28. September 2020 | 15:45 | Kategorie:
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#Tourism4Future: Vom Wahrnehmen zum Gegenwartskönnen

Ich habe zuletzt für einen Tourismus nach Corona als Wahrnehmungsschule plädiert. Was wäre die Konsequenz daraus? Unter anderem, Gegenwartskönnen. Warum das wichtig ist? Weil die Zukunft in der Gegenwart wurzelt und diese nur anders wird, wenn wir heute dafür sorgen oder zumindest damit beginnen. Das setzt Können voraus.

Gegenwartsvergessenheit

Was macht der moderne Mensch, Mann, Frau den ganzen lieben Tag? Oft schaut er zurück und schwelgt in Erinnerungen, die ihm gute Gefühle bescheren. Oder er schaut in die Zukunft, in der Hoffnung, dass dann die Probleme, die er heute hat, verschwunden sein werden. Auch das beschert ihm gute Gefühle, die ihn rückwirkend befeuern.

Nur selten aber hält er inne und verweilt im Augenblick. Nur selten richtet er seine Wahrnehmung und seine Aufmerksamkeit auf das, was ist. Auf diesen Moment. Als wäre sein Augenblickskönnen verloren gegangen. Als wäre die Gegenwart nur dazu da, um rasch hinter sich gebracht zu werden.

Dabei können wir unser Leben nur in der Gegenwart leben. Sie ist der einzige Moment im gesamten Kontinuum, in dem wir handeln können. Der einzige Moment, in dem wir unser Leben spüren und uns daran erfreuen können. Somit ist er zweifellos der wichtigste Moment des zeitlichen Kontinuums. Und diesem Moment widmen wir, gemessen an Vergangenheit und Zukunft, in unserer Wahrnehmung vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit. Warum?

Die Jahrhundertlüge

Unsere Gegenwartsvergessenheit hat mehrere Gründe: Wahrnehmungsverlust infolge Digitalisierung ist ein triftiger Grund. Die zunehmende Beschleunigung, die uns immer schneller durch die Gegenwart jagt, ein weiterer. Ebenso die zunehmende Zerstörung der Lebensgrundlagen. Sie wirkt als Brandbeschleuniger des Fluchtverhaltens aus einem Jetzt, das sich für viele stetig verschlechtert.

Die entscheidende Ursache jedoch sehe ich in dem falschen Versprechen, mit dem die Neuzeit angetreten ist: Permanenter Fortschritt – Morgen wird es besser sein als Heute! Das lenkt die Aufmerksamkeit auf Kosten der Gegenwart automatisch auf die Zukunft und entwertet die Gegenwart.

Ist das Versprechen je eingelöst worden? In dem Sinne, dass es allen besser ginge? Nicht nur einer Minderheit?

Nein, denn das Versprechen ist mit einem materialistischen Entwicklungsprogramm verbunden, welches das Gros der Menschen ausblendet: Wohlstand einiger auf Kosten vieler!

Es ist daher auch kein Versprechen, sondern eine simple Lüge. Eine Jahrhundertlüge, erfunden, um einer Minderheit ein Leben in Saus und Braus zu ermöglichen und jene unter den möglichen GewinnerInnen bei der Stange zu halten, die es noch nicht geschafft haben.

Diese Lüge fällt uns heute auf den Kopf

Die Ausgeschlossenen lassen sich nicht mehr länger ausschließen und handeln zunehmend entschlossen.
Die Erde, unser Heimatplant setzt sich ebenfalls, unverhohlen dagegen zur Wehr. Sie redet nicht, sie handelt auf ihre Art und weist den modernen Menschen in die Schranken, der anhaltend gegen die Gesetzlichkeiten des Lebens verstößt.

Tourismus als Befreiungsakt

Selbstverständlich können wir uns aus dieser Lage und von dieser Lüge befreien! Jetzt! Am besten beginnen wir damit dort, wo der wirtschaftliche Erfolg der Handelnden von der Qualität der Gegenwart abhängt. Wo ist das der Fall, wenn nicht im Tourismus?

Was wir dafür brauchen sind Fantasie, Mut und Entschlossenheit für die Entwicklung eines Wirtschaftsmodells, das uns von den Übeln der Moderne befreit. Ein partnerschaftliches Wirtschaftsmodell ist gefragt, das global allen nutzt anstatt nur einer Minderheit. Ein Modell, das sich an den Gesetzlichkeiten des Lebens orientiert, anstatt diese zu ignorieren.

Beginnen wir damit im Tourismus, entstehen zugleich neue Arbeitsplätze, die wir dringend brauchen. Hier können wir es schaffen, dass sich Menschen zügig in ein neues Wirtschaftsmodell verlieben, das anderen als Vorbild dient.

Damit ist der Weg vorgezeichnet, den ein gegenwartstauglicher (!) Tourismus nach Corona nur noch beschreiten muss.

Zugleich ist dieses Gegenwartskönnen aber jetzt schon dringend notwendig. Die Corona bedingten Unwägbarkeiten greifen um sich. Da hilft, wie Matthias Strolz in der Tourismuspresse kürzlich meinte, nur die Liebe zur Lebendigkeit. Gibt es einen besseren Appell für Gegenwartskönnen als diesen?

Auf was warten wir noch?

29. September 2020, 8:58

Lieber Gerhard, vielleicht warten wir darauf, dass genau solche Erlebnis-Einladungen für Gäste + Besucher mit aufregend mutigen, weil e c h t e n Gegenwartsbezügen, die derzeit in darauf spezialisierten Werkstätten gekonnt erarbeitet werden bzw. seit Jahren aus zugeschraubten Schubladen hervorquellen wollen … willkommen geheißen, gefördert und genutzt werden?

Mögen uns die falschen Wachstumsversprechen sowie auch die entsprechend angepassten falschen Erwartungen auf den Kopf fallen und die schönen Scheuklappen zerbröseln …

Damit unsere Wahrnehmung für die Gegenwart wieder frei wird und Ideen, Konzepte und Lösungen entstehen, die deshalb nachhaltig funktionieren werden, weil sie von realen statt erwünschten Standpunkten ausgehen.

2020 – eine schwere Zeit und deshalb unsere Chance.

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