Das Corona Virus hat auch so manchen Hausverstand befallen
Man kann sich angesichts der aktuellen Ankündigungspolitik des Eindrucks nicht erwehren, dass uns diese Pandemie zu lebendigen Marionetten macht. Zwangsweise agierend auf einer Bühne, die man Hotel ohne Gäste nennt, und wo es derzeit keine Perspektiven und kein Entkommen gibt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir alle keine Kraft, Lust und Moral mehr haben, uns erneut aufzurichten. Das UnternehmerTUN hat derzeit weniger mit TUN als mit Bittstellen im Förderdschungel zu tun. Die Abwicklung der Hilfsmaßnahmen scheint weiterhin nicht ohne größere Probleme zu funktionieren.
So ist z.B. bereits die Beantragung des Verlustersatzes an eine Auszahlung des Umsatzersatzes (November & Dezember) geknüpft. Im Antrag dazu heißt es wörtlich: „Hinweis: Wurde ein Lockdown-Umsatzersatz beantragt, aber noch nicht ausgezahlt, muss mit der Antragstellung auf einen Verlustersatz abgewartet werden, bis der Lockdown-Umsatzersatz ausgezahlt wurde“.
Dass hier allein schon die Antragstellung für Betriebe erschwert wird, die den Umsatzersatz beantragt (und noch nicht erhalten) haben, ist schlichtweg ein Wahnsinn. Der neue Ausfallsbonus ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Apropos Förderungen: hier haben wir die derzeitigen Maßnahmen kurz und bündig zusammengefasst als Frustlektüre.
Der Winter wird ein Totalausfall, da der wiederholt angekündigte Öffnungstermin mit Ende Februar auch nicht in Stein gemeißelt ist. Ob Bergbahnen und Dienstleistungen zu dieser Zeit noch zur Verfügung stehen, sei auch noch nicht fix. Ein Öffnungstermin quasi in der Nebensaison der Ferienhotellerie. Erwartbar geringe (keine) Umsätze, dafür Rückzahlungen und auslaufende Förderungen machen einen Start im Frühjahr auch nicht leichter.
Trotzdem müssen Unternehmerinnen und Unternehmer sich aufrichten und an die Zukunft denken, sonst wird man keine haben. Das Versprechen der Zukunft liegt im Impfstoff!
Was ist die Aufgabe eines Staates? Seine bürger zu schützen. Das klappt gesundheitlich in Österreich schlecht als recht. Wirtschaftlich finanziell schlecht. Trotz aller blümeligen sonntagsreden. Da wird ein restart schwer.
Kein Unternehmer ist gerne auf Beihilfen und Förderungen angewiesen, und gerade für uns Touristiker die wir uns in der Selbstbetrachtung ja gerne als erfolgreiche Innovatoren, Treiber des Wirtschaftsmotors etc. sehen – und auch so darstellen – ist dieses Gefühl der „Abhängigkeit“ von staatlichen Hilfen eine völlige neue Facette in unserem Gefühlsspektrum.
Und natürlich besitzt dieser Angstzustand das Potenzial eine paralysierende Wirkung zu entfalten, das Gefühl Marionette zu sein, Kraft- Lust- und Morallosigkeit wie sie Thomas Reisenzahn beschreibt als einen Ausfluss daraus.
Fest steht jedoch, dass es der Branche gut tun würde die kognitiven Fähigkeiten ihrer Leitwölfe nicht mit der Selbstfesselung in der Rolle als wartende Almosenempfänger zu vergeuden.
Die Zwangspause für den Tourismus hat uns nämlich auch wertvolle freie Zeit geschenkt, die wir ansonsten in unseren von operativen Tätigkeiten überladenen Tagesabläufen nicht finden würden. Zeit die wir nun nutzen können unsere Geschäftsmodelle vom kleinsten Detail bis ins große Ganze einer reinigenden Dialyse zu unterziehen. Nie war es so einfach die Bedrohungen und Schwächen unserer Business Models zu erkennen wie heute, denn die Krise hat vieles offenkundig gemacht was sich in den Unternehmen über Jahre oft unbemerkt manifestiert hat.
Ganz offenkundig wurde jedenfalls, dass gerade in der Ferienhotellerie die Investitionsstrategien der vergangen Jahre und die damit verbundenen Finanzierungsstrukturen mit spontanen Einbrüchen in der Nachfrage nicht sonderlich gut umgehen können. Diese Situation im Zusammenspiel mit den in der touristischen Hochkonjunktur der letzten Jahre oft völlig uferlos angewachsenen laufenden Kostenpositionen der Betriebe führte nun sogar schon bei nur teilweisem Einbrechen der Nachfrage (im heurigen Sommer) zu Engpässen in der Liquidität mit allen Begeleiterscheinungen.
