Tourism 4 Future: Ich bin nicht allein!
Es ist einfach grauslich, was wir Menschen mit der Natur machen und uns gegenseitig antun. Das Zitat stammt nicht von mir. Sondern von meinem Steuerberater. Familienvater von drei Töchtern und seit kurzem zweifacher Großvater. Getätigt in unserem letzten Telefonat, als unser Gespräch auf den Corona-Hotspot bei Tönnies kam.
Ich kann dem nichts hinzufügen.
Wir hoffen von ganzem Herzen, dass eine Welt untergegangen ist und eine neue entstehen kann. Auch nicht von mir. Sondern – man lese und staune – von einem venezianischen Gastwirten (!) angesichts der plötzlichen Ruhe in seiner Heimatstadt. Sie müsste ihn eigentlich verzweifeln lassen. Denn wovon lebt er jetzt und in Zukunft? Derselbe weiter: Dazu müsse die Politik allerdings begreifen, dass das Heil unmöglich im Tourismus allein liegen könne. Und dass es Anreize brauche, damit Menschen aus Venedig nicht mehr wegziehen, sondern sich wieder vermehrt hier niederlassen.
Auch dem kann ich nichts hinzufügen.
Es gibt noch andere!
Ich bin nicht allein mit meinen Ansichten und meinem unermüdlichen Werben für eine menschlichere, naturnahe, friedvolle, faire, klimafreundliche Welt, in der auch noch unsere Nachfahren, unsere Kinder, Enkeln und Urenkeln lachen und hoffen und ein lebenswertes Leben führen können. Und das weltweit und ungeachtet ihrer Hautfarbe, des Geschlechts, ihres Glaubens im Speziellen und der kulturellen Überzeugung im Allgemeinen.
Der Historiker Philip Blom spricht … von einem historischen Moment des Umbruchs, dem rapiden Kollaps einer kollektiven Erzählung, der Wachstumsökonomie, der industriellen Moderne und ihrer Strukturen, der Herrschaft über die Natur. (Seite 9 in seinem aktuellen Buch).
Was würde er wohl dem neuen Präsidenten der Industriellenvereinigung, Georg Knill entgegenhalten, dem nichts anderes angesichts der Bewältigung der Corona-Krise einfällt als Wachstum, Wachstum, Wachstum? Fürwahr ein schrecklicher Anachronismus angesichts der weltweiten Verwüstungen, die das Wachstumsmodell mittlerweile angerichtet hat. Was läuft in den Köpfen von Menschen ab, die, wenn sie über die Zukunft sprechen, ausschließlich zurückschauen?
Vielleicht würde Philip Blom wie folgt antworten: Um aber eine unabänderliche Transformation denken zu können und um sie fühlen zu lernen, müssen neue Bilder angeboten, Räume für Experimente geöffnet werden, die eine Verbindung zwischen Begriffen und Gefühlen schaffen. (Ebenfalls Seite 9 in seinem aktuellen Buch). Wem das bekannt vorkommt, der / die hat meine letzten Blogbeiträge aufmerksam gelesen.
In der Tat, ich bin nicht allein!
Entwicklung statt Wachstum, Vielfalt statt Reichtum
Wir müssen uns als Menschen, als Kultur und als Menschheit weiterentwickeln! Emotional, spirituell, intellektuell. Als Individuen und als institutionelle GestalterInnen. In Worten und Taten! Dabei werden wir erkennen, dass auch andere Wirtschaftsmodelle möglich sind als dieses ewiglich wiederkehrende, stupide Mehr-von-demselben. Wir würden erkennen, wo wir tatsächlich wachsen können. Nämlich dort, wo Tun in erster Linie sich immateriell verkörpert. Z.B. Tanzen, Musizieren, einander Pflegen, Helfen, Trösten usw. Und wo nicht. Nämlich dort, wo die endlichen Ressourcen unseres Planeten unseren Handlungen Grenzen setzt.
Grenzen sind per se nicht schlechtes. Wir müssen sie nur als Aufforderung an unsere Kreativität verstehen. Werte LeserInnen, öffnen Sie Ihre Sinne und entdecken Sie einmal, was die Natur aus dieser Begrenzung gemacht hat!
Exakt: Vielfalt statt Reichtum!
