Freizeitinfrastruktur und Verlust an Gästebetten
Die Schere zwischen der Zahl der Gästebetten und dem Angebot an freizeittouristischer Infrastruktur klafft vielerorts immer weiter auseinander, da Gästebetten wegbrechen und die freizeittouristische Infrastrukturen, aber auch das Volumen von Gastronomie und Einzelhandel nach wie vor auf mehr Gästebetten ausgelegt ist. Ein aktueller Bericht zu dieser Thematik über das Salzkammergut bzw. den Wolfgangsee, steht beispielhaft für zahlreiche Regionen im Alpenraum.
Längerfristige Entwicklung mit mehreren Ursachen
Diese Entwicklung, insbesondere die Ausfälle in niedrigen Kategorien und bei Privatquartieren ist seit Jahren zu beobachten. Mancherorts gehen die Verluste zusätzlich einher mit einer sinkenden Auslastung der verbliebenen Gästebetten. Dazu kommt, dass die gehobene Hotellerie dem Gast vielfach ein Rundum-Angebot offeriert, nicht zuletzt mit dem Ziel, möglichst viel Wertschöpfung im eigenen Haus zu generieren. Die Effekte sind unverkennbar: Weniger Besucher in der Gastronomie, weniger Kunden im Einzelhandel und weniger Frequenzen durch Nächtigungsgäste bei den Freizeitinfrastrukturen.
Die nähere Betrachtung zeigt, dass für den Rückgang mehrere Gründe verantwortlich sind, die sich – mit teils unterschiedlicher Gewichtung – quer durch die betroffenen Regionen hindurch ziehen. Sie reichen vom allgemein zu beobachtenden Ausfall von Gästebetten in den genannten Segmenten bis hin zur Tatsache, dass sich in betroffenen Regionen bei der touristischen Infrastruktur seit Jahren nichts oder nur wenig bewegt hat, wodurch Impulse für die Modernisierung und Neuansiedlung von Beherbergungsbetrieben fehlen.
Mögliche Strategien in Destinationen
Um dort, wo Verbesserungen grundsätzlich möglich und gewollt sind, den ersehnten Wandel herbeizuführen, ist daher wohl an mehreren Stellschrauben zu drehen, nämlich
- Steigerung der Attraktivität der touristischen Infrastruktur,
- Motivation zur Modernisierung und zum Neubau von Beherbergungskapazität,
- professionelle Vermarktung und moderner Vertrieb.
Hier nun mögliche Strategien, deren Anwendung je nach Situation und Rahmenbedingung individuell zu beurteilen ist.
Direkte Verknüpfung von Infrastruktur und Beherbergung: Touristische Infrastrukturbetriebe investieren selbst in die Beherbergung, wie dies beispielsweise bei Bergbahnen und Thermen gang und gäbe ist.
Die Bewerbung von Tagesgästen, die insbesondere für jene Orte und Regionen Sinn macht, die von städtischen Agglomerationen aus leicht zu erreichen sind.
Die Erhöhung der Auslastung der Gästebetten: Ob, wie und in welchem Umfang dies gelingt, hängt zu einem wesentlichen Teil von den Ursachen ab, die für die Auslastungsrückgänge verantwortlich sind.
Steigerung der Attraktivität der touristischen Infrastruktur: Modernisierung, Weiterentwicklung und Steigerung der Attraktivität der Infrastruktur können wieder Schwung in die Destination bringen. Entwicklungsmöglichkeit und Impulsfunktion sind jedoch abhängig von den räumlichen – und im Fall von Wintersporteinrichtungen auch von den klimatischen – Gegebenheiten. Zudem erfordert dieser Weg ausreichende finanzielle Mittel, und oft ist dafür die finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand unerlässlich.
Repositionierung: Nutzung des Bestandes bei bewusster Anpassung der bisherigen Positionierung an die geänderten Gegebenheiten. Das kann eine spezifische Nische sein, die auf die bestehende Infrastruktur abgestimmt ist und die auf spezifische Ansprüche fokussiert wie z.B. Familien mit Kindern, Gemütlichkeit, Nostalgie, etc.
Teilweiser Rückbau bis hin zum Ausstieg: Da die Schere zwischen der Zahl der Gästebetten und dem Bestand an Infrastruktur sich gerne dort auftut, wo die Bevölkerung dank alternativer Erwerbsmöglichkeiten (z.B. Gewerbeansiedlung, Nähe zu städtischen Agglomerationen) berufliche Perspektiven außerhalb des Tourismus vorfindet, ist natürlich auch die weitere Extensivierung bzw. der Ausstieg aus dem Tourismus eine ernsthaft zu diskutierende Strategie – wobei die freizeittouristischen Infrastrukturen in solchen Regionen den Vorteil haben, dass sie im Aktionsradius der Tagesgäste aus den Städten liegen.
Kein Patentrezept
Ein Allgemeinrezept für den Umgang mit der sich zunehmend öffnenden Schere zwischen Bettenkapazität und Infrastrukturangebot gibt es nicht. Die Marschrichtung nach vorne, also hin zu einer attraktiveren Infrastruktur und zu mehr Betten kann erfolgversprechend sein, es kann aber ebenso Sinn machen, mit herkömmlichen Mustern zu brechen und einen (ganz) anderen Weg einzuschlagen.
