Die Macht der Bilder
Greenpeace veröffentlicht Bilder von Bauarbeiten in einem Gletscherskigebiet, andere NGOs wie der Österreichische Alpenverein schließen sich der Forderung „eines absoluten und ausnahmslosen Gletscherschutzes“ an. Wobei es beim Anlassfall unbestritten gar nicht um eine Neuerschließung geht, sondern um notwendige und legale Sanierungsmaßnahmen bestehender Pisten. Egal — die Bilder von auffahrenden Baggern wirken auf die breite Öffentlichkeit brutal, eine Kausalbeziehung mit den abschmelzen Gletschern ist hergestellt. Was es bedeutet, heute ein Skigebiet zu betreiben, ist mittels HD-Webcams zwar supertransparent, aber offenbar erklärungsbedürftig.
Argumentationslinie
Die naturschutzfachlichen Vorteile von Skigebieten liegen auf der Hand: Relativ viele Menschen können auf relativ geringer Fläche ihrem Sport nachgehen. Je hochalpiner die Lage, desto länger die Saison und somit die Nutzung der bestehenden Infrastruktur.
Das Bild zu diesem Beitrag zeigt einen Speicherteich bei den Annaberger Liften, den wir vor einigen Jahren am Hennesteck errichtet haben. Im Vorfeld hatten wir uns vorgenommen, die Uferbereiche „naturnah“ zu gestalten. Heute ist tatsächlich das Ambiente eines kleinen Bergsees gegeben, sehr beliebt bei Einheimischen und Gästen. In der Bauphase allerdings sind wir alle miteinander erschrocken, welche Mondlandschaft da vorübergehend entstanden ist.
Praktisch jedes Skigebiet ist heute auf technische Anlagen angewiesen — nicht nur Aufstiegshilfen, sondern auch Beschneiung und Gastronomie. Bei jedem Skigebiet könnten Baustellenfotos gemacht werden: in aller Regel von sämtliche Genehmigungsverfahren durchlaufen habenden und somit rechtskonformen Projekten. So wie technische Beschneiung eine Anpassungsstrategie ist, so sind es natürlich auch Arbeiten bei Pisten im Bereich von abschmelzenden Gletschern. Die Transformation vom Gletscher- zum Höhenskigebiet ist mancherorts bereits im Laufen.
Skigebiete erhalten!?
Die Skandalisierung von Bauarbeiten bei aufgrund von Sportveranstaltungen medial besonders exponierten Skigebieten wirft die Frage auf: Wollt ihr, dass es noch Skigebiete gibt, bestehende Infrastruktur genutzt wird? Kann man natürlich verneinen, sollte es aber dann ganz offen und ehrlich tun. Andernfalls könnten praktisch alle anderen Skigebiete in Österreich genauso angegriffen werden, scheinbar „kompromittierende“ Bilder von Baustellen veröffentlicht werden.
Denn noch einmal: Die Industrialisierung und Technisierung der Skigebiete ist heute einfach unabdingbar. Ohne Speicherung und Kühlung des Schneiwassers, ohne moderne Schneeerzeuger, ohne entsprechende Pistengeräte keine Verhältnisse wie sie den heutigen Erwartungen der Gäste (und oft auch Sicherheitsanforderungen) entsprechen! Wahrscheinlich gibt es viele Wirtschaftsbereiche, bei denen nicht von Berufs wegen Involvierte bei einem Blick hinter die Kulissen zumindest verwundert oder sogar schockiert über den technischen Aufwand oder gängige Praktiken wären.
Wirkungen und Bilder
Freizeitnutzung und Tourismus in Kulturlandschaften, wie beim Betrieb von Skigebieten, soll natürlich Wirkung zeigen: Da spielt der Erholungswert, letztlich der Beitrag zur Lebensqualität möglichst vieler Menschen, eine große Rolle. In weiterer Folge auch, welche positiven Effekte bei guten Arbeitsplätzen, Biodiversität, Almwirtschaft oder Wassermanagement entstehen können. Das alles und viel mehr bestimmt die Kosten-Nutzung-Abwägung, was Eingriffe in die Landschaft anbelangt. Wir in Tourismus- und Freizeitwirtschaft, die in den Alpen und vom Berg- und Schneesport leben, sollten höchstes Interesse daran haben, dass diese Interessensabwägung fair abläuft — nicht nur im rechtlichen, sondern auch im gesellschaftspolitischen Sinn.
Damit wären wir wieder bei der Macht der Bilder und der Frage, welche in der laufenden medialen Verhandlung erforderlich und hilfreich sind. Dazu erste Vorschläge, was die Branche im weiteren Sinne gemeinschaftlich tun könnte:
- Gravelbiken und Trailrunning sind Aktivitäten, die einen kleinen Teil bereits bestehender Infrastruktur wie Schotterstraßen oder Wanderwege in eine Mehrfachnutzung bringen. Bei der Seilbahninfrastruktur ist uns das mit dem Sommerbetrieb oft auch in klassischen Skigebieten gelungen. Winterwandern und Rodeln haben viel Potenzial, um den Schneesport zu ergänzen. Wir sollten uns auch Gedanken über das Skifahren selbst machen, einen Art Gentle Skiing- oder Slow Skiing-Ansatz verfolgen. Wie können wir (paradoxerweise) das Erlebnis für Skigäste wieder entschleunigen? Und auch abseits der sportlichen Aktivität und der Gastronomie anreichern?
- Das ESG-Berichtswesen wird in den nächsten Monaten und Jahren ganz in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Gemeinsame, branchenweite Modelle und Standards würden uns gesamthafte Darstellung bzw. Hochrechnung ermöglichen sowie Fortschritte sichtbar machen. Der Fachverband Seilbahnen stellt seinen Mitgliedern bereits einen CO2-Rechner zur Verfügung.
- Bei jeglicher touristischer Infrastruktur, aber auch bei der Suprastruktur (Beherbergung), kommt es letztlich darauf an, dass diese möglichst auch optimal (nicht zu viel/wenig, zu den jeweils richtigen Zeiten) genutzt wird. Denn diese Infra-/Suprastruktur wurde bereits errichtet, soll die oben skizzierten positiven Wirkungen erzeugen. Wir könnten mit anonymisierten Mobilfunkbewegungsdaten zeigen, wie touristische Einrichtungen genutzt werden. Bei Lauf- und Radstrecken gibt es ja bereits verschiedene Anbieter für sogenannte Heatmaps. Denn hohe Frequenz auf begrenzter Fläche ist zumeist gut und richtig!
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