Kongresse als Werbung für die Destination
Wir sind nun mitten in der Urlaubssaison. Jeder denkt an Entspannung und Erholung vom Alltagsstress. Und doch ist es mir gerade jetzt ein Bedürfnis, über Kongresse zu schreiben. Denn sie tragen in ganz Österreich nicht nur zur Belebung der Wirtschaft bei, sondern unterstützen auch das Destinationsmarketing. Wie das?
Der Meeting Industry Report Austria (mira) zählte für das Jahr 2012 über 14.000 Tagungen in Österreich mit rund 1,3 Millionen Teilnehmern. Führt man sich vor Augen, dass die Veranstalter in ihrer Kommunikation die doppelte, wenn nicht dreifache oder mehrfache Menge an nationalen wie internationalen Kontakten mit ihrem Kongressangebot ansprechen, kann locker von Millionen von Menschen ausgegangen werden, die durch das Kongressgeschäft auf österreichische Destinationen aufmerksam gemacht werden. Kongresse erreichen mit ihren Websites, Kongressprogrammen und allgemeinen Teilnehmerinformationen die ganze Welt – und das für eine Kongress- und Urlaubsdestination quasi zum Null-Tarif.
Kongresse machen nicht nur kostenlose Werbung für die Destination. Ein wertvoller Nebeneffekt ist auch noch, dass das Fachgebiet des Kongresses im Land gestärkt wird. Aufgrund der Affinität zum Kongressthema werden Millionen von Menschen auf unterschiedliche Art und Weise angesprochen, wie es mit anderen Kommunikations- und Werbekanälen des klassischen Destinationsmarketings nicht oder kaum möglich wäre. Über das hohe Interesse am Thema können Filter- und Selektionsmechanismen, die normalerweise aufgrund der Informationsüberflutung eine Resistenz gegenüber Destinationskommunikation auslösen, umgangen werden. Das höhere Involvement für das Kongressthema führt zu einer höheren Aufmerksamkeit, leichtere Aufnahme und stärkeres Behalten von Informationen über die Kongressdestination. Summa summarum ist die Kommunikationswirkung daher um ein Vielfaches höher.
Wie kann man sich das an einem konkreten Beispiel vorstellen? Wenn die EUMETSAT Meteorological Satellite Conference vom 16. bis 20. September mit ihren 600 Teilnehmern aus aller Welt in Wien tagen wird, sensibilisiert die Kongressinformation vom EUMETSAT Meteorologen, Ozeanografen und Klimaforscher für die Stadt. Sie beschäftigen sich – gleich, ob sie am Kongress selbst teilnehmen oder nicht – auch mit der Destination. Kommen sie für den Kongress nach Wien, können sie sich selbst Lust auf einen Urlaub in Österreichs Hauptstadt bekommen oder die Destination auch im Freundes- und Bekanntenkreis weiterempfehlen. Können sie, aus welchen Gründen auch immer, nicht an der Konferenz teilnehmen, werden sie trotzdem für Informationen aus Wien mehr zugänglich sein, innere kulturelle und emotionale Bilder von Wien entwickeln und aufgrund der neu wachsenden Affinität eher auf eine Wien-Reise reflektieren.
Der reale und der potenzielle Kongressgast von heute sind daher die Urlaubsgäste und Kulturtouristen von morgen. Das Kongressgeschäft ist nicht nur ein lukratives B2B-Geschäft, sondern auch wesentlicher Faktor für den Freizeittourismus. Leider fokussieren sich bestehende Kommunikationsforschungen vor allem auf die wirtschaftlichen Effekte bestehender Kongressgäste. Potenzielle Zielgruppen werden in der Analyse und Anerkennung an das Kongressgeschäft weniger berücksichtigt. Wahrscheinlich bedarf es neuer Image- und Reputationsmethoden. Vielleicht sollten wir uns aber auch gemeinsam Gedanken machen, wie man stärker für das Phänomen sensibilisieren und im Destinationsmarketing die positiven Wirkungen von Kongressen strategisch besser nutzen kann.
Liebe Renate,
ich kann dir grundsätzlich nur beipflichten. Auch wenn die Werbung für Destinationen nicht immer kostenlos ist, ist diese sicher sehr positiv und imagefördernd.
Ich bin der Meinung, dass wir (Destinationen, Betreiber von Kongresshäusern und Tagungsstätten sowie Veranstalter etc.) nur gemeinsam noch einen größeren Mehrwert für eine Region sowie für die Veranstaltung selbst erwirken können.
Die Umsetzung ist nicht immer einfach und bedarf einem offenen Dialog der beteiligten Interessensvertreter. So ist es z.B. nicht immer einfach, den Tagungsteilnehmern den Freiraum zu verschaffen, um die schöne Gegend, die tollen Berge und die Freizeiteinrichtungen sowie Aktivitätenangebote zu nützen um sich zu bewegen und vielleicht auch den Geist freizumachen.
Beim Europäischen Forum in Alpbach z.B. gelingt dies meist auch nur, wenn die Programmpunkte fix im Tagungsprogramm eingebunden werden wie z.B. die Sonnenaufgangswanderung am Tirol Tag. Diese ist seit 2 Jahren ein Hit und bringt einen absoluten Mehrwert für alle. Auch wir Touristiker müssen noch viel lernen, mit den Themen der Tagungen diese Zielgruppen für „Urlaub“ zu begeistern und die Wege in die Medien zu finden.
Ich denke, die Umsetzung ist in der alpinen Umgebung vom schönsten Dorf Österreichs sicher etwas einfacher als in einer Stadt. Aber die Anstrengungen werden sich überall lohnen. Wir (Tourismusverband und Congress Centrum)im Alpbachtal arbeiten bereits daran und sehen, dass viele kleine Schritte auch in Richtung Gipfel führen.
Nicht außer Acht lassen dürfen wir, speziell im ländlichen Raum, dass die Bevölkerung nicht überrumpelt wird sondern eine offene Informationskultur vorherrscht, wenn neue Ideen zur Umsetzung kommen.
Danke für deinen Artikel und bald ein herzliches Willkommen in Alpbach
Markus Kofler
Lieber Markus,
ich habe viel mehr aus der Sicht einer Stadt, einer Weltstadt geschrieben. Alpbach ist natürlich ein herausragendes Beispiel, wie sich ein ländliches Dorf, eine Urlaubsdestination, als das Europäische Kongressdorf international positionieren konnte. Freizeitangebote bei wissenschaftlichen Kongressen einzubinden, ist heutzutage wegen strenger Compliance Regeln, besonders in der Pharma-Branche, oft schwierig. Bei Firmentagungen verhält sich dies indes ganz anders. Wesentlich ist auch, und das wurde im Artikel gar nicht so betont, dass der Kongressgast von heute, auch der Urlauber von morgen ist.
Ich freue mich immer, zum Forum nach Alpbach zu kommen, heuer zu den Wirtschaftsgesprächen!
Herzlichst Renate
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