Positive Effekte integrierter Ortsentwicklung
Bewegt man sich ein kleines Stück abseits der eigentlichen touristischen Hochburgen, so wird spürbar und sichtbar, dass die Monostruktur vieler Tourismusorte eine allmähliche Aufweichung erfährt. Nicht unmittelbar touristische Interessen treten zunehmend auf den Plan und artikulieren ihre Bedürfnisse. Das gilt etwa für Gewerbe und Handwerk oder für Dienstleistungen, aber auch für das Wohnen. Die damit entstehende relative Vielfalt der Funktionen liegt durchaus im Interesse einer ausgewogenen Entwicklung, ermöglicht sie doch unmittelbar vor Ort den Einsatz der dort vorhandenen Fähigkeiten und Talente.
Die Nutzung und Pflege dieser relativen Vielfalt in wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Belangen erfordert jedoch eine spezifische Herangehensweise. Etwa in der Form, dass in der Strategieentwicklung nicht allein der Tourismus Beachtung findet, sondern auch andere Interessenbereiche in die Bearbeitung von Zukunftsstrategien mit einbezogen werden.
Die Erfahrung zeigt, dass ein breiter und integrativer Zugang zur Gemeindeentwicklung in Tourismusorten das Interesse an der Mitarbeit bei solchen Prozessen sprunghaft ansteigen lässt. Die Beteiligung am Entwicklungsprozess geht in die Breite und die Arbeit selbst gewinnt an Tiefe.
Methodische Zugänge dazu bieten beispielsweise die Lokale und Regionale Agenda 21, die einen umfassenden Ansatz verfolgt, bei dem ökonomische, soziale und ökologische Aspekte in gleicher Weise Berücksichtigung finden. Spannend ist im Rahmen einer integrierten Orts- oder Regionalentwicklung auch die Zusammenarbeit von Experten mehrerer Fachrichtungen: neben dem Tourismus beispielsweise Raumplanung, Architektur, Landschaftsplanung oder – ganz aktuell – Energie.
Dank der Einbindung aller Wirkungs- und Interessenfelder werden die z.T. weitverzweigten Zusammenhänge und Vernetzungen offenkundig. Sichtbar werden nicht nur die gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen dem Tourismus und anderen Lebens- und Wirtschaftsbereichen, sondern auch die zahlreichen positiven Ausstrahlungseffekte des Tourismus und die Möglichkeiten für fruchtbare Kooperationen. Es wird aber auch deutlich, mit welchen Auswirkungen gerechnet werden muss, wenn die Nachfrage nach touristischen Dienstleistungen sinkt und die Investitionstätigkeit im Tourismus zurückgeht.
Integrierte Orts- bzw. Regionalentwicklung erschließt der Bevölkerung somit den Weg zu einem besseren Verständnis der Komplexität ihrer Gemeinde oder Region und sie fördert den Respekt gegenüber den jeweils anderen Interessenbereichen. Und was im Hinblick auf die gedeihliche Entwicklung des Tourismus besonderes Gewicht besitzt: Aus der Erkenntnis über seine Rolle im örtlichen bzw. regionalen Gefüge entsteht Akzeptanz gegenüber den Anliegen des Tourismus, was schlussendlich zu einer konstruktiven Einstellung gegenüber dieser Branche und zu einem positiven Tourismusbewusstsein führt. Und dass das alles einen positiven Einfluss auf die Destinationsentwicklung hat steht wohl außer Frage!
Es ist hoch an der Zeit, dass das Thema integrierte Orts- und Regionalentwicklung in der Politik jene Aufmerksamkeit erfährt, die ihm gebührt. Denn es ist unbestritten, dass wir in Österreich vor allem in den peripheren Regionen Lösungsansätze brauchen! Bei aller Wertschätzung – der Tourismus als Monokultur mag für einige wenige Top-Destinationen vielversprechend sein. Als flächendeckende Entwicklung macht mir das aber Kopfzerbrechen! Wettbewerbsfähig bleibt Österreich nur dann, wenn die Lebens- und Wirtschaftsregionen eine entsprechende Vielfalt aufweisen und „mit der Zeit gehen“. Die Erfahrungen aus Projekten der EU-Regionalförderung lehren uns, dass „Kopfgeburten“ oft ins Leere laufen oder nur mit jahrelanger öffentlicher Subvention erhalten werden können. Entwicklungen, die sich interdisziplinär „aus der Region“ heraus bilden, nehmen hingegen oft einen erstaunlich guten Gang. Wenn wir in einem Gedankenexperiment davon ausgehen, dass wir früher oder später in Österreich eine Verwaltungsreform erleben werden mit einer Zusammenlegung bzw. Aufwertung von Gemeinden, sollten wir die Weichen für eine gedeihliche integrierte Entwicklung lieber früher als zu spät stellen.
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