nicht angesprochen. Die Fach- und Hilfskräfte im Tourismus wären wohl das größte Nachhaltigkeitsthema. Wir brauchen auch nicht eine Branche mit Milliarden fördern, in der kaum Einheimische arbeiten wollen. Dann müssen wir uns eben eine Diversifizierung überlegen. Ob dies in den hintersten Tourismus-Tälern auch funktioniert, bleibt abzuwarten.
Ihr Lösungsansatz ist unkonventionell und interessant. Danke für Ihren Beitrag.
Wenn Spanier, Portugiesen, alle zentraleuropäischen Länder Tausende Kilometer für eine Arbeitsstelle bewegen, dann werden wohl wir Österreicher uns ein paar Hundert Kilometer für eine Saison oder auch länger niederlassen können. Wohlstand bedeutet auch Mobilität. Der Sozialstaat ist gut, darf aber auch nicht überbordend sein.

11. Juni 2021, 16:46

Liebe Renate, deine Meinung, dass in den Strategiepapieren zum Tourismus dem Thema Mitarbeitende mehr Platz eingeräumt bzw. Gewicht gegeben werden sollte, teile ich voll und ganz. Das gilt im Hinblick auf Zielformulierungen und das gilt in Bezug auf konkrete Maßnahmen. Ein positives Beispiel ist jedenfalls die Vorarlberger Tourismusstrategie 2020 mit dem darin enthaltenen Programm „Gastgeben auf Vorarlberger Art“. Auch widmen sich etliche Destinationen intensiv dem Thema Mitarbeiter*innen, beispielsweise der TVB Wilder Kaiser, Achensee Tourismus oder Zell am See Kaprun Tourismus. Auch für viele Top-Betriebe gehört die umfassende Wertschätzung der Mitarbeitenden zu ihrem Selbstverständnis.

Einheimische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden ist nicht nur im Tourismus kein leichtes Unterfangen, und das aus mehreren Gründen. Auch ist dieses Phänomen nicht allein auf das immer wieder bemühte „schlechte Image“ touristischer Berufe zurückzuführen.

Zu den Gründen zählt u.a. die sich seit Jahren öffnende Schere zwischen dem steigenden Arbeitsplatzangebot auf der einen und der stagnierenden bzw. kaum wachsenden Zahl einheimischer Arbeitskräfte auf der anderen Seite. Auch andere Branchen können nur funktionieren und erfolgreich sein, wenn sie auf ausländische Mitarbeiter*innen zurückgreifen. Dazu zwei Beispiele: Unter den rund 6.000 Mitarbeitenden der Tiroler Lebensmittelkette MPreis sind Angehörige von über 60 Nationen vertreten. Und der Pharma-Konzern Novartis rekrutiert seine 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die beiden Tiroler Standorte Kundl und Schaftenau aus über 50 Nationen.

Da wir mit Novartis gerade die Industrie ansprechen: Wenn wir uns die Umsätze pro Kopf der Mitarbeitenden ansehen und Industrie bzw. industrielles Gewerbe sowie Tourismus miteinander vergleichen, so zeigt sich, dass in der Tiroler Industrie ein Mehrfaches an Umsatz pro Kopf erzielt wird als im Tourismus. Und Multiplikatoreffekte gehen von Industrie und Gewerbe genauso aus. Vor diesem Hintergrund sollte man den im Tiroler Tourismus gegenwärtig gebetsmühlenartig propagierten Slogan „Mehr Wert statt Menge“ durchaus auch einmal von einer anderen Ecke andenken. Womit wir bei der Diversifizierung wären.

Kommentieren

 
Ihre Daten werden im Rahmen der Kommentarfunktion gespeichert, darüberhinaus aber für keine weiteren Zwecke verwendet. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Kommentar zurücksetzen