Vor dem Sündenfall?
Über die Differenzen zwischen Nützen und Bewahren in den Alpen ist nicht zuletzt in diesem Blog bereits viel gesagt und geschrieben worden. Das Land Tirol überarbeitet derzeit vor dem Hintergrund medialer Debatten (Ruhegebiet Kalkkögel, Piz Val Gronda) die Seilbahngrundsätze seiner Raumordnung. Darüber hinaus wird am Brenner die Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Projekt abgehandelt, in welchem die einen den nächsten „Sündenfall“, die anderen einen „Quantensprung“ sehen: ein Windpark auf 2.300 Meter Seehöhe.Die Argumente dafür und dagegen unterscheiden sich nicht wesentlich von jenen Glaubenssätzen, die wir im Tourismus seit Jahrzehnten immer wieder gepredigt bekommen, wenn es um den Ausbau von Infrastrukturen in alpinem Gelände geht. In Zeiten wie diesen punkten Projekt-Befürworter mit einem Plädoyer für „saubere Energie“ und eine Abkehr von fossilen Energieträgern. Gegner, wie die Alpenvereine, formieren ihren Widerstand, weil sie – geprägt von jahrzehntelangen Debatten um Sinn und Unsinn von Wasserkraft – weitere Dämme im Alpinschutz brechen sehen. Touristiker fürchten um das Landschaftsbild: hier darf die Liftstütze zieren, nicht aber das Windrad!
Und noch ein weiteres Argument erinnert an die touristischen Nutzungsdebatten: jenes der wirtschaftlichen Umwegrentabilität. Im gegenständlichen Fall ist die Firma Leitwind der Projektwerber, die ihrerseits zu Leitner Technologies gehört. Bekannter Maßen hat das Südtiroler Unternehmen vor Jahren eine Niederlassung in Telfs in Tirol errichtet und sich damit das Wohlwollen der Politik gesichert. Für die Anrainergemeinde Brenner bedeutet eine Realisierung des Windpark-Projektes am Sattelberg zusätzliche Einnahmen von 500.000 Euro pro Jahr. Argumente, die in Zeiten wie diesen eine Umweltverträglichkeitsprüfung auf wundersame Weise beschleunigen können…
Da ist natürlich die Politik gefordert und es ist mit einem klaren JA oder NEIN zu antworten. Es wird auch in den Alpen Gebiete geben müssen, die für die wirtschaftliche Nutzung offen sind. Dafür sind andere Regionen (etwa Nationalparks) tatsächlich und möglichst vollständig zu schützen, weil die Erhaltung der unverfälschten und unveränderten alpinen Landschaft sowohl aus Sicht des Tourismus als auch späterer Generationen zu fordern ist.
Schon bisher ist durch Bebauung viel gesündigt worden, und wer sich heute in die Rolle eines erholungsuchenden Gastes versetzt und oftmals ziemlich verschandelte Ortsgebilde erlebt, wird verstehen, dass wir mancherorts dabei sind, den Ast abzusägen auf dem wir sitzen. Da brauchen wir nicht die Costa del Sol oder die italienische Adria strapazieren Torremolinos gibt es auch in den Alpen.
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