9. Januar 2021 | 16:30 | Kategorie:
2

Praktische Erfahrungen mit Kontingentierung & Online-Ticketing

Nach den Weihnachtsferien kann resümiert werden, dass die gemeinsame Strategie der Skigebiete in Niederösterreich und angrenzender Steiermark (Stuhleck und Mariazeller Bürgeralpe) aufgegangen ist: Einerseits wurde die Anzahl der Besucher*innen zahlenmäßig begrenzt (Kontingentierung), andererseits ein gültiges Ticket (Online-Buchung, Saisonkarte) als zwingende Voraussetzung für die Zufahrt bzw. den Zutritt beim Skigebiet definiert. Dadurch kam es nicht zum massiven Zusammenströmen größerer Menschenmengen wie es beim gewohnten „first come, first served“-Prinzip zu befürchten gewesen wäre.

Aufgrund der extremen Umstände des harten Lockdowns konnten (und mussten) die Skigebiete in der Nähe der Ballungszentren in 14 Tagen sehr viel über Besucherlenkung und Online-Geschäft lernen. Vor allem war es aber notwendig, in einem Schulterschluss der Branche („Sicher skifahren in Niederösterreich“), untereinander gut abgestimmt vorzubereiten und umzusetzen. Denn eine radikale Verhaltensänderung wie obligatorisches Online-Ticketing setzt in der Kommunikation eine klare, einheitliche Botschaft („Zutritt Skigebiete nur mit gültigem Ticket!“) für die gesamte Region voraus.

Die Koordinationsarbeit hat die Taskforce „Sicher rausgehen in Niederösterreich“ unter der Leitung von Isabella Hinterleitner, unterstützt durch die Fachvertretung Seilbahnen in der Wirtschaftskammer Niederösterreich, geleistet. Die Abläufe in den Skigebieten funktionieren erstaunlich gut, wobei ständig dazugelernt und nachgebessert wird. Einen Einblick gibt die aktuelle Episode des Podcast „Rausgehen“, in der Fritz Hutter die Annaberger Lifte besucht.

Kontingentierung durchsetzen

Der Gesundheitsminister schreibt bekanntlich den Betreibern der Seilbahnen als Teil des COVID-19-Präventionskonzeptes „Regelungen zur Steuerung der Kundenströme und Regulierung der Anzahl der Kunden“ sowie „Entzerrungsmaßnahmen“ vor. Kapazitätsmanagement rein über die Verknappung der Stellplätze ist aber problematisch, wenn diese (wie in der Nähe der Ballungszentren) auch bereits vor Beginn des Skibetriebes per 24. Dezember regelmäßig durch Erholungssuchende ausgelastet waren.

In Niederösterreich haben sich Bezirksverwaltungsbehörden in zeitlich befristeten COVID-19-Verordnungen auf die Festlegungen der Skigebiete in deren Präventionskonzepten, was nämlich die maximale Auslastung der Stellplätze bzw. die Höchstanzahl der Gäste anbelangt, bezogen. Damit ist eine Rechtsgrundlage geschaffen, um teilweise dem Parkplatz vorgelagerte Checkpoints zu errichten, an denen die Nutzungsberechtigung („gültiges Ticket“) durch Beauftragte des Betreibers überprüft wird. Die Exekutive unterstützt diesen Prozess durch ihre (sicherlich deeskalierend wirkende) Präsenz und allenfalls auch durch Verkehrsleitung.

Am Semmering ist es – aufgrund der Charakteristik der Passstraße als Durchzugsstraße sowie des möglichen Rückstaus auf das übergeordnete Straßennetz – nicht opportun, dauerhaft Checkpoints zu errichten. Die Kontingentierung der Betreiber der Seilbahnen bzw. auch das Parkraummanagement wurde jedoch durch „Wildparken“ konterkariert. So waren im Kurort-Semmering auf relativ engem Raum am frühen Nachmittag bei höchstem Füllstand im Messkorridor für die anonymisierten Mobilfunkbewegungsdaten an manchen Tagen rund 3.000 Personen aufhältig, während das Skigebiet Zauberberg Semmering zur gleichen Zeit in seinem Bereich (eigener Kundenparkplatz, gesamtes Skigebiet) 1.000 Gäste hatte.

