Paris 2024: eine Jahrhundertchance!
Vor hundert Jahren war Paris zum zweiten Mal Austragungsort von Olympischen Spielen. Dass morgen Freitag die Eröffnungsfeier auf der Seine und nicht in einem Stadion stattfindet, von zumindest 300.000 Menschen live vor Ort verfolgt, ist schon höchst ungewöhnlich. Wenn dann im Laufe der Olympischen und Paralympischen Spiele noch auf Höhe der Pont Alexandre III im Fluss um Medaillen gerungen wird, dann ist die Sensation perfekt. Denn Schwimmen war hundert Jahre lang (und bis vor kurzem) aufgrund der Wasserverschmutzung unmöglich. Jetzt sorgt eine 1,4 Milliarden-Investition in das Abwassersystem der Region für saubere Verhältnisse; ab kommenden Jahr stehen an drei Stellen öffentliche Badeplätze in der Seine zur Verfügung.
Vorbild Paris 2024
In Paris gibt es seit vielen Jahren Bemühungen, das Schwimmen in Fließgewässern oder – essenziell für die Alltagsmobilität – das Radfahren zu einem Teil des städtischen Lebens zu machen. Die Olympischen Spiele haben verschiedene politische Ebenen zusammengeschweißt, eine ganze Reihe von Investitionen wurden rechtzeitig umgesetzt – beispielsweise barrierefreie Bushaltestellen. Sehr wahrscheinlich ist aber das Erbe von Paris 2024 für die Olympische Bewegung bedeutender als für die Stadt selbst.
Denn der Schweizer Jean-Loup Chappelet, einer der profiliertesten Experten zum Thema, argumentiert in Le Monde, dass Paris 2024 die Art und Weise prägen kann, wie Olympische Spiele in Zukunft organisiert werden. Der üblichen Kritik der wirtschaftlichen und ökologischen Untragbarkeit werde durch die Herangehensweise viel Wind aus den Segeln genommen:
So sind sehr wenige Sportstätten neu errichtet, stattdessen ist der Bestand renoviert und mit vielen temporären Nutzungen gearbeitet worden. Olympisches Dorf und Mediendorf wurden nach einem Masterplan von Dominique Perrault Architecture von privaten Investoren entwickelt, somit auf einer Industriebrache in Saint-Denis dringend benötigter Wohnraum neu geschaffen. (Der öffentliche Verkehr wird momentan in der mehr als 12 Millionen Einwohner zählenden Großregion Île-de-France ohnehin massiv ausgebaut.)
IOC stellt die Weichen
Bei auktionsartigen Vergaben der Olympischen Spiele durch das Internationale Olympische Komittee (IOC) haben die Kandidatenstädte bei starker Konkurrenz dazu geneigt, Kosten zu unter- und Erträge zu überschätzen. Beispielsweise wurden kurzfristige Einnahmensteigerungen durch Baumaßnahmen oder Besucherausgaben zu hoch angesetzt, aber Verdrängungseffekte (Crowding-out) vernachlässigt. Bei Paris 2024 war – wie Chappelet in Erinnerung ruft – die Vergabesituation ganz anders: Das IOC hat nämlich beide Bewerber berücksichtigt, Paris für 2024 und Los Angeles für 2028.
Überhaupt ist das IOC sehr bemüht, die Austragung der Olympischen Spiele weniger kompetitiv zu gestalten, dafür langfristig abzusichern: Gestern fielen die Entscheidungen, die Olympischen Winterspiele 2030 an die „französischen Alpen“ (die Regionen Provence-Alpes-Côte d’Azur mit dem Zentrum Nizza und Auvergne-Rhône-Alpes) und 2034 an Salt Lake City-Utah zu vergeben. In beiden Fällen wird beinahe ausschließlich auf bereits bestehende Sportinfrastruktur gesetzt. Vor einigen Jahren wäre noch undenkbar gewesen, dass eine ganze Region und nicht eine Host City den Zuschlag erhält. Bemerkenswert ist auch, dass Frankreich erst noch bestimmte staatliche Garantien erbringen muss.
Jetzt hat das IOC auf viele Jahre in der Organisation von Sportgroßveranstaltungen erfahrene Partner in demokratischen Ländern: Bei den Olympischen Spielen ist das australische Brisbane 2032 bereits als Gastgeber (nach Paris 2024 und Los Angeles 2028) bestimmt. Und die nächsten Olympischen Winterspiele finden schon 2026 in „Milano Cortina“ – also im Norden Italiens – statt.
Auswirkungen für Österreich
Wie das IOC stehen wohl alle Rechteinhaber von Sportgroßveranstaltungen unter sehr hohem Erwartungsdruck, was die Nachhaltigkeit der Durchführung anbelangt: Im Sinne der Ökologie, aber auch in Sachen Sportentwicklung oder Verwendung von öffentlichen Mitteln z.B. für (Sport-)Infrastruktur.
Gerade als hochentwickeltes Tourismusland steht es Österreich gut an, sich auch weiterhin als Veranstalter im internationalen Sport zu positionieren. Den Weltsport gleichsam von außen zu kritisieren, wird unseren Möglichkeiten nicht gerecht. Speziell für Olympische Winterspiele hat es zuletzt vier nicht erfolgreiche Bewerbungen in Folge gegeben (Graz 2002, Klagenfurt 2006, Salzburg 2010 und 2014), aber das ist schon viele Jahre her – die Rahmenbedingungen haben sich seitdem stark verändert, erfahrene Organisatoren wie Österreich mit viel bestehender Infrastruktur sind stärker gefragt.
Nationale Strategie Sportgroßveranstaltungen
Ein wichtiger erster Schritt ist, eine nationale Strategie für die Bewerbung und Durchführung von Sportgroßveranstaltungen in Österreich zu erarbeiten. Dazu ist sicherlich eine systematische Analyse angezeigt, denn bisher gibt es zwar diverse Rechnungshofberichte zu einzelnen Sportgroßveranstaltungen, aber keine Gesamtschau. Klarerweise muss ein solcher Prozess von Bund und Ländern mit dem organisierten Sport gemeinsam aufgesetzt werden. Internationale Beispiele gibt es viele, im März des Jahres hat UK Sport mit Making Live Sport Matter einen strategischen Rahmen und dazu auch gleich eine Zielliste für Sportgroßveranstaltungen veröffentlicht.
Ebenfalls angebracht ist die Gründung einer nationalen Stelle für die Bewerbung um bzw. Durchführung von Sportgroßveranstaltungen zu erwägen. Weltweit gibt es starke Konkurrenz von Organisationen, die auf kommunaler, regionaler oder gesamtstaatlicher Ebene zumeist im Auftrag der öffentlichen Hand tätig werden. Genauso wie Ski Austria, der Österreichische Skiverband, natürlich durch die Organisation von vielen FIS-Weltmeisterschaften Kompetenz aufgebaut hat, das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden muss, wurde nach den Olympischen Jugendspielen 2012 in Innsbruck von Stadt Innsbruck, Land Tirol und Österreichischem Olympischen Comité eine Innsbruck-Tirol Sports GmbH gegründet, zwischenzeitlich aber wieder aufgelöst.
Sport Event Denmark ist als Organisation bereits seit 2008 aktiv, hat in den letzten Jahren mehr als 400 internationale Sportveranstaltungen in 62 Städten tatkräftig unterstützt und dadurch zu Dänemarks führendem Ruf als Veranstaltungsland im internationalen Sport beigetragen.
Sehr differenzierte, vielschichtige und interessante Betrachtung der neueren Entwicklungen und Chancen auf internationaler Ebene! Chapeaux, Toni Innauer
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