27. November 2014 | 22:30 | Kategorie:
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Tiroler (Un)Wort des Jahres

Würde in Tirol eine Wahl zum Wort bzw. Unwort des Jahres 2014 abgehalten, so hätte „Brückenschlag“ beste Chancen, und zwar je nach Blickwinkel in der einen oder der anderen Kategorie. Mit Brückenschlag ist hier die geplante Seilbahnverbindung zwischen den Skigebieten Schlick 2000 im Stubaital und der zum Innsbrucker Mittelgebirge gehörenden Axamer Lizum gemeint. Das mag primär eine Tiroler Angelegenheit sein, die Diskussionen, die seit Monaten hin und her wogen, bieten aber genügend Anlass für grundsätzliche Überlegungen.Seilbahnquerung im Schutzgebiet

Zentraler Streitpunkt ist der Umstand, dass die geplante Seilbahnverbindung ein Ruhegebiet (spezielle Form des Natur- und Landschaftsschutzes) überqueren würde und zwei Stützen im Ruhegebiet errichtet werden müssten. Vor dem Hintergrund der Einbringung öffentlicher Mittel kommen dazu aber auch Fragen der Wirtschaftlichkeit auf der betrieblichen Ebene sowie der ökonomischen Effekte in den betroffenen Kommunen bzw. Regionen.

Politischer Zündstoff
Für die Grünen in der Tiroler Landesregierung sowie für die berg- und naturnahen NGO’s ist der Brückenschlag ein absolutes No-Go, für die Befürworter hingegen ein minimaler Eingriff in die Natur und der letzte Rettungsanker für den Tourismus. Die schwarz-grüne Landesregierung ist gespalten, die stimmenstärkste Partei in sich offenbar auch.

Letzteres könnte u.a. auch damit zusammenhängen, dass zumindest zwei Unterschriftenaktionen der Befürworter wegen Erfolglosigkeit zurückgezogen wurden, wogegen die Ablehnungsfront eine Unterschrift nach der anderen auf ihrem Konto verbuchen kann Die Gegner sind gut organisiert, die Befürworter haben das Problem, dass sie mit ihrer Pro-Kampagne seit Monaten kaum vom Fleck kommen und ihre Öffentlichkeitsarbeit monoton und plump wirkt.

Die Meinung der Bevölkerung
Eine von der Wirtschaftskammer lancierte und dann gleich wieder zurückgezogene Befragung soll 70 % Gegnerschaft erbracht haben. Eine Umfrage der Tiroler Bezirksblätter in den betroffenen Gemeinden hat ergeben, dass über 60 % der Bevölkerung den Brückenschlag ablehnen. Weiters wurde eine von den Befürworten initiierte und im Internet über AVAAZ Bürgerpetitionen laufende Unterschriftenaktion bei ca. 1.250 Unterzeichnern abgesetzt, just zu dem Zeitpunkt, als die Gegner auf die 20.000 Unterschriften zusteuerten (zusammen mit den analogen Listen sollen es inzwischen 25.000 sein).

Angesichts dieser Diskrepanzen und der z.T. untergriffig geführten Streitgespräche tun sich für den kritischen Beobachter eine Reihe von Fragen auf, wie z.B.:

Fragen an die Befürworter
Warum kommt eine Destination, die einmal eine Vorzeigeregion war, die das größte Ganzjahresskigebiet Österreichs beherbergt und die die besten Voraussetzungen für eine exzellente Wanderdestination hätte, touristisch nicht vom Fleck?

Warum haben es die Verantwortlichen in dieser Region – etwa im Gegensatz zum Kaunertal, zum Pitztal, zum Ötztal, zum Achenseegebiet, zum Zillertal, zu Osttirol etc.- bis heute nicht verstanden, aus den sie umgebenden Schutzgebieten ein attraktives touristisches Produkt zu kreiieren und damit Wertschöpfung zu erzielen?

Was kann das Innsbrucker Mittelgebirge als durch und durch urban geprägte Region im Tiroler Zentralraum für eine touristische Zukunft erwarten? Wie könnte die künftige touristische Positionierung aussehen und wer würde bzw. sollte hier in den Tourismus investieren?

