Sportklettern und (Winter)Tourismus
Die Wintersaison 2024/2025 ist bisher sehr gut verlaufen. Perfekt präparierte Skipisten und die immer breitere Palette ergänzender Angebote haben dazu maßgeblich beigetragen. Naturschnee ist jedoch Mangelware, auch wenn findige Skitourengeher immer wieder die eine oder andere rassige Abfahrt entdecken.
Sportklettern als zusätzliches Angebot
Angesichts dieser Gegebenheiten stellt sich wieder einmal die Frage, welche Aktivitäten sich in schneearmen Wintern denn noch anbieten würden. Dazu zählt meiner Einschätzung nach das Sportklettern, das außer in Kletterhallen auch an talnahen, sonnigen Felsformationen betrieben werden kann. Dort sind landauf landab zahlreiche Klettergärten und viele sportklettermäßig abgesicherte Mehrseillängenrouten eingerichtet. Sportklettern kann bei uns somit 365 Tage im Jahr auch im Freien betrieben werden.
Breitensport mit vielen positiven Effekten
In den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten ist das Sportklettern zu einem echten Breitensport geworden und in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das zeigt u.a. ein Blick in das Kletterzentrum Innsbruck (KI): Vom Dreikäsehoch bis zum Senior sind hier alle Altersgruppen vertreten, Frauen wie Männer, Paare, Familien und Gruppen. Bemerkenswert ist auch die hohe Affinität der Sportkletterer zum Skisport.
Sportklettern ist kommunikativ, gesund, mental fordernd, stählt den ganzen Körper und ist bei korrekter Einhaltung der Spielregeln absolut ungefährlich. Ausgeprägt ist auch seine gesellschaftliche Komponente. Ein Zitat des Sportkletterpioniers Wolfgang Güllich ist dazu legendär: „Man geht nicht nach dem Klettern zum Kaffeetrinken, Kaffeetrinken ist vielmehr ein integraler Bestandteil des Kletterns.“
International und prosperierend
Aus touristischer Sicht bedeutsam ist die Internationalität des Sportklettern. Das belegen die vielen Klettergebiete weltweit und das bestätigt auch die Besucherstruktur des Kletterzentrums Innsbruck, das einen hohen touristischen Stellenwert besitzt. Unter den 320.000 Besuchern pro Jahr sind viele Gäste. Zahlreiche kommen eigens hierher, um zu klettern, andere besuchen das Kletterzentrum an Schlechtwettertagen während ihres Urlaubs in Tirol und wieder anderen machen auf ihrem Weg in die Klettergebiete des Südens oder auf dem Heimweg einen Zwischenstopp in Innsbruck.
Dazu kommt, dass in unseren Hauptherkunftsgebieten viele Kletterhallen bestehen und weitere errichtet werden. So gab es in Deutschland im Jahr 2023 um die 570 Kletter- und Boulderhallen, viele davon in großen Städten. Ferner bestehen dort 2.500 Kleinanlagen in Schulen und Tageseinrichtungen, die für die Nachwuchsförderung von Bedeutung sind. Zudem sind in europäischen Mittelgebirgen viele Felswände für das Sportklettern erschlossen.
Hier einige Daten zur Zahl und Struktur der Akteure, auch wenn nicht in allen Fällen abschätzbar ist, wie weit sie belastbar sind: In Deutschland gibt es mehr als 1 Mio. aktive Kletterer sowie rund 500.000 Boulderer. Weltweit sollen 44,5 Mio. Menschen dem Klettersport frönen. Drei Viertel der Kletterer sind unter 50 Jahre alt (das Durchschnittsalter im KI beträgt 33 Jahre), zwei Drittel sind Männer und ein Drittel Frauen – letztere mit steigendem Anteil (im KI 53 % Männer, 47 % Frauen). Und die Tatsache, dass Sportklettern seit 2020 olympisch ist, wird der Entwicklung weitere Impulse verleihen.
Bereits sehr gute Infrastruktur …
Viele Klettergärten in unseren Tourismusregionen sind infrastrukturell bestens ausgestattet – auch was die Bedürfnisse von Familien mit Kindern anbelangt. Die Zustiege zu Klettergärten und Sportkletterrouten sind meist kurz und analoge sowie digitale Dokumentationen liefern perfekte Informationen (siehe z.B. Climbers Paradise in Tirol).
… und Entwicklungspotential mit Luft nach oben
Dennoch besteht bei der touristischen Inwertsetzung des Sportkletterns Luft nach oben. Anhaltspunkte dazu liefert etwa Arco mit seinem Umfeld, das sich in hohem Maße dem Klettersport verschrieben hat, ohne seine sonstigen touristischen Potenziale zu vernachlässigen. Im Gegensatz zum Gardasee, der zur kalten Jahreszeit nur wenig Zuspruch erfährt, könnte bei uns dank der im Winter voll funktionierenden touristischen Infra- und Suprastruktur das Sportklettern mehr Gewicht erhalten – nicht zuletzt auch als willkommene Alternative für den Fall, dass Frau Holle ihren Verpflichtungen nicht nachkommt.
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