Die Frage, wie sich die Zukunft der freizeittouristischen Infrastrukturen gestalten wird, zählt wohl zu den wichtigsten im österreichischen Tourismus. Traditionell von der öffentlichen Hand (mit)finanziert und von den Gemeinden betrieben, stellen sie strukturell eine „Altlast“ dar, deren Sanierung (nicht nur im baulichen Sinne) dringend ansteht. Neben den angeschnittenen Lösungsansätzen scheint mir hier die Diskussion der Regionaliserung der Infrastrukturen besonders bedeutend. Sie scheitert vielfach an der sturen Haltung von Gemeinden, die zwar nicht über die erforderlichen Finanzen verfügen, wohl aber einen Anspruch auf „ihre“ Freizeiteinrichtungen erheben. Regionalisierung in diesem Zusammenhang bedeutet aber auch, neben den Gemeinde- auch die Destinations- und (unter Umständen) sogar die Bundesländergrenzen zu überschreiten. Hier scheitert es häufig an den Ländern, die ihre verbliebenen Restkompetenzen auf dem Gebiet des Tourismus und der Raumordnung mit Zähnen und Klauen verteidigen. Ob die im Zuge der österreichischen Tourismusstrategie geänderte Förderpyramide, die eine verstärkte Zusammenarbeit der Länder unterstützt, hier einiges zum Besseren wenden kann, wird sich weisen. Ein behutsamer, aber konsequenter Rückbau veralteter kommunaler Freizeiteinrichtungen scheint mir jedoch – schon aus Gründen der Ressourcenschonung – unumgänglich!
Danke Ulrike Reisner für die wichtige Ergänzung. Überlegungen in Richtung Regionalität sind in den aufgelisteten Strategien zwar implizit enthalten, es ist aber in jedem Fall wichtig, diese dezidiert zu nennen.
Regionales Denken und Handeln greift Schritt für Schritt um sich, wenn auch nicht überall im gleichen Tempo und in derselben Form. Zu den Gründen für das Voranschreiten zählen nach unserer Erfahrung
-> der auf den Gemeinden lastende finanzielle Druck,
-> die Steuerungsmaßnahmen seitens der Länder, etwa über Genehmigungen und Förderungen, die an gemeindeübergreifende Projekte gebunden sind,
-> neue bzw. junge Entscheidungsträger, die dank ihrer Ausbildung und ihres beruflichen Werdegangs einen anderen Zugang zur Bewältigung dieser Herausforderungen haben.
Beispiele dafür sind quer durch Österreich zu finden, ist doch der Wunsch nach regional abgestimmter Entwicklung und Investition vielerorts gegeben. Eines ist der vor kurzem vorgestellte Strategieplan Zillertal, den der Planungsverband Zillertal initiiert hat. Dem Verband gehören alle Gemeinden der Region an und er ist räumlich deckungsgleich mit der Zillertal Tourismus GmbH. Diese Dachstrategie, die im Rahmen eines talweiten Beteiligungsprozesses entstanden ist und die in einem ersten Schritt alle raumwirksamen Themen einschließlich des Tourismus mit einschließt, haben die Bürgermeister aller 25 Gemeinden unterzeichnet.
Im Hinblick auf die Weiterentwicklung von Infrastruktureinrichtungen, seien es nun allgemeine oder freizeittouristische, sind im Strategieplan Zillertal u.a. folgende Leitmaßnahmen definiert:
-> Geschäftsordnung für die talweit vernetzte Raumordnung.
-> Integration der Ergebnisse der Strategieplans in die örtlichen Raumordnungskonzepte.
-> Regionsweit tätiger Gestaltungsbeirat zur Beurteilung von Projekten im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf Landschaft, Ortsbild und Verkehr.
-> Regionale Abstimmung bei der Neuerrichtung sowie der wesentlichen Erweiterung talweit bedeutsamer Freizeitinfrastrukturen.
Daneben hat die enge Zusammenarbeit benachbarter Gemeinden schon Tradition bzw. entwickelt sich Schritt für Schritt in die richtige Richtung. Ein, wenn auch nicht aus dem Freizeitbereich stammendes Beispiel könnte über die Grenzen des Zillertals hinaus Signalwirkung besitzen: Die vier Gemeinden Zell am Ziller, Zellberg, Rohrberg und Gerlosberg haben gemeinsam nur eine Feuerwehr, und das in einem ausgeprägten Streusiedlungsgebiet. Möglicherweise ist bei dieser Lösung der sprichwörtliche Zillertaler Geschäftssinn Pate gestanden.
Wie bereits erwähnt sind auch andernorts und quer durch Österreich ähnliche positive Entwicklungen zu beobachten, Entwicklungen, die Mut machen. Dennoch bestehen nach wie vor genügend Kirchtürme, und es ist wohl davon auszugehen, dass nicht wenige davon ein ausgeprägtes Beharrungsvermögen besitzen.
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