Man muss sich also die Frage gefallen lassen ob die allseits gepriesene bedingungslose „Hardware! Hardware! Hardware!“ – Doktrin der vergangenen zwei Jahrzehnte im Wissen um die aktuellen Erlebnisse und die von Thomas Reisenzahn gefühlte beginnende Kraft- Lust- und Morallosigkeit immer noch das Mittel der Wahl sein kann oder ob der kleinstrukturierte Tourismus in Österreich nicht mit stärker mind-set getriebenen Modellen besser beraten wäre?
Ich persönlich würde jedenfalls gerne auf ein Deja-vu der jetzigen touristischen Situation in ein paar Jahren verzichten – freiwillig!
Sebastian Witzmann
SEEBICHL_haus.am.see
kitzbühel am schwarzsee
Ich betreue mit meinem Unternehmen Hotellerie in den Geschäftsfeldern Strategieentwicklung bzw. Marketing/Kommunikation und ich wurde in den letzten Monaten mehr und mehr zum Psychologen.
Kopf in den Sand, abtauchen waren und sind keine seltenen Phänomene, die mich in dieser Form ehrlich gesagt überrascht haben, zu Beginn des ganzen Zirkus schrieb ich in einem Blogbeitrag von Schockstarre. Nach einem Zwischenhoch im Sommer, wo alles derart gut ging, dass man ja sowieso nix benötigt, scheint so Mancher genau dort wieder angekommen zu sein. Ich habe in zahlreichen persönlichen Gesprächen, Blogbeiträgen, Newsletters immer wieder darauf hingewiesen, dass es -kurz zusammengefasst- von unseren eigenen Gedanken abhängt, wie wir mit der Situation umgehen. Und gerade jetzt ist Zeit für das Drehen an den Schrauben und Rädchen, das Hinterfragen und Prüfen und eines hat gefälligst nie aufzuhören: die regelmäßige Bearbeitung der Märkte bzw. Kommunikation, egal ob ich akut etwas zu verkaufen habe oder nicht. Ich kenne Websites, die unaktuell bis zum geht-nicht-mehr sind, die mit keinem Wort auf die aktuelle Lage, auf Hygienekonzepte im eigenen Wellnessbereich, geschweige denn auf die Bedingungen im Skigebiet vor der eigenen Haustüre eingehen. Keine Zeit dafür? Keine Lust?
Last but not least sei auch bemerkt, dass Umsatzersatzerstattungen für die Hotellerie um einiges schneller und besser erledigt werden als jene für meine Branche, die zwar ebenso ausschließlich vom Tourismus lebt und sich für diesen den Allerwertesten aufreißt, jedoch halt nur „indirekt betroffen ist“. Aber es gilt: „wer sich verlieren sieht, hat verloren“.
@Sebastian Witzmann:
Möchte hier zum Thema Hardware etwas zusätzlich anmerken und beipflichten.
Ich denke, spätestens jetzt muss es angebracht sein, über weitere Expansionsbestrebungen in einem ohnehin überhitzten touristischen Markt nachzudenken! Angesichts teilweise weiterhin boomender Neuprojekte, in diversen Regionen quer durch Österreich, muss man sich absolut die Frage stellen, ob hier nicht der Plafonds, Regional unterschiedlich, jedenfalls erreicht oder gar überschritten ist?
Die “schneller – höher – weiter“ Strategie führt nicht nur im Tourismus zu vorhersehbaren Problemen. Bisher abseits der Massenströme lIegende Naturräume werden förmlich überrannt, immer häufiger gibt es Widerstand von Grundstückseigentümern ebenso wie von Einheimischen gegen die Vereinnahmung „ihres“ Lebensraums!
Überangebot führt zur Verdrängung, teilweisem Preisverfall und sinkender Tourismus Gesinnung.
Auch die anhaltende Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Öffnung von Skigebieten führt leider nicht zu einer positiven Wahrnehmung des Tourismus in der Öffentlichkeit.
Eine noch stärkere „me first“ Gesinnung ist immer häufiger festzustellen – „was wollen denn die vielen anderen Menschen hier, diesen Platz/Weg/Badeplatz/Skitourenroute usw will ich für mich alleine?“
Ein Paradoxon in sich, angesichts eines auch während Corona boomenden Drangs in die freie Natur! Und danach wohl (wirtschaftlich) hoffentlich wieder deutlich steigender Gästezahlen aus Nah und Fern.
Ein, ökologisch wie ökonomisch sinnvoll ausgerichteter Weg zur „Qualität vor Quantität Strategie “ muss, nicht zuletzt als Resultat von Corona, Gebot der Stunde sein. Und, logischerweise, müssen sich dann die Hardwarestrukturen ebenso sukzessive daran ausrichten…
Kommentieren