Multikulti ist nicht immer lustig
Wie sehr muß sich ein Gast (natürlich auch wir selbst, wenn wir verreisen) an die Kultur des Gastgeberlandes anpassen? Wie sehr müssen sich die Gastgeber an die Kultur der Gäste anpassen? Diese Fragen werden im Zusammenhang mit der vielerseits geforderten „Internationalisierung“ brennend, wie das Beispiel Zell am See / Kaprun mit der Broschüre „Where cultures meet“ (in Englisch und Arabisch) nur zu deutlich zeigt. An sich Informationen zu Verhaltensempfehlungen, die jeder von uns aus aus Reiseführern kennt. Aber der Unterschied ist „push or pull“, denn offensichtlich ist es der „Zeigefinger“, der die bitteren Reaktionen ausgelöst hat.
Nachhaltigkeit fordert auch, dass Tourismus sozial verträglich sein soll. Wenn TVBs im Bemühen nach Internationalisierung Vertreter ungewohnter Kulturen in die Destination ziehen, dann wird dem wohl oder übel eine Strategie zugrunde legen müssen, die vorab geklärt hat, ob und mit welchen Kulturen man sich überhaupt auseinandersetzen will – und ob diese auch zusammenpassen. Und das geht weit über mehrsprachige Speisenkarten hinaus. Beispiele in Alta Badia zeigen zum Beispiel, dass in Hotels sogar innereuropäische Gästekonflikte entstehen können, wenn ein Gästeanteil erhebliche Anteile erreicht (in diesem Fall Italiener im Verhältnis zu deutschsprachigen Gästen). Da reden wir noch nicht über Araber, Inder und Chinesen. Ein Blick über die Grenze in die Schweiz ist auch hilfreich, wenn es darum geht, einem „cultural clash“ zu vermeiden.
Internationalisierung muß also wohl überlegt und destinationsintern abgestimmt sein, oder?
Danke für diesen Impuls! Das Thema „Gäste aus fremden Kulturen“ ist gerade für unsere kleinen Betriebe ein sehr spannendes Thema. Auslöser sind in erster Linie Online-Buchungen. Wir hatten im Vorjahr Online-Buchungen aus 76 Ländern und (teilweise kleine) Häuser mit Gästen aus über 25 Ländern! Das hat es früher nicht gegeben.
Wir haben uns in der letzten Ausgabe unserer Mitgliederzeitschrift SUNNSEITN (schicken wir auf Wunsch gerne kostenlos zu) mit dem Thema „Fremde Gäste“ beschäftigt. Interessante Erfahrungen! wir konnten von keinem Verband (von Zell/See bis zu ÖW) auch nur ein Bild einer verschleierten Frau bekommen. Irgendwie seltsam – diese Gäste sind zwar da, werden aber offiziell nicht fotografiert. Es war auch nicht möglich, schriftliche Hinweise auf mögliche (und in der Praxis anscheinend regelmässig vorkommende) Problemfelder zu bekommen. Hier besteht noch viel Informations- und Diskussionsbedarf und wir stellen fest, es ist ein höchst delikates Thema! (Gratulation an die Verantwortlichen in Zell/See zu ihrem Mut zur Verhaltens-Broschüre“). Tatsache ist aber auch, diese Gäste sind da, es gefällt ihnen bei uns (auch auf den Bauernhöfen) und durch die Online-Buchbarkeit hat der Betrieb auch keine Wahlmöglichkeit. Im Gegenteil: ein Tiroler Vermieter erzählt mir, dass seine Seite auf booking.com nach einer bestimmten Zahl von China-Buchungen (5 oder 10) automatisch auf Chinesisch übersetzt wird. Dann geht es richtig los.
PS. damit wir nicht (auch) missverstanden werden: unsere Mitglieder sehen unsere „exotischen Gäste“ als Bereicherung mit vielen interessanten Erfahrungen. Als Verband müssen wir das Thema aktiv angehen und die Vermieter entsprechend vorbereiten.
