Kleider machen Destinationen
Im Bereich des Erscheinungsbildes von Destinationen ist in den letzten Jahren viel diskutiert und unternommen worden. Neue Logos, innovative Internetauftritte und tolle Gestaltung der On- und Offline-Medien – hier wurde nachgedacht, gehandelt und wahrlich Geld in die Hand genommen!
Wenn man allerdings genauer hinsieht und sich durch verschiedene Tourismus-Websites in ganz Österreich klickt oder in Prospekten blättert, so fällt auf, dass die durchgängige Gestaltung von einer Ebene zur nächsten oft zu wünschen übrig lässt. Kleine Verbände und Gemeinden können anhand ihres eigenen touristischen Internetauftritts vom Erscheinungsbild her häufig nicht ihrer Destination zugeordnet werden. Oft wird nicht einmal die Destination genannt, der man anghört.
Aus Sicht des Gastes – und insbesondere aus der des potenziellen neuen Gastes – ist es nicht gerade vorteilhaft, wenn zur Destinationsseite noch fünfzehn örtliche Tourismusseiten und ebenso viele Prospekte kommen, die sich in ihrem Erscheinungsbild gänzlich unterscheiden und in denen zu guter Letzt auch noch andere Themen kommuniziert werden wie auf Destinationsebene.
Die Situation der nicht-durchgängigen Erscheinungsbilder hängt wohl in den meisten Fällen damit zusammen, dass in weiten Teilen Österreichs Destinationen als Marketingdächer konzipiert sind und unterhalb der Destinationsebene vielfach kleine Einzelverbände sowie Gemeinden mit Tourismusbüros bestehen, die noch immer eigene Internetauftritte und Informationsmaterialien produzieren.
Ein einheitliches oder zumindest abgestimmtes „Styling“ wäre jedoch aus mehreren Gründen eine Überlegung wert: Einerseits bringt es Positionierungsvorteile sowie eine durchgängige (Bild-)Sprache und sichert die Wiedererkennung durch den Gast. Andererseits sind damit Arbeits- und Kostenersparnisse für Gemeinden und Kleinverbände verbunden – viele tun sich hier schwer und haben das Erscheinungsbild und die thematische Gestaltung ihrer Websites schon längere Zeit nicht mehr überarbeitet.
Die Thematik beinhaltet noch einen weiteren Aspekt, nämlich die Orientierung bzw. Anknüpfung der Destinationen am touristischen Auftritt des jeweiligen Bundeslandes, das ja in der Regel als Dachmarke firmiert. Was ich damit sicher nicht sagen will, ist dass ab heute alle Destinationen einer Landesdachmarke, wie z.B. Tirol oder Salzburger Land, im gleichen Kostüm erscheinen sollten. Differenzierungen im Erscheinungsbild sind angebracht und im Hinblick auf spezifische Positionierungen auch erforderlich. Sehr wohl aber sollten alle Destinationen mit dem Transport des Logos der jeweiligen Landestourismusorganisation den Zusammenhang mit der Landesmarke herstellen und diese damit insgesamt stärken. Dasselbe gilt für das Österreich Logo, auch dafür müsste eigentlich ein Platz zu finden sein.
Für alles was unterhalb der Destinationsebene passiert, also in Teilregionen oder Orten sollte – sofern dort noch eigene Kommunikationsmittel produziert werden – meiner Meinung nach gelten: Optische und inhaltliche Anpassung an die Destinationsebene, Transport des Logos der Destination und der Landestourismusorganisation. Ein Blick in das Markenmanual der Destination und ein Abstimmungsgespräch mit der übergeordneten Ebene vor der nächsten Überarbeitung der Website kann jedenfalls nicht schaden!
