„Aktionsplan Sichere Almen“: kein Alleingang
Der gestern präsentierte „Aktionsplan Sichere Almen“ ist kein Alleingang der Bundesregierung, sondern wird von den Sozialpartnern und dem mitgliederstärksten alpinen Verein Österreichs mitgetragen. So weit, so erfreulich! Außerdem wird an die Eigenverantwortung von Besucherinnen und Besuchern von Almen und Weiden appeliert, die Rolle der Tierhalter jedoch nicht ausgeblendet, was der komplexen Problematik von Kuhattacken auf Wanderinnen und Wanderer gerecht wird.
Besonderer Anlass und Gesetzgebung
Der Nutzungskonflikt zwischen Landwirtschaft und Tourismus hat sich durch veränderte Rahmenbedingungen – wie höheres Besucheraufkommen an neuralgischen Stellen und wesentlich mehr Mutterkuhhaltung – in den letzten Jahren verschärft. Zumindest wurde medial verstärkt über Kuhattacken berichtet, insbesondere auf Hundehalterinnen und Hundehalter. Das erstinstanzliche „Pinnisalm-Urteil“ des Landesgericht Innsbruck zu einem Vorfall im Sommer 2014, bei dem eine Urlauberin durch eine Rinderherde getötet worden war, ist bekanntlich kontroversiell diskutiert worden (siehe dazu LK Tirol sowie FALTER).
Die Bundesregierung hat daraufhin als legislative Maßnahme die Änderung der Tierhalterhaftung durch ein Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2019 angekündigt. Der Gesetzesentwurf sieht einen neuen § 1320 Abs. 2 ABGB vor:
„(2) In der Alm- und Weidewirtschaft kann der Halter bei Beurteilung der Frage, welche Verwahrung erforderlich ist, auf anerkannte Standards der Viehhaltung zurückgreifen. Sonst hat er die im Hinblick auf die ihm bekannte Gefährlichkeit der Tiere, die ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Vermeidung solcher Gefahren und die erwartbare Eigenverantwortung anderer Personen gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Die erwartbare Eigenverantwortung der Besucher von Almen und Weiden richtet sich nach den durch die Alm- und Weidetierhaltung drohenden Gefahren, der Verkehrsübung und anwendbaren Verhaltensregeln.“
Konkrete Inhalte des Aktionsplans
Der „Aktionsplan Sichere Almen“ enthält konsequenterweise sowohl „10 Verhaltensregeln für Besucherinnen und Besucher“ als auch einen „Standard für die Alm- und Weidewirtschaft“ (siehe www.sichere-almen.at). Die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung der Tiere hängt auch weiterhin von den Umständen ab, wird von den Gerichten immer im Einzelfall beurteilt. Die Interessen der körperlichen Unversehrtheit der Besucherinnen und Besucher werden mit dem öffentlichen Interesse einer funktionierenden Alm- und Weidewirtschaft bzw. der Zumutbarkeit für die Landwirtin / den Landwirt abgewogen: Je wahrscheinlicher eine Schädigung, desto besser ist das Tier zu verwahren.
Das Infoblatt zum „Standard für die Alm- und Weidewirtschaft“ formuliert daher folgende Empfehlungen für Tierhalter:
- Eine Einzäunung von Almflächen oder entlang von Wegen, die durch ein Alm- oder Weidegebiet führen, bzw. eine ständige Anwesenheit einer Aufsichtsperson auf der Alm und der Weide sind normalerweise nicht erforderlich.
- Bei touristisch oder verkehrsmäßig besonders stark frequentierten Stellen, auf denen sich die Tiere oft aufhalten, soll der Tierhalter jedoch überlegen, ob im Einzelfall aus Sicherheitsgründen eine Einzäunung erforderlich ist.
- Einzelne besonders auffällige Tiere sollen beobachtet und bei wiederholt aggressivem Verhalten gegenüber Menschen gesondert verwahrt werden.
Endlich gibt es eine Lösung, die die Eigenverantwortung und die Vernunft der Beteiligten in den Vordergrund stellt.
Ähnliches würde m. E. auch für das Thema Mountain-Bike gelten, wo nicht der Grundbesitzer bestraft werden sollte, der einen in der Nacht herabgefallenen Ast nicht spätestens am Morgen entfernt hat, sondern der Sportler, der nicht „auf Sicht“ gefahren ist. Würde man diese Eigenverantwortung auch in diesem Fall anwenden, wären mehr Forststraßen als bisher geöffnet und Österreich wäre nie in den Ruf gekommen ein eher fahrradfeindliches Land zu sein.
Gut Ding braucht manchmal eben Weile und wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass der Wegenutzer die Straßen, Forststraßen und Almwege vernünftig und mit angemessenem Gefahrenbewußtsein nutzen soll und das auch legistisch umgesetzt wird, wäre viel gewonnen.
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