Unnütze Wortgefechte
Dass die Nerven blank liegen, haben uns die Wortgefechte und Kampfansagen der letzten Tage zwischen Tirol und Wien deutlich gezeigt. Im Grunde sind die Haltungen und Argumente ziemlich ähnlich zu den Aussagen und der Situation von März 2020.
Als einer, der mit übertriebenem Föderalismus nicht so viel am Hut hat, treffen mich manche Aussagen ziemlich schmerzlich in meiner Tiroler Brust. Vieles bewegt sich klar an jeder Logik und Verhältnismäßigkeit vorbei. Die jetzt eingesetzten Maßnahmen sind akzeptabel. Letztendlich sichern sie gerade den nächsten Sommer und tragen dazu bei, die angekratzte Reputation des „Herzens der Alpen“ wieder herzustellen. Der Volksstolz sollte sich zurückhalten und besser ein wenig „schmähstad“ sein. Deeskalation wäre jetzt das Gebot der Stunde. Je mehr verbaler Wirbel entsteht, umso gefährlicher kann es für das angeschlagene Image werden.
Bemerkenswert ist jedenfalls, dass viele Tiroler schon deutlich erkennen lassen, dass Sie vom Covid-Krisenmanagement in ihrem Land nicht wirklich angetan sind… Statt aus den negativen Schlagzeilen zu kommen, manövriert sich Tirol geradezu hingebungsvoll immer wieder hinein.
Nachdem Franz Hartl in seinem letzten Beitrag bereits auf die raue Tiroler Art bei den jüngsten COVID-Verhandlungen mit dem Bund hingewiesen hat, ist es durchaus angebracht, dass Thomas Reisenzahn noch speziell darauf eingeht und Logik sowie Verhältnismäßigkeit des Tons und der Wortwahl anspricht.
Die Nervosität bei den Verantwortlichen ist durchaus verständlich: Seit rund einem Jahr wird von den verschiedensten Seiten auf Tirol herumgehackt und aufgrund der Lockdowns hängen die Tourismuswirtschaft sowie weite Teile seiner vor- und nachgelagerten Branchen in den Seilen. Und ein Licht am Ende des Tunnels ist immer noch nicht auszunehmen.
Diese Geschehnisse sind absolut unerfreulich, derartige öffentliche Auftritte einzelner (Interessens) politischer Repräsentanten des Landes aber dennoch fehl am Platz. Sie lassen sich mit nichts rechtfertigen. Dadurch verursachte negative Auswirkungen auf den Tourismus mögen zwar enden wollend sein, dem Image des Landes haben die Herren aber einen Bärendienst erwiesen.
Im Zusammenhang mit dieser Eskalation der Worte bewegen mich u.a. folgende Fragen – die erste davon schon seit längerem:
1. Wo bleibt in Corona-Zeiten eine professionelle Krisenkommunikation des Landes nach außen – aber auch nach innen. Diese vermisse ich seit Tirol rund um die Pandemie-Vorkommnisse im Fokus internationaler Kritik steht.
2. Warum ist das Tiroler Gesundheits- und Krisenmanagement offensichtlich immer noch nicht ausreichend schlagkräftig? Aufgrund der Ergebnisse der Rohrer-Kommission, welche die Vorkommnisse vom Spätwinter 2020 aufgearbeitet hat, erfolgte ja eine Neubesetzung des Gesundheits- und Krisenmanagements. Um dazu die Metapher vom Fisch und seinem Kopf zu bemühen: Hier wurde wohl nur an der Schwanzflosse ein wenig herumgedoktert.
„Lernen die denn gar nichts“ – diese und ähnliche Zeilen sind in letzter Zeit leider in fast allen deutschen Medien zu lesen. So auch im Artikel von Dominik Prantl mit dem Titel „Auf der dunklen Seite“ in der Süddeutschen Zeitung vom 10.02. Wie auch bereits Herr Reisenzahn, Frau Danler und Herr Haimayer skizzieren, bringt auch dieser Artikel das gegenwärtige Dilemma auf den Punkt: der alpine Tourismus, jahrzehntelang als Leitbranche fest in der Gesellschaft verankerter Wohlstandsmotor, wird im öffentlichen Diskurs zunehmend zum Sündenbock für alles.
❓ Völlig zurecht stellt darin auch Tourismusforscher Robert Steiger fest, dass die Strategien der 1970er Jahre von der Bevölkerung zunehmend in Frage gestellt werden. Angesichts des in Mode geratene Tourismus-Bashing wird die notwendige Gratwanderung zum Balanceakt, an dem sich auch die Zukunft des Wohlstands im Alpenraum entscheiden wird.