Auf Destinationsebene wird vielfach mehrgleisig gefahren, wenn es um Kommunikation und Marketing geht. Dies ist zum einen aus wirtschaftlicher Sicht bedenklich, denn wir wissen, dass viele Verbände – im Lichte ihres sehr breiten Aufgabenportfolios – überproportional viel Geld ins Marketing stecken. Andererseits, so meine These, brauchen wir dringend ein stimmiges, modernes Gesamtsystem, das alle Ebenen des Tourismus bis hinein in die Regionen und Ortschaften, aber auch bis zur Österreich Werbung hin umfasst. In einigen Tourismusorganisationen, aber auch in ausgelagerten Marketing-Töchtern, wirken immer noch die früheren Verbands- oder Vereinsstrukturen nach – trotz Fusionierung, trotz Restrukturierung, trotz teilweise neuer, professionellerer Mitarbeiter, trotz höherer Budgets. Durch Zusammenschlüsse wurde zwar die äußere Struktur für eine Reform geschaffen, es fehlt aber bislang an einer flächendeckenden, darauf abgestimmten Weiterentwicklung der Verbände nach innen. Pointiert formuliert bestehen nun zwar regional ausgerichtete Verbandsgebilde als organisatorische Einheiten, diese werden jedoch `nach innen´ nicht immer gelebt und umgesetzt. Es mangelt an gemeinsamer Identität als Organisation. Dies spiegelt sich meines Erachtens für den Betrachter im Außenauftritt der Destination wider.
@Peter Deine These ist zwar betriebswirtschaftlich richtig, wird aber meines Erachtens realpolitisch niemals Realität werden. Zu stark ist der Konkurrenzkampf und auch der interne Druck der Vereinsmitglieder eines TVB (= Leistungsträger) auf die jeweiligen Geschäftsführer/innen.
Da ist Abgrenzung gerade vom Landesverband und von den benachbarten Gemeinden und Destinationen ein langjährig erprobtes Mittel.
Als positives Beispiel darf ich hier die Region Salzkammergut herausheben. Nicht weil ich dort lebe oder arbeite 😉 sondern Ronny Felder hat es mit seinem gesamten Team geschafft, zahlreiche (teilweise sehr unterschiedliche) Orte mit großem Weitblick auf eine gemeinsame Linie zu bringen und trotzdem die individuellen Stärken nicht unter den Tisch zu kehren.
Wenn ich daran denke, wieviele Destination in meiner Heimat Tirol gleichzeitig zB die Google Adwords „Wandern Tirol“ buchen und damit den CPC in astronomische Höhen treiben … hier gibt es nur einen Gewinner: nämlich Google selbst.
Ich bin mir gar nicht sicher, dass diese Mehrgleisigkeiten mit den Strukturen zu tun haben. Ich glaube, dass sich diese Dinge daraus ergeben, dass die Menschen das Gefühl haben ohne eigenen Prospekt, Website etc. gewissermaßen die „Identität“ zu verlieren. Ich erlebe oft in Orten, dass eine Art kollektive Angst herrscht im Regionsreigen unterzugehen – sozusagen zuerst namenslos und damit bedeutungslos zu werden. Meist wird dabei nicht bemerkt, dass die Bedeutungslosigkeit bereits „eingetroffen“ ist. Aber sie hat noch einen Namen. Vielleicht hilft das den Schmerz zu verringern?
@claudia tscherne: Ich gebe Ihnen Recht. Wenn allerdings das Tiroler Tourismusgesetz explizit Ortsausschüsse vorsieht und diesen auch Budgets zubilligt, wird hier gewissen Mehrgleisigkeiten strukturell schon auch Vorschub geleistet. Paradoxer Weise, und da haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen, ersetzt vielerorts das Marketing (die Marke) die Organisationsstruktur. Soll heißen: wenn wir eine eigene Marke etc. haben, haben wir eine eigene Organisationsstruktur und damit Identität.
Guten Morgen,
Was sich in den Lehrbücher eines guten Corporate Designs gut liest, hat nur selten was mit der Realität zu tun. Tourismusregionen und Destinationen sowie Länder verkaufen nicht ein einheitliches Produkt wie es die Marke BMW macht.
