Jedem Dorf sein Schwimmbad…?
Interkommunale Zusammenarbeit bei Freizeitinfrastrukturen ist für viele ein leidiges Thema und gemeinsame Freizeitinfrastrukturen mit den Nachbargemeinden nur schwer vorstellbar. Wir werden aber nicht darum herumkommen, uns damit auseinanderzusetzen und nach geeigneten Lösungen zu suchen…
Seit den 1960er Jahren gab es mehrere Boomphasen bei der Infrastruktur: In den 60ern baute man Freibäder, in den 70ern Hallenbäder, in den 80ern Tennishallen und Veranstaltungszentren und in den 90ern Erlebnisbäder. Der Nachbar machte es schließlich auch so! Erhaltung, Betrieb und den jährlichen Abgang tragen heute die Gemeinde und / oder der Tourismusverband. Weil man halt muss … Aber muss „man“ wirklich? Wer erwartet sich in jedem Dorf ein Schwimmbad? Wer schätzt es? Sind es die Einheimischen? Die Gäste?
Fakt ist: Realistisch betrachtet kann heute kaum eine Gemeinde sämtliche für die Befriedigung der Bedürfnisse von Einheimischen und Gästen benötigten Freizeitinfrastrukturen selbst betreiben. Das bestätigt auch Ernst Schöpf, Bürgermeister der Tourismushochburg Sölden und Präsident des Tiroler Gemeindeverbandes, mit dem ich kürzlich ein Gespräch zu diesem Thema führen konnte: „Die Zeiten, in denen sich jede Gemeinde alles leisten konnte, sind definitiv vorbei“. Statt Kirchturmdenken ist gemeindeübergreifendes Denken angesagt. Was in vielen anderen Bereichen bereits Realität ist, muss auch im Tourismus Einzug halten. Ziel sollte es dabei nicht nur sein in der eigenen Gemeinde Geld zu sparen, sondern vor allem dem Nutzer ein hochwertiges und wettbewerbsfähiges Produkt anzubieten. Mehrere Gemeinden zusammen sind eher in der Lage, eine ansprechende Freizeit-Oase zu bauen und langfristig zu erhalten als eine allein. Gemeinsam tragen sie nicht nur die Last leichter, sondern sie profitieren auch alle davon.
Bewusst gestaltete und planerisch abgestimmte Beispiele sind noch selten. Dabei stellen organisatorische Basisstrukturen wie regionalen Tourismus- und Planungsverbände Institutionen dar, die eine regionale Sichtweise in Bezug auf Freizeitinfrastrukturen vertreten müssten. Im Übrigen bietet die abgestimmte regionale Verteilung der Freizeiteinrichtungen große Chancen, um Orte und Teilräume zu positionieren, kleine Gemeinden zu stärken und Besucherströme zu lenken. Leider sehen das noch nicht alle so – das wird besonders dann deutlich, wenn Standortfragen nach der Stärke der politischen Macht oder der Größe des touristischen Ortsbudgets entschieden werden und nicht nach der sinnvollen räumlichen Zuordnung.
Ein Vorgehen gegen das weit verbreitete Kirchturmdenken erfordert wohl ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Ein Aspekt können finanzielle Anreize sein. Aus diesem Bewusstsein heraus hat beispielsweise das Land Vorarlberg ein geschicktes System entwickelt, nach dem gemeindeübergreifende Projekte deutlich höher gefördert werden als solche, die nur eine Gemeinde betreffen. Eine tolle Initiative, wie ich finde. Die anderen Bundesländer sollten hier nachziehen und nach Wegen suchen, um die interkommunale Zusammenarbeit auch im Bereich der Freizeitinfrastruktur zu forcieren und die massiv durch Infrastruktur belasteten Gemeinden sich nicht scheuen, sich mit den Nachbarn an den Tisch zu setzen. So weh es tut, sich von seinem Schwimmbad oder Dorflift zu trennen: Dadurch werden Mittel für Neues frei. Nur gemeindeübergreifendes Denken und Handeln führt – da bin ich ganz sicher – langfristig zum Erfolg.
Da ist es wirklich nicht einfach den Spagat zu finden: Einerseits ist gerade im Sommer die Infrastruktur bedeutungsvoll, weil es da doch einige Defizite gegenüber den Sonnendestinationen auszugleichen gilt. Andererseits sind die beträchtlichen Infrastrukturkosten kaum mehr bewältigbar. Eine Planung der Freizeiteinrichtungen auf Destinations- und nicht auf Gemeindeebene ist da wohl unvermeidlich und wird durch das Diktat der leeren Kassen erzwungen.
Wie es aber auch anders gehen kann zeigt etwa das Ötztal. Da wird im oberen Ötztal der Wintersport weiterentwickelt, während im unteren Talbereich das Thema Therme und aktives Bergerlebnis forciert wird.
So zeigt sich wieder einmal mehr, dass „knappe“ Zeiten auch sehr viel Gutes an sich haben. Knappheit regt zum Denken an, Knappheit macht kreativ, Knappheit hilft, Vernunftlösungen
leichter zu realisieren, belastenden Balast und Fett abzubauen. Darf ich nur an das Thema „Feuerwehr-Infrastrukturen“ erinnern. Beispiel gefällig ? Im Umkreis von 1,5 km von der Pfarrkirche
von Rattenberg stehen vier neue Feuerwehrhäuser: Brixlegg, Kramsach, Rattenberg, Radfeld. Der absolute ökonomische Wahnsinn !!
Bin gespannt, wie lange es im Land Tirol noch dauert, bis eine Landesregierung den Mut aufbringen wird, hier Zeichen der Vernunft und Intelligenz abseits von parteipolitischen Opportunismus
zu setzen. Ernst Schöpf als neuem Gemeindeverbandspräsidenten traue ich diesbezüglich noch die eine oder andere Überraschung zu.
Im Freizeit- und Tourismusbereich stellen sich die Fragen ganz ähnlich. Diesbezüglich waren und sind die TVB-Fusionierungen jedenfalls eine richtige und wichtige Strukturbereinigung und
Voraussetzung für hinkünftig kluge regionale Infrastrukturlösungen. Knappe Kassen drängt Egoismen und Kirchturm-Dilenttantismus wirkungsvoll zurück, auch im Tourismus.
Wo beginnen alle positiven Veränderungen: im Kreativraum zwischen den 2 Ohren, Hirn genannt !
Die Rezeptur für schlaue Lösungen: Hirnschmalz und knappe Finanzen !!
Liebe Grüsse !
Berni Jochum
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