Wer fürchtet sich vorm Klimawandel?
Dass der Klimawandel einen Einfluss auf den Alpenraum hat, ist unbestritten und weithin bekannt. Mit der Frage konfrontiert, ob es in den Alpen Orte gibt, die angesichts des Klimawandels aus dem Schitourismus aussteigen und im Gegenzug dazu erfolgreich Anpassungsstrategien in Richtung eines nachhaltigen Ganzjahrestourismus umsetzen, habe ich mich schwer getan, glaubwürdige Beispiele zu finden. Grundsätzlich sind die meisten Destinationen / Orte bemüht in Richtung Ganzjahrestourismus zu gehen, und zwar in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen: Auslastung der Infrastrukturen, Bereitstellung ganzjähriger Arbeitsplätze usw. Derzeit und wohl auch in absehbarer Zeit geht jedoch kaum jemand freiwillig vom Schitourismus weg. Man muss hier wirklich ehrlich sein. Diejenigen, die nahezu auschließlich Produkt- und Angebotsentwicklung unabhängig vom Schitourismus betreiben und kommunizieren sind in aller Regel Gebiete / Orte, die keine Chance auf eine schitouristische Entwicklung haben bzw. je gehabt haben. Dazu zählen auch Unternehmen in der Nähe niedrig gelegener Schigebiete, die schon seit Jahren von einer hohen Schneeunsicherheit geprägt sind und die sich aufgrund des Wegfalls der Einnahmen aus dem Schitourismus neu orientieren. Ganze Orte mit einem durchgängigen alternativen und wirtschaftlich erfolgreichen Angebot zum Schitourismus, das auf dem bewussten Ausstieg aus dem Schilauf basiert, sind in den Alpentälern aber nicht zu finden.
Destinationen / Orte, die Schigebiete still gelegt haben, sind meist keine starken Tourismusorte bzw. sind schon immer primär Sommerorte gewesen. Destinationen, welche heute die Sommer- und Ganzjahresentwicklung am stärksten vorantreiben und neue Sommerangebote entwickeln sind häufig Regionen mit starken Infrastrukturunternehmen (Bergbahnen), die die Treiber dieser Entwicklung sind. In Österreich besteht bekanntermaßen seit 2001 die Arbeitsgruppe Sommerbahnen, die sich speziell mit der Entwickung – auch naturnaher – Sommerangebote befasst und diese auch umsetzt. Parallel dazu wird natürlich weiter in den Winter investiert und dafür werden weit höhere Budgetsummen als für den Sommer eingesetzt.
Auch Nationalpark- und Naturparkgemeinden in Österreich bemühen sich, sofern außerhalb der Schutzzonen das natürliche Potenzial dafür vorhanden ist, intensiv um den Schilauf sowie um die Ansiedlung neuer Betten, um bei den Infrastruktureinrichtungen die für den wirtschaftlichen Betrieb erforderlichen Frequenzen zu erreichen. Die Schigebiete geben häufig die wirtschaftliche „Rückendeckung“ für Entwicklungen im naturnahen Bereich. Die Tendenz zur Verbreiterung des Sommerangebotes und zur Intensivierung des Naturerlebnisses ist jedoch im gesamten Alpenraum klar erkennbar und angesichts der touristischen und gesellschaftlichen Trends auch ganz sicher der richtige Weg.
Bei der Frage nach touristischen Alternativ-Angeboten, die über Einzelbetriebe hinausgehen und wirklich unmittelbar mit dem Klimawandel verknüpft sind, stehen wir wohl noch ganz am Anfang und solange im Schitourismus Erfolge zu verzeichnen sind, will und soll sich davon auch niemand trennen. Das wurde auch bei den kürzlich in einigen Alpenregionen abgehaltenen Start-Workshops des EU-Projekts CLIMALPTOUR deutlich: Das Bewusstsein für die Thematik ist steigend, die Ideen wachsend, und für die Umsetzung der Strategien bleibt (hoffentlich) noch etwas Zeit.
Interessantes Thema.
Ich denke auch, dass noch einige Zeit ins Land streichen wird, bis die Skigebiete wirklich ganz vom Skitourismus abweichen müssen. Seit ca. 5 Jahren wird in allen Skigebieten Österreichs extrem viel Geld in die flächendeckende Beschneiung gesteckt. Jedes Jahr entstehen mehrere große Speicherteiche, um das nötige Wasser für eine schnelle Beschneiung zur Verfügung zu haben. Die Summen für Investitionen,diefür eine Belebung des Sommertourismus sorgen sollen, ist erschreckend gering.
Naturnahe Sommerangebote, die wirklich funktionieren, habe ich bislang nicht viele gesehen. Gerne würde ich ein Beispiel gennant bekommen!? Oftmals werden doch eher größere Erlebniswelten auf dem Berg geschaffen, damit Bergbahnen und Gastronomie im Skigebiet gleichermaßen profitieren. So funktioniert das „Hexenwasser“ in der Skiwelt und der „Murmli Park“ in Serfaus ausgezeichnet – aber von naturnähe ist da nichts zu sehen…
Solange es in den Alpen Destinationen gibt, wo Betriebe zwei Drittel ihrer Umsätze und drei Viertel ihrer Erträge in der Wintersaison machen, werden Unternehmer viel daran setzen, diese Erfolgsgeschichte zu prolongieren. Unterstützt werden sie dabei von der Politik, die seit Jahrzehnten für periphere Regionen keine nennenswerten Entwicklungsperspektiven abseits des Tourismus entwickelt. Ich vermute, dass es auch in Zukunft starke, hochprofessionelle, wirtschaftlich erfolgreiche Wintersport-/Skidestinationen in den Alpen geben wird. Doch all die kleineren, weniger professionellen Orte und Anbieter, die in den letzten 15 Jahren gut im „Speckgürtel“ der Top-Spots gelebt haben, werden immer mehr zu kämpfen haben. Ich fürchte nur, dass die meisten noch so ambitionierten Ansätze in Richtung Ganzjahrestourismus diesen Rückgang wirtschaftlich bei weitem nicht wettmachen können.
Das denke ich auch! Der Preisunterschied zwischen der Winter- und Sommersaison ist eklatant.
@Ulricke Reisner: Freue mich schon, Sie bald in der Vorlesung am MCI kennenlernen zu dürfen!
Bestätigt wird der hohe Stellenwert des Winters (auch aufgrund von Wertschöpfung, besserer Wettbewerbssituation und dadurch auch besserer Preisdurchsetzung) ganz klar durch die neue ÖHV-Destinationsstudie: Die Gewinner sind (abgesehen von Platz-1-Abonnenten Wien) durchwegs professionell gemanagte Wintersportgebiete. Für alle, die die Performance der eigenen Destination im Vergleich mit dem Mitbewerb interessiert: http://www.oehv.at.
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