Wenn sich Skigebiete einen Flughafen bauen
Der skandinavische Heimmarkt wird von der an der Börse in Stockholm notierten Skigebiets-Gruppe SkiStar mit seinen fünf Destinationen in Schweden und Norwegen (sowie St. Johann in Tirol) längst beherrscht, besonderes Wachstum ist dort nicht mehr möglich. Das Kalkül, „Presenting Sponsor“ der Alpinen Skiweltmeisterschaft 2019 in Åre zu sein, war somit ganz klar über die Plattform skistar.com mehr internationale Gäste aus Deutschland, Niederlanden, Großbritannien, den baltischen Staaten, Russland und langfristig sogar China anzuziehen. Zu diesem Zweck wird noch heuer zwischen den umsatzstärksten SkiStar-Skigebieten in Sälen (Schweden) und Trysil (Norwegen) ein eigener „Scandinavian Mountains Airport“ eröffnet.
Ganz generell wird viel gebaut. SkiStar arbeitet in Skandinavien nach dem Resortprinzip und ist stark im Immobiliengeschäft engagiert. Neben großen Hotels sind auch Erweiterungen der Skigebiete geplant, besondere Einschränkungen durch den Naturschutz scheint es nicht zu geben. Der Anspruch „nachhaltig“ zu agieren, wird bei Lichte betrachtet durch Maßnahmen wie die Errichtung eines eigenen Flughafens (für potentiell transkontinental anreisende Gäste) konterkariert.
Eine beeindruckende Anzahl von Betten – viele davon in regionstypischen Hütten im Wald unmittelbar neben den Pisten – tragen zu rund 5,8 Millionen Skier Days auch 517.000 über SkiStar gebuchte Nächtigungen (Zahlen aus 2017/2018) bei. Ganz generell ist der Anspruch, alle Leistungen aus einer Hand zu erbringen: So wird im SkiStarshop seit neuestem auch die eigene Outdoor-Bekleidungsmarke EQPE verkauft. Hinter dem einheitlichen Maskottchen Valle (siehe Foto) liegt ein konzernweites Konzept für Skischulen. Alle Leistungen sind für die (derzeit rund 800.000) registrierten User von MySkiStar vorab online buchbar. Während des Urlaubs wird die gleichnamige App von der Mehrzahl der Gäste genutzt.
Der CEO von SkiStar, Mats Årjes, ist auch Präsident des Schwedischen Olympischen Komitees und steht somit der Bewerbung von Stockholm mit Åre um die Olympischen Winterspiele 2026 vor. Die Entscheidung über die Vergabe fällt voraussichtlich am 24. Juni 2019. Einziger verbleibender Konkurrent ist Mailand gemeinsam mit Cortina d’Ampezzo.
Lieber Markus!
Danke für die kompakte und perfekte Zusammenfassung Deiner Eindrücke von unserer conos-Trend-Tour 2019 nach Are, Sälen und Trysil. Der Blick über den Tellerrand soll ja die eigenen Gedanken wieder ein wenig in Schwung bringen und ich denke, dafür war die Reise nach Skandinavien wieder gut geeignet.
Es zeigte einerseits, dass sich der „Wert“ eines Unternehmens auch im Tourismus in Zukunft nicht alleine über die Substanz- oder Ertragskraft definiert sondern auch darüber, wie sehr es gelingt „Informations- & Daten-Zugang und -Hoheit“ über seine Kunden zu bekommen. Wer so wie Skistar als starke Marke dem Gast durch ein 100 % an den Kundenbedürfnissen orientiertes One-Stop-Shop Prinzip vom Hotelbett bis zum Skilehrer alles auf einer Plattform bietet ist nicht nur bei den Kunden, sondern auch auf der Börse hoch im Kurs. Skistar hat damit als Marktführer die Information über die Struktur, Motive und das Kaufverhalten von rund 50 % des skandinavischen Wintersport-Marktes, vermeidet die Notwendigkeit von externen Reservierungs- & Buchungs-Plattformen und sichert damit den Wertschöpfungsfluss ins eigene Unternehmen. Hier stehen wir in den Alpen noch vergleichsweise am Beginn und die grundlegend anderen, gewachsenen Besitz- & Angebotsstrukturen (von Grundbesitz bis hin zur Zahl an Skischulen und Sporthändler) sind zwar eine nachvollziehbare Begründung dafür, das dies bei uns nicht ganz so einfach und schnell geht, sollten aber nicht zur „Ausrede“ verkommen!
Anderseits wird in diesen Resorts aber auch deutlich, wie der Wachstums-Druck eines am „shareholder-value“ orientierten Börse-Konzerns zu Immobilien-, Betten- & Entwicklungsoffensiven zwingt, bei denen Marktbedarf, Flächenverbrauch, Nachhaltigkeit oder soziale Verträglichkeit zweitrangig sind.
