Bettenstopp in Südtirol
Kaum ist der coronabedingte Nächtigungsrückgang überwunden wird in Südtirol schon über mögliche Ausbau- und Wachstumsgrenzen diskutiert. Das Konzept Südtirol 2030 hat nicht nur ausschließlich Tourismusaspekte im Fokus, sondern sucht eine Entwicklung des Lebensraumes zu erreichen, mit dem Gäste und Einheimische gleichermaßen zufrieden sind.
Neben der Gemeinschaft des Lebensraumes werden weitere Schwerpunkte angepeilt wie Schutz der alpinen Landschaft, Ganzjahresdestination sowie Bergmobilität und Klimawandel. Mit diesen Zielsetzungen konnten sich Bewohner und Wirtschaftstreibende leicht identifizieren.
Bettenstopp führt zu Widerspruch
Der rigorose Bettenstopp hat allerdings einiges an Staub aufgewirbelt und zu heftigen Diskussionen und Reaktionen geführt. Um das Bettenangebot nicht mehr weiter wachsen zu lassen, soll – nach dem Vorschlag der Autoren – folgende Vorgangsweise umgesetzt werden:
- Erhebung der Betten: Als Stichtag gelten die Kapazitäten 2019.
- Deckelung der Betten: Stichtag 2019 und zusätzlich aufrechte Ausbaugenehmigungen
- Innerhalb der Gemeinde kann ein Betrieb größer werden, wenn gleichzeitig in der Gemeinde Betten stillgelegt werden.
- Eine Bettenzuweisung an einen ausbauwilligen Betrieb ist nur möglich, wenn er noch nicht 150 Betten erreicht hat.
- In einer tourismusintensiven Region stillgelegte Betten können durch Landeseingriff in eine tourismusextensive Region verschoben werden.
Damit hätte man erreicht, dass Betriebe nicht mehr über die destinationsverträgliche Größe von 150 Betten wachsen können und dass die Zahl der Unterkünfte auf Landesebene stabil bleibt. Ein Nächtigungswachstum ist so nur mehr in der Nebensaison möglich. Ein positiver Nebenaspekt besteht auch darin, dass alte und nahezu unbrauchbare Betten wieder einen Wert gewinnen. Können sie doch als “Ausgleichsbetten“ für wachstumswillige, erfolgreiche Unternehmen herangezogen werden.
Widerstand der Unternehmer
Die Unternehmen fürchten nun, dass Ausbaupläne zur Erreichung wirtschaftlicherer Betriebsgrößen landesweit zunichtegemacht werden. Die Errichtung von Wellness- und anderen Zusatzeinrichtungen lohnt sich nur bei entsprechendem Ausbau der Bettenkapazität. Der Präsident des Südtiroler Gastwirteverbandes sieht auch die Bereitschaft zur Betriebsübernahme gefährdet, wenn die Unternehmen allzu großen Restriktionen unterworfen werden.
Für Diskussionsstoff bei unserem südlichen Nachbarn ist jedenfalls gesorgt. Aber auch da wird man sehen, was letztendlich politisch machbar ist.
Österreich ist in diesem Punkt ein Gefangener des Föderalismus, wo unterschiedliche Interessen der Länder eine rasche und einheitliche Vorgangsweise verhindern. Der Beitrag von Thomas Reisenzahn im TP-Blog zu diesem Thema:
https://www.tp-blog.at/allgemeines/zu-viele-betten-in-tirol-oder-zu-viele-betriebe
Starre Bettenobergrenzen greifen meines Erachtens zu kurz. Das Paradigma „mehr Qualität statt Quantität“ muss eben auch sehr differenziert betrachtet werden, denn nicht jedes Bett an jedem Ort kann qualitativ aufgewertet werden.
Was uns fehlt, ist eine professionelle Herangehensweise an intelligente Formen der Kapazitätsplanung. Dabei müssen unterschiedlichste Faktoren und Entwicklungsparameter mit berücksichtigt werden. Voraussetzung dafür wäre aber zum einen, dieses Thema – über Gemeinde- und Bundesländergrenzen hinweg – anzugehen und neben dem Tourismus auch andere Formen der Nachfrage mit zu berücksichtigen.
