Industrielobby gegen Tourismus?
Dass die Industrie(llenvereinigung) vor einer Ent-Industrialisierung Europas warnt, lesen wir in den Printmedien. Verständlich. Ich habe aber in den letzten Monaten Signale vernommen, die touristische Warnlampen zum Blinken bringen sollten. In Gesprächen mit Industriellen wird mir gegenüber Klartext gesprochen, dass die IV ihr Lobbying auch darauf konzentriert, Fördergelder vom Tourismus abzuziehen. Der Grund sei eben die Stärkung der Industrie (siehe Gefahr der Ent-Industrialisierung) und die volkswirtschaftliche Tatsache der höheren Wertschöpfung gegenüber touristischen Betrieben. So die Argumente. Vielleicht sollte die ÖHV einen kritischen Blick auf schleichende Umschichtungen in den Förderbudgets in den einzelnen Bundesländern werfen, da die Wirtschaftskammer auf Grund des Interessensausgleiches wohl eher nicht „Vorsicht!“ rufen wird?
Es geht aber nicht nur um Fördergelder. Die IV lobbyiert, dass die Mehrwertsteuer auf Logis auf 22 % erhöht und die Tourismusabgaben gestrichen werden….
Wenn ein neidvoller Blick auf Fördergelder geworfen wird, bieten sich andere Branchen noch viel mehr an: Während der Tourismus in der vergangenen Programmplanungsperiode rund EUR 60 Mio. aus EU-Fördertöpfen lukrieren konnte, wurden im selben Zeitraum an die Landwirtschaft unglaubliche EUR 4.000 Mio. ausgeschüttet. Dieses Missverhältnis wird umso deutlicher wenn man auch noch den volkswirtschaftlichen Beitrag der jeweiligen Branche ins Treffen führt.
Es geht aber nicht nur darum Branchen gegeneinander auszuspielen, aber doch alle Vorteile aufzuzählen, die einzelne Teile der Volkswirtschaft erhalten, wie beispielsweise auch Vorteile bei Großabnehmer-Tarifen für den Energiehunger der Industrie, der ja immer mit geringeren Umweltstandards im Ausland begründet wird oder durch Emissionen verursachte Kosten, die die Allgemeinheit zu tragen hat.
Danke, Dr. Hartl, Branchen nicht gegeneinander auszuspielen wäre wirklich wichtig! Wenn ich Sie richtig verstehe, geht die Botschaft an die IV: Schluss mit IV-Forderungen, die anderen schaden – 22% MwSt. auf Logis und 5% für Nahrungsmittelindustrie, Streichung der Fremdenverkehrsabgabe und der Zweiwohnsitzabgabe?
Als unternehmerischer „Zwerg“ in der Tourismusbranche muss ich leider feststellen, dass die Förderungen ohnhin so ausgerichtet sind, dass die meiner Meinung nach zu 90% als Bankenförderunen anzusehen sind.
Kleine Betriebe, die Schritt für Schritt investieren und das mit 90% Eigenkapital aus dem Cashflow bekommen die wenigsten und oft gar keine Förderungen, weil sie durch den Rost fallen.
Außerdem hat der ehemalige Präsident der IV mal einen tollen Ausspruch getätigt, sinngemäß meinte er: Ein Jahr lang das Parlament keine blöden Gesetze mehr beschließen lassen, dass wäre die beste und effizienteste Wirtschaftsförderung.
… zu oben – man verzeihe mir meine tippfehler – ich seh sie leider immer erst nach dem „absenden“ …
(vielleicht könnte man ein tool einrichten, um seine kommentare nachträglich zu korrigieren???) DANKE
Lieber Manfred, ich habe bereits am 29.11.2012 in diesem Blog „Vorsicht!“ gerufen und das Thema MWSt gepostet. Der alte Hut (sic!) mit der „Kammer und dem Interessenausgleich“ ist Schnee von Vorgestern. Das hat uns als Tourismussparte nicht aufgehalten, die Auflösungsabgabe trotz Regierungsbeschluss für unsere Tourismusbetriebe weitgehendst zu entschärfen oder die Steuerfreiheit für Personalzimmer in der Hotellerie sicher zu stellen. Mutig genug?
