So tickt der Tourismus in Österreich
Ist der Tourismus für Österreich unbedeutend?
Für den Familienurlaub Reiseblog waren wir über 4 Wochen unterwegs in Österreich. In kleinen Regionen in den Bergen und auch in den Ballungsgebieten. Es war sehr interessant zu sehen, wie die unterschiedlichen Tourismusverbände, Ausflugsziele und Übernachtungsbetriebe agieren. In einigen Regionen sehr aktiv gesteuert, in anderen Regionen passiv abwartend. Und das war unabhängig von Stadt und Land. Eines ist mir in an mehreren Destinationen sehr lebendig aufgefallen: Wie stark der Tourismus der Wirtschaftsfaktor von ganzen Regionen ist. Teilweise geschätzt und geachtet, teilweise vernachlässigt als „Anhängsel“ der Wirtschaft.
Meine Erfahrungen und Wahrnehmungen
Je weniger Bevölkerungsdichte eine Region hat, desto geachteter waren die Bemühungen im Tourismus. Kleine Orte in Österreich abseits der großen Verkehrswege haben nur den Tourismus als Quelle für Arbeitsplätze und Wohlstand. Industriebetriebe können – und sollen sich bitte – hier nicht ansiedeln. Die schöne Landschaft soll bewahrt bleiben. Da sind wir uns wahrscheinlich einig. Was ich aber dort auch gesehen habe und bekannt ist: Diejenigen, die im Tourismus arbeiten möchten, werden weniger. Der Tourismus ist nicht mehr attraktiv. Teilweise habe ich geschlossene Restaurants angetroffen. Sie mussten einen unfreiwilligen Ruhetag einlegen oder mit eingeschränkten Öffnungszeiten arbeiten, aus Personalmangel. Warum gelingt es uns nicht, die Wertigkeit des Tourismus zu achten und dementsprechend zu handeln? Es sollte uns gelingen, eine Wertschätzung für die Jobs im Tourismus zu entwickeln und die Bedingungen für Arbeitgeber im Tourismus durch entsprechende Gesetze zu verbessern.
Warum stärken wir den Tourismus nicht?
Denn eines sollte uns schon klar sein: Nehmen die negativen regulativen Eingriffe des Staates im Tourismus weiter zu und steigen die Abgaben weiter an, werden noch weniger junge Menschen im Tourismus arbeiten wollen. Dann wandern sie ab und zurück bleiben leere Siedlungen mit alten Leuten. Das habe ich auf der Rundreise in Österreich auch gesehen. Ein Dorf mit vielen alten Menschen, das ein bisschen viel Weltuntergangsstimmung ausstrahlte. Und diese Gegenden zu erhalten, dürfte sehr teuer werden – teuerer, als den Tourismus schon jetzt steuerlich zu entlasten. Die Senkung der Mehrwertsteuer ist ein guter Schritt in diese Richtung. Ausreichend wird das wohl aber nicht sein.
Keine Frage, in vielen peripheren Regionen bildet der Tourismus das zentrale wirtschaftliche Standbein. Dort, wo keine bzw. kaum wirtschaftliche Alternativen zur Verfügung stehen, wird der Tourismus in der Regel auch geschätzt, jedenfalls von denen, die davon profitieren. Als Anhängsel oder Nebensache wird er naturgemäß dort wahrgenommen, wo andere Erwerbsmöglichkeiten vorhanden sind bzw. im Vordergrund stehen. Das ist nur logisch, insbesondere wenn erkannt wird, was die Industrie, auch in einem Tourismusland wie Tirol, zu leisten imstande ist.
Markus Schmidt ist bei seinen Erkundungen auch dem Phänomen der weniger werdenden bzw. fehlenden Arbeitskräfte im Tourismus begegnet. Das Thema ist bekannt und seit Jahren ein Dauerbrenner. Medienberichten und Diskussionen entnehmen wir jedoch, dass fehlende Arbeitskräfte nicht nur ein Problem des Tourismus sind, sondern dass auch in tourismusfernen Branchen, und zwar quer durchs Land, Betriebe händeringend nach (qualifizierten) Arbeitskräften suchen.
Spinnt man diesen Gedanken weiter, kommt man zum Schluss, dass es zu kurz greift, den Mangel an Arbeitskräften im Tourismus mit der fehlenden Wertigkeit bzw. Wertschätzung dieses Wirtschaftszweiges zu begründen. Das Problem ist weit komplexer. Hier spielen eine Reihe von Faktoren mit herein wie z.B. die gegenüber früher geringere Kinderzahl pro Familie, die höhere soziale und räumliche Mobilität, der Zug vom Land in die Stadt, die zunehmende Akademisierung und vieles mehr.
Und noch ein Aspekt, der ketzerisch klingen mag, der aber einmal zu Ende gedacht werden sollte. Wenn die Klagen über fehlende Arbeitskräfte im Tourismus vor jeder Saison gebetmühlenartig durchs Land hallen, drängt sich bei mir hin und wieder folgender Gedanke auf: Wenn wir wissen und es tagtäglich erleben, dass die Rekrutierung von Arbeitskräften für den Tourismus immer schwieriger wird und uns laufend mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlen, warum träumen wir dann von noch mehr Tourismus, von noch mehr Betten, von noch mehr Seilbahnen, von noch mehr Erschließungen? Fahren wir da nicht früher oder später sehenden Auges an die Wand? Und ist vor diesem Hintergrund die Argumentation, mit touristischen Projekten Arbeitsplätze zu schaffen, nicht obsolet? Das gilt, um es in Analogie zu einem bekannten Werbespruch zu formulieren, nicht immer und nicht überall, aber immer öfter und an immer mehr Orten.
Danke Peter Haimayer für die Ergänzung. Der letzte Absatz verdient besonders beachtet zu werden! Entweder wir bekommen die Arbeitskräfte für immer mehr neue Großprojekte doch noch von außen oder diese Projekte ziehen durch mehr Attraktivitäte die Arbeitnehmer von anderen Arbeitsplätzen ab.
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