14. November 2016 | 22:03 | Kategorie:
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Re-Inventing DMOs

Gernot Riedel, Gernot Memmer und Eva Schödl haben erste Fragen und damit verbundene Gedanken über die Zukunft der Tourismusorganisationen in diesem Artikel formuliert. Ich möchte die Themenliste erweitern, vertiefen und die konkrete Frage von Gernot: “Wird die DMO 2030 noch gebraucht?” beantworten: NEIN!

Ich habe mit dieser Frage eine sehr geschätzte und erfolgreiche Hotelierin konfrontiert. Die Antwort: “Klar, vor allem für die kleinen Vermieter. Zur Info Weitergabe. Wir sind das Land der Gastgeber, dazu gehören auch die TVBs. Zur Abwicklung von Events wie Bauernherbst, Adventsmärkte, und und und…”

Im Rahmen eines Vortrags beim Deutschen Tourismustag 2016 machte ich eine Blitzumfrage unter den teilnehmenden Tourismusmanagern. Mehr als 400! Antworten auf folgende Frage:

Mit welchen 3 Aufgaben stiftet eine TO für ihre Destination zukünftig am meisten Nutzen?
Die Antworten auf die sehr offene Frage wurden nach 2 Kategorien geclustert:

Cluster 1) Direkte Nutzenstiftung nach innen oder nach außen?

  • Nutzenstiftung nach innen – für Leistungsträger:              65%
  • Nutzenstiftung nach außen – direkter Nutzen für Gäste:  35%

Cluster 2) Aufgaben und Rollen einer TO in Zukunft

  • Werbung & Verkauf   40%
  • Berater 15%
  • Public Manager 25%
  • Infodienst vor Ort    5%
  • Innovation & Impulsgeber 15%

Das meinen die Tourismusmanager aus Deutschland (Details werden hier nach fertiger Auswertung ergänzt)

Warum ich trotzdem bei meinem NEIN bleibe?

Das DMO Verständnis – Destination Management / Marketing Organisation beruht auf der – genialen aber zu Ende gehenden – Idee des Taylorismus. Die Suche nach “Best Practise Beispielen” das Kernprinzip des tayloristischen Prinzips, gilt auch im Tourismus immer noch als modern. Das schönste Blumendorf Österreichs. Die weiteste Reise mit der Blasmusik zu einer Tourismusmesse. Der spektakulärste Baumkronenweg. Die digitalste Digitalkampagne.

Vom Verschönerungsverein bis zur heutigen, professionellen DMO – die handelnden Akteure identifizierten, die Erfolgsfaktoren und realisierten innovative Projekte. In einer Zeit träger Märkte, war dieses Konzept äußerst erfolgreich.

Die Tourismusmärkte von heute und morgen sind geprägt von Globalisierung und extremer Dynamik. Wachstum erfolgt durch geografische Ausdehnung der Zielgebiete, Schnelligkeit in der Marktbearbeitung, Kultur- und Sprachverständnis sind typische Erfolgsfaktoren.

In den gesättigten Märkten reicht Schnelligkeit nicht aus. Die meisten Konkurrenten sind selten langsamer. Marktdruck erzeugen jene Unternehmen und Destinationen, die ihre Mitbewerber ständig mit neuen Ideen und Überraschungen belästigen.

Und diese neuen Ideen und Überraschungen kommen zunehmend auch aus anderen, fremden Branchen. Billigairline, Buchungsplattformen, alternative Serviceangebote in der Übernachtung oder im Transport.

Etablierte Organisationseinheiten der Branche reagieren gegenüber derartiger, globaler Entwicklungen oft mit einem Feindbildreflex, man erinnere sich an den Frühling der Bewertungsplattformen. Die Frage ist, wie man diesen Entwicklungen auf konstruktive Weise begegnen kann.

Man sollte mehr am System als im System arbeiten

Norman Wolfe beschreibt in “The Living Organisation” 3 Formen von Energiefeldern am Arbeitsplatz:

  • Aktivität – was ist zu tun und wie,
  • Beziehung – was wir kommunizieren und wie,
  • Kontext – der Zweck und Sinn in Verbindung mit einem größeren Ganzen

In einem (tayloristischen) Weltbild, in dem Organisationen wie Maschinen betrachtet werden, gibt es in erster Linie Aktivitäten. Wenn wir über die Zukunft der DMO nachdenken – DMO 2030! – sollten wir am anderen Ende nachzudenken beginnen,.