Zwischen 2002 und 2008 hatten wir 2 größere Familienclans und einige Familien aus dem arabischen Raum im Sommer zu Gast. ( Saudi Arabien, Dubai, Abu Dabi, Katar ) Dies waren alles sehr gute Gäste mit hoher Bildung und guten Benehmen. Von solchen Gästen könnten manche Gäste aus Industriestaaten was lernen. Sie waren sehr an Wasser, Seen, Wasserkraftwerken, Schnee und Gletscher interressiert.
Was Sie nicht interressierte war saufen und Radau schlagen sowie Gratis- und Billigangebote! Leider kamen ab 2009 keine solchen Gäste mehr zu uns. Offenbar hatten dann Tourismusverbände und Reisebüros und Internetplattformen diese Gäste uns Vermietern abgefangen.
Der oben beschriebene Tiroler Vermieter tut mir leid. Aber nicht wegen den Chinesischen Gästen. Sondern wegen den hohen Provisionszahlungen an booking com. Hoffentlich kann er noch einige Baugründe verkaufen um pünktlich seine Provisionen an booking com abzuliefern.
Die Begegnung mit Fremd- und Andersartigem hat schon etwas Spannendes an sich. Auch wir durften vor kurzem erstmalig bei uns in Rattenberg/Tirol (kleinste Stadt Österreichs) erstmalig eine Gästefamilie aus Kuwait in unserem Ferienapartment willkommen heißen. Das Gemurmel links und rechts unseres Hauseingangs (offene Gästeterrassen von 2 Cafes/Gasthäusern) und die ziemlich erstaunten Blicke waren unüberhör- und -sehbabar, als eine total verhüllte Frau dem Taxi entstieg. 2 verängstigte kleine Kinder kuschelten sich instinktiv und schutzsuchend ganz eng an ihre Mamis, als diese ungewohnte verhüllte Person nebst ihren Kindern und ihrem Ehegatten den Taxler bezahlte.
„Ja sein denn jetzt die Perchten schon im August um die Wege ?“, hörte ich einen Einheimischen raunzen. Fazit des einwöchigen Aufenthalts dieser Exoten in unserem mittelalterlichen Gemäuer: außergewöhnlich angenehme Gäste mit Kindern, die sich genauso wie die unseren sofort auf englisch nach dem Passwort für unser WLAN erkundigten, tiptop hinterlassenes Apartment, sogar offenkundig „abfalltrennfähiger“ als so manche unserer europäischen Gäste. Was wir das nächste Mal sicherlich noch besser beachten werden: die gekühlte Flasche österreichischen Weißweins als übliches „Welcome“ für unsere Gäste hätten wir mit einer Flasche Mineralwasser tauschen sollen und das
gemalte Bild einer sitzenden nackten Frau von hinten im Schlafzimmer der Eltern werden wir das nächste Mal einfühlsamer mit einem alpinen Landschaftsmotiv austauschen. Aber eins sei auch zugegeben: einem Menschen im Gespräch nicht in die Augen zu schauen und ihm (richtiger „ihr“) nicht instinktiv die Hand zur Begrüßung auszustrecken, war und ist gewöhnungsbedürftig. Aber „andere Länder andere Sitten“ war es für uns Kinder vor 40-50 Jahren auch, im Nachbarland Italien keine „normale“ Sitztoilette anzutreffen. Andererseits habe ich großes Verständnis für eine Kellnerin, die sich angesichts 20 verhüllter
Ladies im Lokal überfordert fühlt (Welche Dame hat nun was bestellt ? Welche von den 20 ident aussehenden Damen bekommt nun das Wechselgeld oder die Kreditkarte zurück ?). Fakt ist: die globalisierte Welt ist kleiner geworden. Umso großzügiger und offener muss unser eigenes Denken gegenüber Andersartigem(n) werden. „Mir san mir“, ist jedenfalls auch für uns Älpler keine zukunftsträchtige Marketingphilosophie.
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