Das Südtiroler Konzept bezieht natürlich auch Campingplätze und andere Anbieter ein. Hinter der Bettenobergrenze steht allerdings ein klares Bekenntnis zu KMUs als touristische Anbieter. Grosse Bettenanglomerationen wird jedenfalls eine Absage erteilt und die kleinteilige Anbieterstruktur als das für Südtirol und die alpinen Destinationen passende Konzept angesehen.
Die Grundidee die Familienstruktur der Hotellerie und Gastronomie weiter zu erhalten und und zu entwickeln ist durchaus begrüßenswert. Die Obergrenze muss natürlich nicht starr sein, wird wohl irgendwo zwischen 150 und 200 Betten liegen, wobei begründete Ausnahmen möglich sein sollen. So ein KOnzept gibt dann jedenfalls eine Zielrichtung vor und sollte nach einiger Zeit auch angepasst werden können.
Aber in Österreich besteht eine reflexartige Ablehnung gegen neue Konzepte und vor allem Einschränkungen auch wenn sie auf lange Sicht das Gesamtwohl steigern könnten. Da wird die Mär vom Tourismusweltmeister gerne strapaziert aber nicht darüber sinniert wie der heimische Tourismus in 20 Jahren aussehen soll und ob es heute dazu Eingriffe braucht.
Wir haben uns auch geren als Umweltmusterland bezeichnet aber nie wirkliche Anstrengungen unternommen, es zu erreichen. Da hätte man sich als Politiker vor ein zwei Jahren nur eine Abfuhr geholt. Auch jetzt verweigern wir die Neutralitätsdebatte weil die Neudefinition unserer künftigen Position zwischen Ost und West komplex ist, erhöhte Verteigungsausgaben nach sich ziehen würde und der Wähler nicht verunsichert werden soll. Zukunft denken und die Wege dorthin konsequent umsetzen war nie unsere Stärke. Und sollte doch einmal ein starker Mann auftreten, seine Ideen werden im Kompetenzdschungel zwischen Bund und Ländern untergehen und still zu Grabe getragen wie dereinst die Verfassungsreform.
Die Bettenobergrenzen-Strategie im Südtiroler LTEK ist im Moment eher viel „Lärm um nichts“ als ein konkretes Konzept. (auch wenn ich dem Grundgedanken „Grenzen des Wachstums“ sehr viel abgewinnen kann)
Es ist nach wie vor absolut unklar ob und wie die Bettenobergrenze in der Praxis letztlich umgesetzt wird – Gemeinden und Touristiker stellen sich quer, der Landesregierung fehlt es an praxistauglichen Lösungsvorschlägen.
Hinzukommt, dass die Landesregierung dem politischen Druck einiger Interessensvertreter bereits nachgegeben und bspw. Urlaub am Bauernhof völlig von dem Konzept ausgenommen hat – das ist nicht gerecht und führt zu noch mehr Unverständnis auf Seiten mancher Touristiker, denn die Ausnahme gilt nicht für vergleichbare Pensionen und Privatzimmervermieter.
Sicherlich spannend, was davon letzten Endes tatsächlich in der Praxis ankommt.
Ich stimme auch dem Argument von Ulrike Reisner zu, dass „Qualität vor Quantität“ differenziert betrachtet werden muss und sicherlich nicht die alleinige Lösung vieler unserer Herausforderungen ist. Ein Beispiel dazu: investiert ein Hotel in bessere Dienstleistungsqualität, braucht es mehr und besserqualifizierte Mitarbeiter (das wiederum löst unser Fachkräfteproblem nicht sondern verschärft es). Auch Investitionen in bessere Wellnessbereiche – was ja eindeutig auch eine Investition in mehr Qualität ist – lösen die Herausforderungen von Klimaschutz und Ressourcenschonung nicht, sondern verschärfen sie.
Ich glaube, dass eine sehr wichtige Schlüsselkompetenz für die enkeltaugliche Weiterentwicklung unserer Branche die INNOVATION ist. Wenn dann gelingt es uns dank Innovation und Kreativität, wirtschaftlichen Erfolg von quantitativen Wachstum zu entkoppeln.
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