Was ist der Sinn* einer DMO in einer selbstorganisierten Destination?
Was ist der Sinn* einer DMO für eine Gesellschaft, die unser heutiges Konsumverhalten als stumpfsinnig betrachtet?
Was ist der Sinn* einer DMO in einer Kommunikationslandschaft geprägt von Algorithmen und Belanglosigkeiten?

Frederic Laloux, Autor von “Reinventing Organizations” prognostiziert Wachstum zukünftig vor allem dort, wo Organisationen sich um körperliches, emotionales und spirituelles Wohlbefinden bemühen. Das sind positive Aussichten für den Tourismus.

Laloux weiters: „…Eine Organisation kann sich nicht weiter entwickeln, als die Entwicklungsebene, auf der sich die Führung befindet…“ Vor allem auf der Eigentümerebene einer DMO ist hier noch vielfach Entwicklungspotential zu identifizieren.
Wenn die Managementmethoden und gesetzliche Rahmenbedingungen von gestern durch neue Steuerungsinstrumente für eine Netzwerkgesellschaft ersetzt würden, dann wäre es perfekt für die … 

…dafür braucht es leider auch neue Sprachbilder, daher:  DMO – fare well!

* = nicht Aufgabe

15. November 2016, 9:33

Guten Morgen Reinhard, ich denke, man muß schon ein wenig differenzieren. Ich kenne durchaus Regionen im Alpenraum, die zwar ein DMO haben, aber dennoch es nicht schaffen, rechtzeitig einen Veranstaltungskalender für diese Region auf die Beine zu stellen. Ist mir schon klar, das ist – oder war – nur eine der vielen Aufgaben. Aber wie wir eine Organisation nennen, welche die Angebote einer Region kanalisiert u mit vernünftigen Vorlaufzeiten veröffentlicht, ist egal. Hauptsache, es macht jemand. Denn es gibt sie immer noch: RV, Busunternehmer, Vereine – die Reisen organisieren u rechtzeitig wissen wollen, was wo „los“ ist. Klar, Internet. Aber auch das muß gesammelt u sinnvoll aufbereitet veröffentlicht werden.
Wir übersehen vor lauter Blick auf Spitzenleistungen häufig die Basisarbeit, ohne die einzelne Betriebe – groß oder klein – ihre Gäste nicht informieren können. Aber wir wissen, daß uns in vielen Bereichen im Tourismus die Basis abhanden kommt – das beginnt bei Fach-Mitarbeitern u endet häufig – siehe oben.
HG, Thomas

21. November 2016, 14:37

Auch wenn das Korsett unserer DMOs (gesetzliche Rahmenbedingungen, definierte Aufgabenbereiche) manchmal starr anmutet, so hat es in den vergangenen Jahren nach meiner Beobachtung die Innovationskraft unserer Destinationsmanager nicht wesentlich eingeschränkt. Vor allem Infrastrukturprojekte waren nach meiner Beobachtung in den letzten Jahren öfter als zuvor auf die Initiative von Destinationsmanager (Konzepterstellung, Förderungsansuchen, Umsetzung) zurückzuführen. Was den Einfluss der Destinationsmanager auf die eigene Destinationsmarke anbelangt, so finde ich den Zusammenhang mit der in Fernmärkten verminderten Wahrnehmung von Marken zu pauschal und im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion nicht angebracht. Es zählen nicht nur Austria, Salzburg und Kitzbühel. Unsere Gäste aus den Nahmärkten haben auch Sehnsucht nach ihren kleinen Urlaubsrefugien, mit denen sie Werte und Urlaubserlebnisse verbinden. Diese Verbindungen bilden nach meiner Auffassung künftig das größte Kapital im Destinationsmarketing, und niemand ist besser positioniert als unsere lokalen Gästeservicecenter um dieses Kapital zu valorisieren. Servicedesign und Interaktion mit dem Gast vor Ort werden mehr denn je benötigt. Richtig gemacht, führen sie zu wertvollen Destinationsempfehlungen, welche für Destinationsentscheidungen*) entscheidend sind.
Es lebe der Gast, es leben die DMOs!
(*) Über 60% von Destinationsentscheidungen sind auf Destinationsempfehlungen zurückzuführen.

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