DIe Vielfältigkeit eines Landes, einer Region oder Destination bietet die Möglichkeit sich im internationalen Wettbewerb klar seine Marktlücke zu erschliessen. Wenn in einer Destination alle Werbemittel gleich aussehen und die selbe Marketing Positionierungs Message kommunizieren ist oft genau für diese Differenzierung kein Platz mehr.
Wenn in einer Destination sich verschiedenen Ansätze herauskristallieren und unterschiedliche Zielmärkte beworben werden, dann wird ein Destinationsprospekt verwirrend. Man kann nicht in einem Werbemedium Remi Demi Apres Ski genauso verkaufen wie die erholende Ruhe beim Urlaub am Bauernhof. Daher gilt es hier diese unterschiede zu fördern.
Der Druck auf die TVBs eigene Strategien zu entwickeln ist ja auch kein Selbstzweck sondern oft eine Reaktion auf zu wenig Erfolg durch die Dachverbände. Wenn die Destinationen so viel Marktdruck aufbauen könnten, damit die TVBs ohne eigene Werbung Ihre Mitglieder zufriedenstellen könnten, wäre jeder TVB heilfroh die Arbeit und damit ein Teil des Budgets der Dachmarke zu überlassen… Aber dies ist selten der Fall – leider!
Es gibt fast keine Destinationen wo die Angestellten erfolgsorientiert nach tatsächlich gebuchten Nächtigungen entlohnt werden. Daher fehlt auf der Destinationsebene oft der Anreiz den der Druck der Vermieter in einem Ort aber für den dortigen TVB darstellt.
Das alles wiederspricht nicht der gemeinsamen Nutzung von Logos und Wording um den Dachverband zu stützen.
Mit Interesse stelle ich fest, dass ich eine rege – und wichtige – Diskussion losgetreten habe. Zwei Punkte möchte ich dazu anmerken:
Zum Ersten: Destination ist nicht gleich Destination. Die rechtlichen Strukturen und Selbstverständnisse von Destinationen differieren vom Bodensee bis zum Neusiedlersee enorm und reichen von Ansätzen wie „Destination = Verbandsgebiet des fusionierten TVB mit Durchgriffsrecht auf die Ortsebene“ wie z.B. in Tirol bis hin zu „Destination = Dachmarketinggesellschaft, unter der mehrere Verbände eigenständig tätig sind“. Das ist in einer solchen Diskussion unbedingt zu beachten.
Zum Zweiten: Profile und Differenzierungen sind wichtig und richtig (siehe dazu auch mein letzter Beitrag im tp-blog „Profil für Teilräume in Destinationen“. Unser Tourismusprodukt ist in der Tat sehr vielfältig und wenn uns das nicht bewusst wäre, bräuchten wir überhaupt keine Destinationen zu definieren, sondern könnten pauschal mit „Urlaub in Österreich“ werben. Moderne Destinationen sollten und werden es schaffen – ja, das ist ein Entwicklungsprozess – die unterschiedlichen Profile ihrer Teilregionen angemessen zu würdigen.
Für die unteren Ebenen aber gilt: Bei allem Verständnis für Profilierungen und Differenzierungen sollte es selbstverständlich sein, dass Logo, Wording und andere Leitelemente der Destinationsebene mitgetragen und kommuniziert werden – und um das ist es mir in meinem Beitrag eigentlich gegangen. Denn wenn der TVB oder die Gemeinde nicht mehr der Destination zuordenbar ist, ist das auch aus der Sicht des Gastes ein Verlust. Und das hat dann nichts mehr mit Lehrbuch zu tun, denn die Konsequenzen solcher Alleingänge können schwerwiegend sein in einem Umfeld, in dem die Mittel immer knapper und Synergien immer wichtiger werden.
interessante Diskussion, mein erster Gedanke dazu:
Einmal in eine TVB Sitzung gehen und zuhören, egal welche Struktur, Größe, Nähe Bodensee oder Neusiedlersee.
Dem homo oeconomicus schlägt das Reptilienhirn immer wieder ein Schnäppchen.
Aber die Diskutanten hier kennen das ohnedies…
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