Digitaler Euro: Wird er das Bargeld ersetzen?
Digitaler Euro? Schon gehört? Das Thema ist für die Tourismus- und Freizeitwirtschaft, die Gäste aus dem gesamten Euroraum empfängt, von immenser Bedeutung. Man muss sich – auch wenn es etwas mühsam ist – langsam in die Materie einfinden und sich eine eigene Meinung bilden.
Denis Beau, First Deputy Governor der Banque de France, hat kürzlich bei einer Rede in Montpellier versucht, „einige unbegründete Ängste“ im Zusammenhang mit dem digitalen Euro zu zerstreuen. Die von ihm dabei genannten vier Punkte werde ich in Form einer Mini-Serie aufgreifen und mit ein paar zusätzlichen Fakten und Aspekten ergänzen.
Bleibt das Bargeld?
Beginnen wir mit einem Argument, das wir sehr häufig zu hören bekommen: Der digitale Euro wird das Bargeld nicht ersetzen! Beau sagte dazu in Montpellier: „Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass die Wahlfreiheit erhalten bleibt, indem wir dafür sorgen, dass Bargeld weiterhin weithin verfügbar und akzeptiert ist.“
Zum einen: Wir erinnern uns, dass das Geldsystem in den meisten Ländern – also auch im Euroraum – ein zweistufiges ist: die Nationalbanken schaffen Nationalbankgeld, die Banken ergänzen mit dem so genannten Kreditgeld. Dieses Kreditgeld (auch Publikumseinlagen genannt) ist aber üblicher Weise nicht vollständig durch die Bargeldreserven der Banken gedeckt. Diese sind daher niemals in der Lage, alle Publikumseinlagen gleichzeitig auszahlen. Das Risiko eines „Bank Run“ ist allerdings Teil des geschäftlichen Kalküls und wird durch die „letzte Instanz“ der Nationalbank (oft mit partiellen Einlagensicherungen) gestützt.
Zum anderen: Bis zur Finanzkrise 2007/08 bestand die Notenbankgeldmenge hauptsächlich aus Banknoten und nur zu einem kleineren Teil aus Giroguthaben. Durch die Geld- und Zinspolitik der EZB haben die Nationalbanken die Giroguthaben extrem ausgeweitet, um das Finanzsystem liquide zu halten. Das bedeutet allerdings: je weniger Barreserven die Banken pro Kreditgeld halten, desto größer die Gefahr, in die Illiquidität zu rutschen, wenn mehr Einlagen herausgezogen werden, als Barreserven vorhanden sind. Das bedeutet im Umkehrschluss: wenn die Öffentlichkeit weniger Bargeld hält, bleibt mehr Notenbankgeld für die Banken. Wenn die Öffentlichkeit Bargeld hamstert, reduziert das den Geldschöpfungsmultiplikator – und das ist schlecht für das Bankengeschäft!
Vertrauen ist alles!
Der Wert des Bargeldes steht und fällt mit dem Vertrauen in dieses Zahlungsmittel. Hat das Publikum Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Bank, wird es versuchen, seine Einlagen so rasch wie möglich zurückzuholen. Wenn zu viele dies gleichzeitig tun, muss die Menge an Notenbankgeld vergrößert werden, um die Wirtschaft vor einem Rückgang der Geldmenge zu bewahren.
Wir wissen aber aus den Bankkrisen des vergangenen Jahres, dass auch großzügige Liquiditätshilfen und Einlagensicherungen durch die Notenbanken nicht verhindern können, dass die Menschen das Vertrauen in das Bargeld verlieren und zu retten versuchen, was noch zu retten ist.
Dieses Szenario wurde auch in einer aktuellen Studie der Deutschen Bundesbank beleuchtet. Diese kommt zum Schluss, dass viele Banken in Krisenzeiten auf den digitalen Euro umstellen könnten.
Müssen wir also damit rechnen, dass in einer krisenhaften Situation ein Bank Run noch wahrscheinlicher wird? Müssen wir damit rechnen, dass die digitale Zentralbankwährung anders als Bargeld größere Sicherheiten geboten werden? Dass sich der digitale Euro daher besonders gut als Fluchtanlage eignet?
A propos Fluchtanlage: Wir wissen, dass der digitale Euro ein reines Zahlungsmittel und kein Investitionsgut sein soll. Er soll auch keine Zinsen bringen, weder positive noch negative. Auch dieses Argument hat Denis Beau in Montpellier erwähnt. Es wird im zweiten Teil der Miniserie behandelt werden.
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