Wer glaubt ernsthaft, dass der Brückenschlag, der keinen zusätzlichen Höhenmeter und keinen zusätzlichen Pistenmeter bringt, die Skiläufer im Tiroler Zentralraum davon abhalten kann, weiterhin nach Serfaus-Fiss-Ladis, nach Obergurgl Hochgurgl, ins Zillertal, in die Skiwelt Wilder Kaiser oder sonstwohin zum Skilaufen zu fahren? Die skibegeisterten Tirolerinnen und Tiroler sind vielfach Inhaber des Freizeittickets Tirol oder der Tirol Regio Card oder der Tirol Snow Card und in Bezug auf Skigebietsbesuche daher beweglich wie die Vögel am Himmel.

Warum liegt im Hinblick auf die Auswirkungen dieses Projekts bis heute keine griffige Studie vor, in der konkret nachgewiesen wird, was der Brückenschlag für die betroffenen Gemeinden an regionalwirtschaftlichen Effekten bringt? Wenn ausreichend positive Wirkungen aufgezeigt werden können, könnte wohl der eine oder andere Anhänger der Ablehnungsfront vom Brückenschlag überzeugt werden. Aber das ist harte Arbeit, erfordert ein objektives Vorgehen und das Ergebnis könnte trotz aller Recherchen und Berechnungen die eine oder andere Überraschung beinhalten.

Fragen an die Gegner
Kritische Fragen richten sich aber auch an die Gegnerschaft: Warum müssen Schutzgebiete ein für allemal tabu sein? Warum diese Dogmatik? Ist die Alpenkonvention wirklich ein Korsett, das auch nicht den Bruchteil eines Millimeters Spielraum lässt? Warum hat man nicht den Mut, 20, 30, 40 oder mehr Jahre bestehende Schutzgebiete nach objektiven, der heutigen Zeit angemessenen Kriterien zu evaluieren? Möglicherweise wäre dann die eine oder andere Nachbesserung angebracht – nicht nur im Sinne der Wirtschaft, sondern vor allem auch im Sinne des Natur- und Landschaftsschutzes selbst.

28. November 2014, 11:28

Danke Peter,
für diese verbale Wohltat!
Bevor man die Schutzgebiete evaluiert, sollte man die zuständige Lokalpolitik evaluieren, die seit mehr als 30 Jahre nichts anderes zusammenbringt als auf die Schutzgebiete zu schimpfen. Und dies, obwohl bereits seit 20 Jahren immer wieder konstruktive Vorschläge für einen Naturpark Stubaier Alpen in den Gemeindestuben auf den Tisch gelegt wurden.

2. Dezember 2014, 23:22

Da kommt Freude auf! In meinem Beitrag „Tiroler (Un)Wort des Jahres“ habe ich vor einigen Tagen sowohl an die Befürworter als auch an die Gegner des Brückenschlags, der geplanten Seilbahnverbindung über das Ruhegebiet Kalkkögel, einige Fragen grundsätzlicher Art gestellt. Eine Frage betraf die zu erwartenden regionalwirtschaftlichen Effekte des Brückenschlags, eine weitere das Naturparkmanagement für die Ruhegebiete in den Stubaier Alpen und eine dritte die Evaluierung von Schutzgebieten sowie die daraus resultierenden Nachbesserungen.

In den wenigen Tagen seither hat sich Folgendes ereignet: Die Studie über die zu erwartenden regionalwirtschaftlichen Effekte des Brückenschlags wurde gestern in Auftrag gegeben. Heute hat die Tiroler Landesregierung die Errichtung eines Naturparks Stubaier Alpen beschlossen, und ebenfalls heute hat die Tiroler Landesregierung der Abänderung der Grenzen des Ruhegebietes inklusive Grundtausch im Bereich der Stubaier Gletscherbahn zugestimmt. Damit hat das Seilbahnunternehmen nun die Möglichkeit, eine windsichere 3S Zubringerbahn zu bauen und die Logistik im Bereich der Talstation so zu optimieren, dass nicht nur der Komfort für die Gäste maßgeblich erhöht wird, sondern auch die ökologische Bilanz eine Ver-besserung erfährt.

Es ist doch spannend, wie sich die Dinge oft ergeben! Zwar besteht zwischen meinem Beitrag und der Umsetzung der genannten Maßnahmen kein ursächlicher Zusammenhang, aber in der Luft ist die Sache offenbar gelegen. Das führt dazu, dass das Denken bzw. das Handeln völlig unterschiedlicher Akteure häufig genau in die gleiche Richtung zielt.

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