Die in unseren Breitengraden zentrale regionalwirtschaftliche Rolle des Berg-Tourismus, der durch endogen gewachses Engagement und Unternehmertum in meist strukturell herausfordernde Regionen für die dortigen Menschen eine attraktive Erwerbs- und Lebens-Grundlage sowie Zukunfts-Perspektive schafft, ist in diesen Resorts nebensächlich. Mit lebendige, gewachsene Orte und Regionen denen es gelingt, die Balance zwischen notwediger touristischer Entwicklungsdynamik und gleichzeitigem Stolz und Identifikation bei den dort lebenden Menschen zu halten, hätten wir in Zukunft mit Garantie ein Wettbewerbsvorteil. Denn aus Kundensicht werden wir in Österreich mit diesem Differenzierungs-Merkmal international (auch in Skandinavien) assoziiert und Orte und Destinationen tun daher gut daran, sich diesen Erfolgsfaktor noch viel stärker bewusst zu machen und durch aktive Maßnahmen und Initiativen abzusichern und auszubauen.
Lieber Markus Redl,
ich darf Ihren m.E. entscheidenden Satz zitieren: Der Anspruch „nachhaltig“ zu agieren, wird bei Lichte betrachtet durch Maßnahmen wie die Errichtung eines eigenen Flughafens (für potentiell transkontinental anreisende Gäste) konterkariert.
Der Satz beweist, wie wichtig Mut, Kreativität, Offenheit für Neues, Entscheidungsfreude und Tatkraft für die Umsetzung des übergeordneten Plan T Zieles sind: Zur nachhaltigsten Tourismusdestination der Welt zu werden.
Wir stehen an einer Kreuzung. Vor uns gabelt sich der Weg. Sollen wir unsere Richtung fortsetzen und so weitermachen wie bisher? Das ist die Botschaft des skandinavischen Beispiels.
Oder wollen wir unsere Orientierung verändern? Indem wir intelligente Lösungen finden, die aus weniger mehr machen. Das ist die eigentliche Botschaft des Plan T, so wie ich sie verstehe. Für diese Vision setze ich mich mit all meinen Kräften und meinem Können ein.
Wollen wir es gemeinsam tun?
Herzlichst, Gerhard Frank
Der Blick nach Skandinavien und insbesondere auf die Gruppe SkiStar ist aufschlussreich, bestätigt er doch einmal mehr, wie solche Konzerne ticken bzw. ticken müssen. Ob dieses Modell in seiner letzten Konsequenz ein zukunftsfähiger Ansatz für unsere alpinen Regionen darstellt, wage ich zu bezweifeln.
Es gibt hierzulande durchaus eine Reihe von Ansätzen in kleinerer Dimension, die sich in Richtung des One-Stop-Shop Prinzips bewegen. Meiner Beobachtung nach sind solche Zugänge dort erfolgreich, wo leistungsfähige kleine und mittlere Unternehmen vor Ort in Rahmen von Kooperationen vom konzernartig agierenden Skigebietsbetreiber in das System Gesamtangebot eingebunden werden. Auf diese Weise entsteht ein mehrfacher Nutzen: Übersicht und Bequemlichkeit für den Gast, Sicherung kleiner und mittlerer Betriebe auf der lokalen und regionalen Ebene sowie wirtschaftlicher Ertrag für den (auch) überregional agierenden Leitbetrieb.
Zudem werden damit, wie Arnold Oberacher richtig betont, jene Qualitäten gesichert, die unser touristisches Gesamtangebot prägen: endogen gewachsene Orte, auf weite Strecken familiengeführten Unternehmen, authentische Gastfreundschaft. Sie verleihen unserem Tourismus seine besondere Atmosphäre und sie bilden ein entscheidendes Differenzierungsmerkmal gegenüber extern gesteuerten, anonymen Ressorts.
Vor dem Hintergrund dieser Betrachtungen ist es aus meiner Sicht absolut unverständlich, dass das im Beitrag von Markus Redl erwähnte St. Johann in Tirol als wirtschaftlich potente Marktgemeinde in den Kitzbüheler Alpen fast 70 % des Stammkapitals an seinem Skigenbiet der Gruppe SkiStar überlassen hat. An einem solchen Standort müssten der regionale Tourismus und die regionale Wirtschaft willens und in der Lage sein, selbst das Heft in die Hand zu nehmen und die Aufstiegsanlagen und Skipisten wieder auf Vordermann zu bringen sowie deren Qualität langfristig abzusichern.
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