7. Februar 2018 | 08:00 | Kategorie:
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Was bringen Sportgroßveranstaltungen?

Neben Image- und Werbeeffekten steht die Frage der wirtschaftlichen Kosten und Nutzen von Sportgroßveranstaltungen wie Olympaden etc. im Zentrum des Interesses.

Martin Mayerhofer hat in seinem Kommentar zum TP-Review völlig richtig bemerkt, dass entsprechende Zahlen je nach Zielsetzung für oder gegen eine Veranstaltung eingesetzt werden. Und weiter: „Doch mittlerweile gibt es auch vermehrt Regionen die sich einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dem Thema stellen, und die wirklichen Effekte (wenn auch nicht immer in einer umfassenden Wertschöpfungsstudie – jedoch mit profunden Hochrechnungen realistischer Frequenzen und Nächtigungen) errechnen.“

Das erinnert mich an einen Kommentar von Christian Baumgartner aus dem letzten Sommer, wo er zum Thema Sportgroßveranstaltungen meinte: „Leider keine ich keine einzige Studie, die – wissenschaftlich korrekt durchgeführt – die wirtschaftlichen kurz-, mittel- und langfristigen Effekte von Sportgroßveranstaltungen analysiert und diese den Kosten gegenüberstellt. Wäre über entsprechende Hinweise sehr dankbar.“

Belastbare Zahlen?

Das scheint mir doch ein interessanter Punkt für unseren TP-Blog Schwerpunkt zu sein: Sammeln wir doch Links und Hinweise zu Untersuchungen, die uns – wenn auch anlassbezogen und daher immer mit nur begrenzter Aussagekraft – belastbare Zahlen zur Frage der wirtschaftlichen Effekte liefern.

Ich mache gerne den Anfang und zitiere aus einem Beitrag der Zürcher Zeitung vom November letzten Jahres zum Thema. Hier wird beispielsweise auf eine Potenzialstudie verlinkt, die die Wertschöpfungseffekte einer Austragung von Olympischen Spielen im Schweizerischen Sion schätzt. Was ich an diesem Zeitungsartikel allerdings spannender finde, ist der Hinweis auf eine Studie der Universität Oxford, wo es bereits im ersten Satz des Abstracts heißt:

At an average cost overrun of 156% in real terms, the Olympics have the highest cost overrun of any type of megaproject in the world.

Ebenfalls lesenswert könnte diese Literaturquelle sein:

Going for the Gold: The Economics of the Olympics“ von Robert A. Baade and Victor A. Matheson
Weitere Empfehlungen zu diesem Thema? Das Forum ist eröffnet…
7. Februar 2018, 14:23

Anknüpfend an Ulrike Reisner stellt sich hier wohl die Fragen aller Fragen: ab wann ist eine Sportgroßveranstaltung überhaupt touristisch relevant? Aus meiner Sicht ist vorerst wichtig, die Zielsetzung zu definieren: nachhaltiger touristischer Effekt durch langfristig wirksamen Imageaufbau ( wie z.B durch eine Ski WM ) und Positionierung, kurzfristiges Werbestrohfeuer zur Erlangung sehr vergänglicher Wirksamkeit oder einfach Durchführung einer Sportveranstaltung dem Sport und den Athleten zuliebe? Man könnte durchaus noch weitere Varianten finden, der Einfachheit halber möchte ich es jedoch vorerst bei diesen drei doch sehr unterschiedlichen belassen.
Alle Varianten können durchaus ihre Berechtigung haben, aus meiner Sicht ( und somit aus touristischer ) macht jedoch nur die nachhaltige Durchführung einen Sinn ( wenn eine Region beispielsweise am Mountainbike Sektor punkten will und dies als touristisches Thema verankern will, macht eine MTB WM somit durchaus Sinn, oder wenn damit dauerhaft eine saisonale Belebung und Verjüngung der Gästestruktur verbunden ist, wie z.B.beim Spartan Race in Oberndorf/Tirol mit mehr als 9.000 Teilnehmern plus Begleitpersonen ).

Was jedoch alle Varianten wiederum eint, ist der sehr grosse Interpretationsspielraum hinsichtlich des Werbewertes, was von zahlreichen Veranstaltern und Sportverbänden weidlich ausgenützt wird, um den Zahlern die oftmals immensen Kosten schmackhaft zu machen….