Notwendige touristische Entwicklungen im grünen Büßer-Eck verkommen zu lassen ist ebenso wenig zielführend wie ewig alte Tourismusstrategien unter dem Motto „Höher, weiter, schneller“ zu propagieren. Die dringend notwendige Veränderung muss glaubwürdig von jungen Touristikerinnen und Touristikern in der Praxis umgesetzt werden, denn in einzementierten Schützengräben zu theoretisieren gießt lediglich weiter Öl in Feuer.
Dem aufgeregten Medienhype ist entgegen zu halten: Nicht alles ist schlecht. Anders gesagt: Vieles ist richtig. Besser machen – im Sinne des ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Gleichgewichts ist Gebot der Stunde. Und am besten ist: Zu zeigen, dass der alpine Tourismus zentraler Bestandteil unseres nachhaltigen Wirtschaftens und Lebens ist.
Es tut einem im Herzen weh, was man als Tirolerin in Wien oder auch im Ausland an Häme und Unverständnis erlebt. Die heimischen Medien überschlagen sich in geharnischten Artikeln, ja Leitartikeln über die politischen Tiroler Verantwortungsträger. Vom „System Tirol“ spricht die deutsche „Die Zeit“, das die Gesundheit aller gefährdet. Von den Aussagen des bayerischen Ministerpräsidenten ganz zu schweigen. Was so in den sozialen Medien an Logos, Bildern und Sprüchen kursiert, ist wohl einmalig und auch unter der Gürtellinie.
Ein Appell an die Vernunft und Weitsicht in unserem Heimatland: Wir in Tirol haben diese Mutationen. Nach der Ischgl-Erfahrung kann nur höchste Vorsicht gelten, auch mit Quarantäne und Sperrzonen. Ändern wir doch die Kommunikation(sstrategie, so es eine gibt). Wir waren doch weltweit bekannt für unsere Gastlichkeit, Sympathie und Empathie. Wo sind diese Eigenschaften geblieben? Es liegt mir eigentlich fern, Ratschläge zu geben, dennoch: Wäre es nicht ungleich empathischer gewesen, hätten wir nicht gesagt „Wir haben alles richtig gemacht!“, sondern dass es aus jetzigem Erkenntnisstand gewisse Fehler, Unzulänglichkeiten gegeben habe, und wir alle Betroffenen zu zwei / drei Tagen Skiurlaub nach Ischgl einladen, sozusagen als „kleine Wiedergutmachung“. Es schadet auch den Ruf Tirols, wenn wir als das Tourismusbundesland mit halb Europa und darüber hinaus prozessieren. Wo bleibt die Einsicht, wo bleiben die Mediatoren? Die Marke Tirol wurde über Jahrzehnte/Jahrhunderte aufgebaut und entwickelt, schon Kaiser Maximilian sprach vom Dachgarten Europas, und binnen eines Jahres haben wir unser Image derart ramponiert. Zum Weinen!
Häufig gelingt es mir in jeder Situation etwas Positives zu entdecken und dieses auch auszudrücken. Beim Krisenmanagement des Landes Tirol oder dessen Kommunikationsverhalten ist es mir noch nicht gelungen.Schliesse mich Herrn Reisenzahn an: Deeskalation ist dringendst gefragt, allerdings – damit diese gelingen kann – bedarf es einer anderen Grundeinstellung! Mir san mir, funktioniert auf Dauer nicht.
Wenn man die besorgten Kommentare zusammenfasst kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es vor allem am geeigneten politischen Personal mangelt. Das Virus ist nun einmal in Tirol, aber das ist es auch andernorts. Aber anstatt offen und ehrlich zu kommunzieren und vor allem die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, die zeigen, dass man es mit der Gesundheit der Bevölkerung Ernst meint, wird gemauert und mit Gegenangriffen gekämpft. Die Tiroler Führungskräfte vom Landeshauptmann abwärts haben ihre Unfähigkeit wiederholt und mit Hingabe bewiesen.
Da liegt es an den Bürgern oder den Unternehmern rechtzeitig für eine neue Mannschaft zu sorgen – mit der alten kann man wahrlich keinen Staat mehr machen.
Dann geht es darum sachlich die Virusgefahr bestmöglich einzudämmen und dabei den Vorschlägen der Fachleute zu folgen. In der Folge muss es darangehen auch die Unternehmen wieder in Schwung zu bringen. Da ist jetzt Sachlichkeit gefordert und nicht nur dumme Sprüche und verbale Ausrutscher.
Kommentieren