Aus der Defensive heraus
Manche Debatten rund um den Skisport kehren jährlich wieder, so macht es zumindest den Anschein. Auf immer gleiche mediale Angriffe folgt die ebenso ritualisierte Verteidigung der Tourismusbranche, ganz speziell der Skigebiete. Aus der Defensive heraus zu argumentieren ist schwierig, so kann und soll es nicht weitergehen. Die Zeit für unorthodoxe Offensivstrategien ist gekommen. Um die Diskussion darüber zu eröffnen, seien hier drei Beispiele skizziert:
1. „Die Liftkarten sind zu teuer“
- Wir lancieren im Herbst eine Social Media-Kampagne in der Gäste beschreiben, wie viel ihnen das Skifahren bedeutet. Da werden sicherlich die unterschiedlichsten Motive genannt; es geht um familiäre Traditionen, sportliche Herausforderungen, Erlebnisse in Natur und Bergwelt (bei jedem Wetter), ein bestimmtes Lebensgefühl.
- Wir erheben – möglicherweise in Kooperation mit dem Verein für Konsumenteninformation – die Preisentwicklung im Skisport (besser noch das Preis-Leistungs-Verhältnis), jedoch nicht auf jene der Liftkarten (und eine willkürliche Auswahl von Skigebieten) beschränkt.
2. „Der Skisport ist nicht nachhaltig“
- Wir richten – am besten gemeinsam mit Umweltschutzorganisationen und alpinen Vereinen – an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck eine Stiftungsprofessur für Klimatologie ein, die auf höchstem wissenschaftlichen Niveau angewandte Forschung zum Bergtourismus in den Alpen betreibt.
- Wir initiieren eine Stakeholder-Plattform, um Gäste in den Alpen am Beispiel dieses besonderen Lebensraumes für Nachhaltigkeit (und damit auch für Klimaneutralität bzw. Dekarbonisierung) zu sensibilisieren. Angesichts von Alternativen wie Städteflugreisen oder Kreuzfahrten wäre eine breite Beteiligung einschlägiger Nichtregierungsorganisationen nur logisch.
3. „Dem Skisport geht der Nachwuchs aus“
- In und um die großen Städte werden bestehende Skigebiete für Tagesausflüge von Schulen genutzt. Nach dem Vorbild von ski4school sollte das auch im süddeutschen Raum verstärkt möglich sein.
- Wir entwickeln Produkte für Eltern, die Zeit gemeinsam mit ihren Kindern verbringen wollen, beim Thema Skifahren jedoch unsicher sind.
Die Debatten wiederholen sich in der Tat alljährlich und die einzelnen Interessengruppen greifen das Thema stets auf ihre Weise auf. Meiner Einschätzung nach reagieren Tourismusorganisationen und Bergbahnunternehmen aber nicht mehr (nur) aus der Defensive heraus, sondern sie ergreifen die Initiative und gehen das Thema aktiv an.
Die Anregungen von Markus Redl zu den drei Themenfeldern (Preis, Nachhaltigkeit, Nachwuchs) mögen in ihrer Mehrzahl nicht neu sein, die Auflistung macht aber deutlich, dass wir es mit Baustellen zu tun haben, an denen permanent gearbeitet werden muss.
Dabei gilt es den Dingen auf den Grund zu gehen und sie ideologiefrei zu hinterfragen, damit die richtigen Schlussfolgerungen abgeleitet werden können. Denn ich erinnere mich noch gut, wie vor Jahren die skitouristische Nachfrage in Deutschland zu schwächeln begonnen hat und die Schuld dafür den Grünen in die Schuhe geschoben wurde. Ganz übersehen wurden jedoch die demografischen Veränderungen sowie jene Aspekte des Wertewandels, die sich abseits jeglichen ökologischen Bewusstseins abspielen.