7. Februar 2018, 18:01

Zur Frage von Christian Baumgartner:

Holger Preuß von der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz ist einer der profiliertesten Experten zu ökonomischen Wirkungen von Sportgroßveranstaltungen. Sein gemeinsam mit Harry Arne Solberg im Journal of Sport Management publizierter Artikel „Major Sport Events and Long-Term Tourism Impacts“ ist frei verfügbar: https://www.researchgate.net/publication/266003775_Major_Sport_Events_and_Long-Term_Tourism_Impacts

Martin Schnitzer hat zur Entwicklung eines Bewertungsinstruments für Sportgroßveranstaltungen dissertiert und ist als Senior Scientist an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (in der Lehre u.a. auch für das Bachelorstudium Wirtschaft, Gesundheits- und Sporttourismus Landeck) tätig. Er kooperiert regelmäßig mit Holger Preuß, insbesondere in der Event- und Impaktforschung.

Vielleicht können wir ja einen der beiden für einen Gastkommentar gewinnen!

8. Februar 2018, 10:00

Das Ringen um Studien, die valide Aussagen zu diesem Thema liefern, ehrt die „Sinnsucher“ ob ihrer Eernsthaftigkeit sich diesem Thema zu nähern. Leider wird in diesem Zusammenhang ein Umstand völlig außer Acht gelassen: Die Meinungsbildung über Politik und Medien. Ich bin in diesem Zusammenhang kein ganz Unerfahrener: Ein Jahrzehnt habe ich die Kommunikationsabteilung der SPÖ-Landesorgansiation Salzburg geleitet, danach war ich 13 Jahre Chefredakteur der Antenne Salzburg, dem führenden Privatradio dieses Bundeslandes. Ich traue mir zu sagen, dass Entscheidungen für oder gegen eine Sportgroßveranstaltung (leider) zu allerletzt von Wirtschaftlichkeitsstudien bestimmt werden. Im Moment haben die Befürworter solcher Ereignisse schlechte Karten. Das hat vor allem damit zu tun, dass die großen, multinationalen Verbände, die solche Events vergeben, selbst in ein sehr schlechtes Licht geraten sind. Einerseits sind sie bis hinauf in ihre Spitzen selbst korrupt (FIFA) oder Spielball der Großmächte (Olympisches Komitee). Dazu kommt, dass diese Verbände zwar bei den Vermarktungsrechten (TV, Sponsoring etc.) selbst massiv abkassieren, für die durchführenden Regionen aber ein besseres Trinkgeld verbleibt. Dazu kommt, dass gerade Regionen, die als Austragungsstätten attraktiv sind, kaum mehr Zeitfenster finden, wo sie den ganzen Betreuer- und Medien-Tross unterbringen können. Nur wenn die Abstinenz in Sachen Großveranstaltungen (und damit von Sport- und Society-Berichten) zu lange dauert, werden auch Leute, die sonst eher auf dem hohen Ross sitzen, wieder „schwach“: Bestes Beispiel: Saalbach-Hinterglemm. Dort will man wieder eine Ski-WM. Ich glaube nicht, dass eine isolierte, nur auf dieses Ereignis fokussierte, Wirtschaftlichkeitsrechnung den Ausschlag dafür gegeben hat. Sondern das vage Hoffen auf eine Umwegrentabilität in den Jahren danach. Dass sich dabei auch regionale Politiker im Glanz der Großen Welt sonnen dürf(t)en, wird der Sache nicht abträglch sein. Es sagt aber was aus, dass es fast nur mehr nicht-demokratische Länder sind, die Großveranstaltungen ausrichten möchten, weil sie sich dadurch der Welt von einer (wie sie hoffen) sympathischen Seite zeigen können.

20. Februar 2018, 11:22

Wenn wir ehrlich sind: Bei Großveranstaltungen geht es eigentlich immer um „Brot und Spiele“, also um politische Ziele und da muss der Tourismus mit Nächtigungen, Wertschöpfung und Nachhaltigkeit als Argument herhalten. Versucht ein Touristiker in der Bewerbungsphase seine Skepsis anzubringen, wird er meistens „geköpft“. Alle spielen dieses Spiel mit.

24. Februar 2018, 20:03

Manfred Kohl bringt es wieder einmal auf den Punkt: Für die Politiker aber auch für so manchen Touristiker nur dumm, dass das Volk heute genug Brot hat und sich sportlich-spielerisch lieber selbst betätigt, was ja auch im Abstimmungsergebnis zur Tiroler Olympiabewerbung 2026 zum Ausdruck gekommen ist. Zudem legt eine aktuelle Leserumfrage der Tiroler Tageszeitung den Schluss nahe, dass mehr als die Hälfte der Tirolerinnen und Tiroler mit (den aktuellen) Olympischen Winterspielen nichts am Hut hat.

Verfolgt man mit einiger Aufmerksamkeit die aktuellen Diskussionen um eine Bewerbung für Olympische Winterspiele 2026 in der Steiermark und in der Schweiz (Sion 2026), muss man nicht lange suchen, um Anhaltspunkte zu finden, welche die Kohl’sche These bestätigen.

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