Besucherlenkung konkret

Wie bereits im Zwischenresümee ausgeführt, wurden vielfach Halbtageskarten bzw. 2- und 4-Stundenkarten zur Entzerrung der Gästeströme forciert. Bei den Hochkar Bergbahnen und den Ötscherliften wurden beispielsweise während der Weihnachtsferien konsequenterweise nur Halbtageskarten angeboten, von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 12.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Durch diesen Zweischichtbetrieb konnte die Anzahl der „Skier Days“ (besser: Ersteintritte) optimiert werden und Spitzen bei Ticketautomaten und Kassen geglättet werden. Mangels Gastronomie war die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Skigäste in Niederösterreich ohnehin nur etwas über drei Stunden.

Bei der Erlebnisarena St. Corona am Wechsel wurde den Familien kurzerhand eine eigene Flutlichtkarte ab 15.00 Uhr angeboten, somit sind über den Tag verteilt (in drei Schichten) konstant wenige Gäste gleichzeitig im Areal. Die Skier Days und auch die Erlöse brechen jedoch trotz genereller Reduktion der Kapazitäten um die Hälfte nicht aliquot ein.

Dieses Bild verfestigt sich bei Betrachtung der sechs meistbesuchten Skigebiete in Niederösterreich während der Weihnachtsferien, die heuer gemeinsam rund 100.000 „Skier Days“ (mehrheitlich ja Halbtages- und Stundenkarten) erzielten: Im Vergleich zu den drei Vorwintern entspricht dies einem Rückgang von rund 20 %. Diese sechs Skigebiete können unter Normalbedingungen – also ohne COVID-19-Präventionsmaßnahmen – täglich rund 18.900 Skier Days (also kumuliert in 14 Tagen bis zu 264.600 Skier Days) aufnehmen.

Die anonymisierten Mobilfunkbewegungsdaten zeigen für den gleichen Zeitraum übrigens rund 179.000 Besuche (Mindestaufenthaltsdauer von einer Stunde), wobei ein Großteil des Deltas zu den 100.000 Skier Days wie o.a. auf Semmering mit den (trotz abgesperrter Gemeindewiesen) omnipräsenten Rodel- und Bobgästen entfällt; in einigen anderen Skigebieten werden Begleitpersonen von Kindern und Nutzungen wie Tourengehen oder Langlaufen mitgemessen.

Online-Quantensprung und Ausblick

Online-Ticketing von beinahe null auf praktisch hundert Prozent zu fahren, hat natürlich gleich einmal die Stärken und Schwächen unterschiedlicher Online-Shops aufgezeigt. Auch wird die Gesamtübersicht zu den Verfügbarkeiten über die Progressive Web App www.winternavi.at laufend verbessert. Immer mehr Gäste haben sich erfreulicherweise ihre Keycard behalten, derzeit buchen bereits 30 % direkt auf und ersparen sich dadurch den Pick-up bei Ticketautomat oder Kassa!

Die strategischen Möglichkeiten, die sich durch diese spezielle Situation des „Online-Quantensprungs“ bieten, werden jedoch bereits in naher Zukunft erforderlich sein: Die Wochentage bis zu den Semesterferien müssen (ganz im Sinne der Entzerrung) beworben werden, es mehren sich Anfragen für Mehrtageskarten für die Zeit nach dem harten Lockdown. Für Saisonkarten-Inhaber*innen wurden bisher in den Kontingenten ohne eigene Online-Reservierung Plätze vorgehalten. Für Aufenthaltsgäste muss auch eine Lösung geschaffen werden.

Denn die Erfahrungen der ersten Tage und Wochen zeigen wie sensibel die Kontingentierung ist. Eine Steigerung von nur wenigen Prozent kann dazu führen, dass die Prozesse nicht mehr so rund laufen, sich z.B. Wartezeiten erhöhen oder Abstandsregeln nicht mehr so gut einhalten lassen. Auch bei der Besucherlenkung zwischen den Aufstiegshilfen müssen teilweise – je nach den Gegebenheiten des Skigebietes – mit temporären Pistensperren ungewöhnliche Maßnahmen ergriffen werden, um Auslastungen bzw. Wartezeiten zu steuern.

