15. Dezember 2020 | 15:58 | Kategorie:
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Koste es, was es wolle!

Seit gestern habe ich eine neue Lieblingszahl: nach 100 Millionen Euro sind es jetzt 500 Millionen Euro. Soviel, versicherte gestern Abend Andreas Mayer-Bohusch, ZIB-Innenpolitik, kostet nach Angaben der Regierung ein Tag Lockdown. Mayer-Bohusch zog diese Zahl heran, um die ökonomische Sinnhaftigkeit von Gutschein-Anreizen für die zweite Massentest-Runde darzulegen: Gelingt es, 4 Millionen Menschen im Januar zum Test zu holen, und gibt man jedem einen Gutschein über 50 Euro, dann wäre diese Maßnahme mit gesamt 200 Millionen Euro weniger als halb so teuer wie ein Tag Lockdown.

Bezug zur Realität schwindet

Nun hatte ich ja schon früher den Eindruck, dass manchem Meinungsbildner aus Politik oder Medien mit wachsender Zahl der Nullen beim Euro-Betrag der Bezug zur Realität abhanden kommt. Klar, wenn man den letzten Lockdown mit 20 Tagen und pro Tag volkswirtschaftliche Kosten von 500 Millionen Euro ansetzt, sind das 10 Milliarden Euro. Nur zum Vergleich: 2018 beliefen sich die direkten und indirekten Wertschöpfungseffekte des Tourismus auf 28,34 Milliarden Euro, das sind 7,3% des BIP. Soll ich meinen Studenten am MCI demnächst erzählen, dass die österreichische Tourismus- und Freizeitwirtschaft in guten Zeiten den Gegenwert von drei Lockdowns erwirtschaftete?

Wie gesagt, es schwindet der Bezug. Und auch darin sehe ich eine neue Gefahr der „neuen Normalität“. Denn allenthalben liest man jetzt von Zahlenspielereien, so war jüngst im Standard von einer Zahlenspielerei des Instituts Momentum die Rede:

Denn die Hälfte der Bevölkerung über das gesamte nächste Jahr alle vier Tage auf das Virus zu testen koste 2,9 Milliarden Euro, steht in einer Aussendung vom Mittwoch. Dabei seien die Kosten für die Tests mit sieben Euro veranschlagt. […] Würde man dazu auch 9.000 Vollzeitstellen für Contact-Tracer schaffen, die 2.000 Euro brutto im Monat verdienen, müsste der Staat für die Gesamtstrategie 3,4 Milliarden Euro aufbringen. Das wäre nicht nur mehr als doppelt so effizient wie ein neuerlicher Lockdown, sondern würde neue Arbeitsplätze schaffen, statt welche zu gefährden, lautet das Argument.

Nun ja, mit dem Ansatz ausschließlich von Staats wegen die Wirtschaft zu lenken ist ein halber Kontinent vor rund 30 Jahren glorios gescheitert. Doch die Schäden, die die staatlich verordneten Maßnahmen seit dem Frühjahr für die reale Wirtschaft – und auch die Gesellschaft – nach sich ziehen, sind mittlerweile enorm. Diesbezüglich frage ich mit mit jedem Tag mehr, ob es denn kosten darf, was es wolle…

 

16. Dezember 2020, 13:02

Die Zahlen sind tatsächlich schon in einer Größenordnung, die wir kaum mehr überblicken können. Daher müssen wir auch Relationen herstellen, um sie vorstellbar zu machen.

Ein anderer Zugang geht wie folgt (wobei auch dieser Vergleich wie viele andere ziemlich hinkt): Großbritannien hat den Lockdown zu spät eingeleitet und man rechnet mit einem Einbruch des BIP von 20 %. Österreich hat zwei Lockdowns durchgeführt und wird dafür etwa 50 Mrd. Euro in die Schlacht werfen und kann dafür mit einem BIP-Rückgang von 7 % rechnen.

Wir haben uns somit 13 % des BIP (d.s. 52 Mrd EUR) erhalten und eine Überfüllung der Krankenhäuser und die gefürchtete Triage sowie auch etliche tausend Tote und dauerhaft Schwerkranke erspart.

Ja, es hat eine Menge Geld gekostet und wird es noch weiter tun. Ich bin trotzdem in diesen Tagen sehr froh in Österreich zu leben.

Trotzdem schöne Festtage und Gesundheit im kommenden Jahr.

16. Dezember 2020, 17:52

Auch zu Großbritannien kursieren verschiedene Zahlen, vor einem Monat beim Forecast der Kommission waren es noch – 10%:

https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/economic-performance-and-forecasts/economic-forecasts/autumn-2020-economic-forecast_en

Auch volkswirtschaftliche Kennzahlen gehören ins Propaganda-Repertoire.

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