Oder soll hier wirklich das Märchen verbreitet werden, wir müssten die Industrie oder irgendein Bundesland fragen, was wir sagen oder machen dürfen?
Aber eines nur für die Cheflobbyisten unter uns: Wer allzu laut die vielen Nachteile der Hotellerie gegenüber der Industrie positioniert, der tritt aber auch das breit, was das eigene Lobbying ja eigentlich hätte verhindern sollen. Und das kann die eigene Position auch schwächen…
Wir können diesem Fördersumpf nur beistimmen, denn als KMU kämpfen wir seit einem Jahr um eine Förderung für eine Biomasse Heizungsanlage. Unter 400kwH kann man erst nach Fertigstellung der Baumassnahmen ansuchen!? Es gibt keinerlei Garantie für die Förderung lediglich die großen – sprich Landwirschaftliche Fernwärmen oder große Unternehmen sahnen hier köstlich ab, die kleinen bekommen ein Dankschreiben vom Herrn Minister Berlakowitsch – Förderung gibt es für die kleinen nicht. Hier herrscht ein unglaubliches Ungleichgewicht welches von allen Politikern (Lobbying macht es möglich) toleriert wird. Die Politik hat in meinen Augen sämtliche Richtlinen an Ethik und Moral verloren, es geht schaut hier jeder nur mehr auf seinen eigene Tasche und das ist mehr als schade, denn es sind die KMU die volle Steuern zahlen und keine Begünstigungen wie die großen Industrie oder Landwirtschaftsbetriebe erhalten.
Nicht einmal die WKO zeigt einen Funken an Intersse und daraus schließt man wir „faul“ im doppelten Sinne die Politik geworden ist!
Das mit der Mehrwertsteuer-Erhöhung auf Logis kann wohl kein Politiker in Österreich wollen. Die Deutschen haben erst vor kurzem ihre Logis-Mehrwertsteuersätze gesenkt! …
In Ergänzung zu den bisherigen Kommentaren sei auf die allgemein bekannte Tatsache hingewiesen, wonach der Tourismus, und damit die Ferienhotellerie und die Freizeitinfrastrukturen, genau in jenen Räumen zur wirtschaftlichen Belebung und zur Sicherung der Siedlungsräume beitragen, die als Industriestandorte nicht in Frage kommen. Der Tourismus ist somit ein zentraler Partner, wenn es darum geht, ein wichtiges gesellschaftspolitisches Ziel zu erreichen, nämlich die Erhaltung und Weiterentwicklung funktionierender ländlicher Räume.
Vermutlich gibt es beim Lobbying für den Tourismus einiges zu verbessern in Richtung Effizienz und Effektivität. Allerdings ist der Tourismus hier aufgrund seiner überwiegend klein- und mittelbetrieblichen Struktur und seiner Zentrumsferne gegenüber der Industrie im Nachteil.
Im Kleinen scheinen die Dinge durchaus zu funktionieren, beispielsweise im Bereich der LEADER- und INTERREG-Programme der EU. Hier geht es zwar weniger um Lobbying als vielmehr um das Begründen und Abholen von Fördermitteln. Und dabei zeigt sich, dass der Tourismus gegenüber anderen, potentiellen Förderwerbern immer wieder die Nase vorne hat. Er ist auf der kleinregionalen Ebene vergleichsweise gut organisiert und die Tourismusorganisationen sind in der Lage, dank der Einnahmen aus der Aufenthaltsabgabe und der Tourismusabgabe die notwendigen Eigenmittel für die zu fördernden Projekte aufzubringen. Und in vielen Fällen profitiert davon die gesamte Bevölkerung, einschließlich der Auspendler in die Industriebetriebe.
Was die Tourismusabgabe anbelangt, so seien die Industriebetriebe daran erinnert, dass sie nur für jenen Teil ihres Umsatzes Tourismusabgabe leisten, der nicht in den Export geht und das auch nur an Standorten, die als Tourismusgebiete ausgewiesen sind bzw. sich selbst als solche deklarieren.
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