Am Sonntag, 3. Jänner 2021, kamen 80 % der Gäste (in den sechs meistbesuchten Skigebieten in Niederösterreich während der Weihnachtsferien) aus dem gelb schraffierten Bereich, also neben Niederösterreich selbst und Wien auch aus Nachbarbundesländern. Quelle: Invenium Data Insights

 

11. Januar 2021, 11:06

Dem Team um Markus Redl ist zu diesem mutigen Beispiel für agiles (Besucher-)Management und Besucherlenkung zu gratulieren. Gerade in diesen für die Skigebiete nicht einfachen Zeiten, wo man sehr schnell am Pranger stehen kann und gleichzeitig gegen Verluste kämpft, ist dieses Lenkungsmodell ein gelungenes Musterbeispiel. Es wird wohl auch für Post-Corona-Zeiten viele wertvolle Lernerfahrungen liefern, wenn wir wieder über Overcrowding oder Overtourism diskutieren werden – was aus heutiger Sicht eher unwirklich wirken mag, aber gar nicht so weit weg ist. Die Anwendung eines Monitoring über Mobilfunkdaten, ein Online-Ticket-System gepaart mit mutiger Kontrolle und die resultierende Anwendung zur Steuerung über Marketingmaßnahmen z.B. zur Bewerbung der Wochentage im Februar zeigt sehr gut auf, wie man die theoretisch schon lange diskutierten Ansätze erfolgreich umsetzen kann.

11. Januar 2021, 17:04

Den anerkennenden Worten von Werner Taurer für die Maßnahmen zum Besuchermanagement in den Skigebieten Niederösterreichs darf ich mich anschließen. Wie Werner richtig bemerkt, werden derartige Steuerungsmaßnahmen schon lange diskutiert, auch werden sie in nicht wenigen Fällen in der Praxis angewandt. Ich darf etwa an die schon vor Jahrzehnten eingeführten Maßnahmen zur Limitierung der Zahl der Skiläufer im Raum Lech-Oberlech-Zürs erinnern. Auch Online-Ticketing sowie gezielte Marketingmaßnahmen für schwächer frequentierte Zeiten sind quer durch die Branche gang und gäbe.

Die Konsequenz jedoch, mit der Niederösterreich mit seinen Initiativen „Sicher skifahren in Niederösterreich“ und „Sicher rausgehen in Niederösterreich“ das Besuchermanagement für Skigebiete und Ausflugsziele flächendeckend angeht, ist in seiner Art neu und vorbildhaft. Der Umstand, dass die Niederösterreichische Bergbahnen Beteiligungs GmbH mit Ausnahme des Semmering die wichtigsten Skigebiete des Landes zentral steuern kann, ist da natürlich ein großer Vorteil.

Das Konzept ist jedenfalls aufgegangen. Das lässt sich u.a. daraus ableiten, dass bei den neulich von der Bundesregierung angesprochenen „schwarzen Schafen“ unter den Skigebieten offenbar keine Anlage in Niederösterreich gemeint war. Diesen Schluss lässt jedenfalls die Analyse von Medienberichten zu.

Besonders hervorzuheben ist auch, dass die diversen Unterlagen zu den oben genannten Initiativen übersichtlich und leicht verständlich ausgearbeitet und via Internet allgemein zugänglich sind. Markus Redl hat ja schon im vergangenen Sommer allen Interessierten einen offenen Erfahrungs- und Wissensaustauch angeboten.

Eine Herausforderung besteht sicher noch darin, das Geschehen bei jenen Ausflugszielen sowie für jene Freizeitaktivitäten in den Griff zu bekommen, die ohne Tickets in Anspruch genommen bzw. ausgeübt werden können (z.B. Rodelwiesen am Semmering). Das alleinige Sperren von Parkflächen und / oder von Flächen zur Ausübung dieser Aktivitäten greift sicher zu kurz.

Kommentieren

 
Ihre Daten werden im Rahmen der Kommentarfunktion gespeichert, darüberhinaus aber für keine weiteren Zwecke verwendet. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Kommentar zurücksetzen