Was ist notwendig, um die Ordnung der Welt, die schließlich in den Köpfen der Menschen besteht, stark genug zu verändern, dass sie einer veränderten Wirklichkeit entspricht? fragt wiederum Philip Blom (auf Seite 26 seines aktuellen Buches). Die Antwort darauf habe ich in meinem vorletzten Blogbeitrag gegeben: Wir müssen an die Quelle der Fantasie reisen. Und das ist das reale Erleben als Ort, an dem spielerisch neue Bilder im Kopf entstehen.
Ich träume von einem Tourismus, der uns aus dem Denkgefängnis befreit
Der Tourismus bringt Menschen in Kontakt. Er stellt Beziehungen her. Zwischen Mensch und Mensch, zwischen Mensch und Kultur, zwischen Mensch und Natur. Und all das geschieht im Tun. Ereignet es sich im spielerischen Tun lässt es uns Dinge ausprobieren. So kommen wir auf neue Gedanken, neue Bilder entstehen im Kopf, die wir dann miteinander teilen und mit lohnenden Gefühlen verbinden. Ein guter Neubeginn also.
Ich träume von einem österreichischen Tourismus als Labor der geselligen Zukunftsfähigkeit in einem wunderbaren Urlaubsland, um das uns viele beneiden! Ich wünsche mir Georg Knill als Gast dieses Labors. Nicht als Gegner, sondern als Verbündeten. Wenn es soweit ist, möchte ich ihn am liebsten persönlich einladen, damit wir gemeinsam Schritte in eine enkel- und klimataugliche Zukunft wagen. Was er dort erkennen würde?
Wir dürfen die Lösungen nicht nur in der Technik suchen, sondern auch in einer Veränderung der Menschen, denn anderenfalls würden wir nur die Symptome bekämpfen. Nein, das ist nicht Philip Blom, sondern Papst Franziskus auf Seite 26 seiner Papstenzyklika Laudato si´.
Von meiner Neigung her bin ich gewohnt, die Dinge anzuschauen, zu sehen was ist und dann mit meiner Lebenserfahrung Schlüsse daraus zu ziehen. So habe ich gut meinen Beruf erfüllen können, um die Ursachen für Bauschäden festzustellen und dann Konzepte für die Sanierung auszuarbeiten. So schau ich aber auch mit Achtsamkeit heute Menschen an, sehe ihren Zustand und kann ihnen meistens auch helfen. Wenn ich im Hinterkopf immer nur an meinen Vortei oder Gewinn denke, wäre das nicht möglich, hätte ich meinen Beruf nicht gut machen können.
Ich verstehe nicht, dass Menschen immer nur nach ihrem Gewinn suchen. Dabei aber nicht wahrnehmen können, was ist, wie alles mit allem zusammenhängt und der Mensch ja nur ein Teil davon ist und am besten fährt, wenn er sich harmonisch in das Leben einfügt. Wir sind nur Teil des Lebens wie jede Blume, jeder Baum, wie die kleine Ameise oder der brüllende Löwe. Wenn wir glauben, uns zum Herrn des Lebens machen zu können, werden wir sehen, dass wir den kürzeren ziehen. Das Leben funktioniert nach anderen Gesetzen!
Ich kann Dir nur gratulieren, Gerhard! Du triffst immer den Nagel auf den Kopf. Doch genug gedacht und geredet: wann endlich fangen wir an, gemeinsam anders zu leben?
Lieber Kollege Gerhard Frank –
ich habe den anregenden Beitrag genüsslich konsumiert – ein Labsal und Lichtstrahl. Das alles steht natürlich gerade im krassen Gegensatz zu anderen Meldungen in Richtung verstärkte COVID Maßnahmen, neue und immer wieder neue Standards mit Fokus 100%ige Durch-Hygienisierung etc. und zur wahrnehmbar leider wieder schlechteren Branchenstimmung.
Mögen wir durch Worte wie diese in Zeiten wie diesen neben allen „Dringlichkeiten“ die länger währenden WICHTIGKEITEN immer wieder in das Blickfeld rücken, denn das unbequeme Klimathema nimmt leise dafür beharrlich an Dringlichkeit zu und bewegt sich in Richtung Überholspur …
Viele arbeiten wie wir bereits in nachhaltigen (Tourismus-)Projekten am positiven Bewusstseins-„Shift“ der Menschen – es dürfen noch viel mehr werden!
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