Zu den Preisen Die Liftkartendiskussion gleicht einem Drehorgelspiel, bei dem allerdings nur die Tageskarten einprogrammiert sind. Nicht eingegangen wird hingegen auf die skigebietsübergreifenden Saison- oder Jahrestickets, die den Skilauf für den Einzelnen und für Familien zu einem erschwinglichen Vergnügen machen – und das abseits höherer Einkommensschichten.
Zur Nachhaltigkeit: An der Universität Innsbruck werden in der Klimatologie sowie in der angewandten Forschung für Berggebiete exzellente, fächerübergreifende Leistungen erbracht. Eine Stiftungsprofessur könnte zusätzlich Impulse liefern. Kompetente Persönlichkeiten dazu gäbe es. Preisfrage: Wer bringt dafür die Mittel auf und würde sich die Seilbahnwirtschaft an einer solchen Einrichtung beteiligen?
Die Stakeholder-Plattform zu Fragen wie Klimaneutralität und Dekarbonisierung im Lebensraum Alpen würde sich in ein anspruchsvolles Aufgabenfeld hineinbegeben. Sie müsste Tourismusanbieter im Alpenraum wohl auch darauf aufmerksam machen, dass zwischen dem Bemühen um umweltfreundliche Skigebietstechnologien und den Bestrebungen, Gäste aus aller Welt (z.B. China) hierher zum Skilauf einzufliegen, ein Widerspruch besteht.
Zum Nachwuchs: Da wird bereits einiges geleistet, die österreichische Seilbahnwirtschaft ist in Sachen Schulskitage und ähnlichem recht aktiv. Nicht folgen kann ich allerdings der kürzlich erneut erhobenen Forderung der Seilbahnwirtschaft, eine verpflichtende Schulskiwoche einzuführen. Zum einen, weil die damit verbundenen pädagogischen Ziele, einschließlich der Bewegungs- und Gesundheitsaspekte, auch mit anderen Sportarten, zu anderen Jahreszeiten und zu günstigeren Preisen erreicht werden können. Und zum anderen, weil die Motivation zum Skilauf primär aus der Familie bzw. dem Freundeskreis kommen muss – das lehrt mich jedenfalls mein persönliches Umfeld. Ferner ist bei der Nachwuchsfrage zu bedenken, dass es immer weniger Kinder gibt, diese aber im Vergleich zu früher aus einer ungleich größeren Palette an Freizeitaktivitäten wählen können. Selbst wenn sie sich das finanziell leisten können, so haben sie zumindest ein Zeitproblem.
Die Diskussion, wie man dem Phänomen der jährlichen medialen Berichterstattung über die Liftpreise begegnet, ist so alt wie die Berichterstattung selbst. Nachdem JournalistInnen und Redaktionen nichts mehr lieben als eine Geschichte, die polarisiert, kannst Du viel Überzeugungsarbeit leisten und trotzdem kommt die Geschichte jedes Jahr wieder, jedenfalls so lange der VKI diese „Studie“ mit einer Aussendung präsentiert und das Thema im Lead besetzt. Die Reaktion ist dann ein Gegenpol, der den Vorwurf nicht widerlegt, sondern begründet: „Investitionen in Millionenhöhe…“
Trotzdem – oder gerade deswegen – wünsche ich dem im Beitrag vorgestellten Anlauf viel Erfolg! Es gibt mittlerweile ja auch andere Kommunikationskanäle als TV und Printmedien und auch andere Geschichten abseits der VKI Geschichte.
Selten sind zu einer so komplexen Problematik so klare Formulierungen und Lösungsvorschläge zu finden:
Die Initiative (Markus Redl) trifft die wichtigsten Punkte der in dieser Angelegenheit endlich klar zu stellenden Zusammenhänge. Ihr ist viel Unterstützung und Erfolg zu wünschen.
Die beiden Kommentare (Peter Haidmayer und Rainer Ribing) stellen auf diesem Weg richtige und wichtige Ergänzungen dar.
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